Weltverfolgungsindex 2024

Irak

Christenverfolgung im Irak

Berichtszeitraum: 1. Oktober 2022 – 30. September 2023

Überblick

Seit der „Islamische Staat“ (IS) zurückgedrängt wurde, setzen insbesondere vom Iran unterstützte schiitische Milizen die Christen im Irak unter Druck. Allerdings hat der IS seine Angriffe auf Zivilisten, Infrastruktur und Sicherheitskräfte auch im Jahr 2023 fortgesetzt. Sowohl die Türkei als auch der Iran setzten außerdem ihre Luftangriffe und – im Falle der Türkei – Bodenoperationen in verschiedenen Gebieten der Region Kurdistan-Irak fort, die angeblich gegen Mitglieder der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gerichtet waren. In den vergangenen Jahren trafen diese Angriffe auch überwiegend christliche Dörfer, verursachten schwere Schäden an zivilem Eigentum und zwangen viele Christen zur Flucht.

Die traditionellen Kirchen (die assyrische Kirche des Ostens, die syrisch-orthodoxe Kirche, die syrisch-katholische Kirche, die chaldäisch-katholische Kirche und die armenische orthodoxe Kirche) sind stark von Gewalt, Intoleranz und Diskriminierung betroffen. Diese gehen besonders von islamisch-extremistischen Bewegungen und nicht christlichen religiösen Leitern aus. Auch seitens der Behörden erfahren sie Diskriminierung. Evangelikale Gemeinden in Bagdad und Basra sind ebenfalls von Gewalt durch islamisch-extremistische Gruppen und nicht christliche religiöse Leiter betroffen und werden durch die Behörden diskriminiert.

Christen mit muslimischem Hintergrund erfahren den meisten Druck von Familienmitgliedern und halten ihren Glauben oft geheim. Sie riskieren, ihr Erbrecht zu verlieren sowie das Recht und die Mittel zu heiraten. Die Abkehr vom Islam kann sogar in der eher gemäßigt islamischen Region Kurdistan-Irak gefährlich sein. Ein Wechsel der Kirchenzugehörigkeit (etwa von einer orthodoxen Kirche zu einer evangelikalen Gemeinde) wird häufig mit dem Entzug von Rechten bestraft. Es ist bekannt, dass Leiter orthodoxer und katholischer Kirchen sich weigern, Eheschließungen für Mitglieder durchzuführen, die protestantische Kirchen besuchen.

Länderprofil als PDF

Das folgende Länderprofil ist ein übersetzter Auszug aus dem Country Dossier von World Watch Research, der Forschungsabteilung von Open Doors. Das vollständige Dossier auf Englisch sowie das gekürzte Länderprofil auf Deutsch (beides als PDF) finden Sie hier zum Download.

Country Dossier als PDF

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1. Hintergrund

Nach der von den USA angeführten Invasion im Jahr 2003 und dem Sturz des Diktators Saddam Hussein flammte in dem folgenden Machtvakuum religiös motivierte Gewalt auf, insbesondere zwischen sunnitischen und schiitischen Muslimen. Die Christen gerieten ins Kreuzfeuer. Es begann eine Massenflucht aus dem Land. Mit dem Aufkommen des IS und der Errichtung seines selbstausgerufenen Kalifats im Juni 2014 verstärkte sich der Flüchtlingsstrom umso mehr. 2016 wurden große Teile des IS-Gebiets zurückerobert. Die Christen begannen daraufhin, in die befreiten, zuvor mehrheitlich christlichen Städte in der Nähe von Mossul zurückzukehren, darunter Karakosch. Im Dezember 2017 verkündete der damalige Ministerpräsident die erfolgreiche Vertreibung des IS aus dem Irak durch die irakischen Streitkräfte. Der IS hat jedoch auch im Zeitraum von 2020–2023 weiterhin Zivilisten, Infrastruktur und Sicherheitskräfte angegriffen.

Der Irak ist in zwei Teile geteilt: die teilautonome Region Kurdistan-Irak im Norden, die offiziell von der Kurdischen Regionalregierung (KRG) mit Sitz in Erbil regiert wird, und einen großen arabischen Teil unter Kontrolle der irakischen Regierung in Bagdad. Der Irak besteht aus 19 Gouvernements, von denen nur fünf eine offiziell ausgewiesene christliche Bevölkerung haben (Nineve, Erbil, Sulaymaniyah, Dahuk und Kirkuk). Die Christen haben alle anderen Gouvernements verlassen, mit Ausnahme einer kleinen Gruppe von Konvertiten muslimischer Herkunft.

Die Mehrheit der Christen im Irak ist chaldäisch-katholisch; fast 20 Prozent gehören der assyrischen Kirche des Ostens an. In der Region Kurdistan-Irak sind etwa 2.000 Mitglieder der evangelischen Kirchen registriert.

Seit der IS zurückgedrängt wurde, geht der Druck auf die irakischen Christen hauptsächlich von schiitischen Milizen aus, die vom Iran unterstützt werden. In der Region Kurdistan-Irak setzte die Türkei ihre Angriffe fort. Dabei gingen sie angeblich gegen Mitglieder der PKK vor, trafen aber auch mehrheitlich christliche Dörfer. In den letzten Monaten des Jahres 2022 verstärkte auch der Iran seine Angriffe auf das kurdische Gebiet, die sich gegen die PKK richteten.

Die irakische Verfassung von 2005 setzt den Islam als Staatsreligion fest. Nach geltendem islamischem Recht ist es Muslimen faktisch untersagt, ihre Religion zu wechseln. Frauen, die als Muslimas registriert sind, dürfen keine Nichtmuslime heiraten. Die Christen im Irak berichten, dass das Land immer islamischer wird. Insbesondere Christen mit muslimischem Hintergrund haben berichtet, dass sie von iranischen Geheimdiensten beobachtet werden. Christen sind in der Politik sehr gering vertreten. Laut einer Minderheitenquote müssen fünf Parlamentssitze (entspricht etwa 1,5 %) an christliche Abgeordnete vergeben werden, wobei das Auswahlverfahren der Abgeordneten auf Kritik von christlicher Seite stößt: Es wird bemängelt, dass im Endeffekt die schiitische Mehrheit die Vertreter der christlichen Minderheit bestimme.

Weltanschauungen Anhänger %
Christen 154.000 0,4
Muslime 42.157.000 97,7
Hindus 5.200 < 0,1
Buddhisten 380 < 0,1
Juden 20 < 0,1
Bahai 2.100 < 0,1
Atheisten 77.300 0,2
Agnostiker 223.000 0,5
Andere 551.450 1,3

2. Gibt es regionale Unterschiede?

Die meisten Christen im Irak leben im Norden des Landes, im kurdischen Gebiet. In Bagdad und Basra gibt es nur noch wenige Christen. Besonders schwierig ist die Situation für Christen im Süden und im Zentrum des Landes. Die Christen haben die meisten der dortigen Provinzen verlassen, mit Ausnahme kleiner Gruppen von Christen mit muslimischem Hintergrund. Übergriffe auf Konvertiten, insbesondere in Form von islamischer Unterdrückung und Unterdrückung durch den Clan oder Stamm, sind in arabischen Gebieten stärker verbreitet als in kurdischen Regionen.

3. Was sind die stärksten Triebkräfte der Verfolgung?

Islamische Unterdrückung

Christen im Irak sind vonseiten sunnitischer und schiitischer Muslime islamischer Unterdrückung ausgesetzt, unabhängig von deren Volkszugehörigkeit (kurdisch, iranisch oder arabisch). Das islamische Bewusstsein ist unter dem Einfluss islamischer Milizen zu einem neuen Faktor im Land geworden, auch in der Region Kurdistan-Irak. Mehrere schiitische Parteien haben enge Beziehungen zur Islamischen Republik Iran; besonders Christen muslimischer Herkunft berichten, dass sie in Gebieten nahe der iranischen Grenze von iranischen Geheimdiensten beobachtet werden. Islamische Lehren und islamische Rhetorik beherrschen den Alltag, und islamische Autoritätspersonen (insbesondere Schiiten) beeinflussen weiterhin das soziale, religiöse und politische Leben. Frauen werden immer stärker von der Gesellschaft kontrolliert. Selbst christliche Frauen in Bagdad und Basra sind mittlerweile gezwungen, sich zu verschleiern, um sich außerhalb ihrer Häuser sicher bewegen zu können.

Unterdrückung durch den Clan oder Stamm

Die irakische Gesellschaft ist immer noch stark durch Stammesdenken geprägt. Dies gilt vor allem in Gegenden, die durch religiös motivierte Gewalt erschüttert wurden – hauptsächlich die früher vom IS kontrollierten Gebiete. Wo sich dieses Stammesdenken mit dem Islam vermischt, beeinträchtigt es insbesondere Christen muslimischer Herkunft. Ethnische Gruppen sowie Stammesgruppen haben bisweilen Parteien mit einer Agenda gegründet, die andere strikt ausschließt. Christen sind ein leichtes Ziel. Die Einhaltung der jahrhundertealten Sitten und Gebräuche der Stämme ist oft wichtiger als die Einhaltung der staatlichen Gesetze, da die Stämme in der Regel über dem Gesetz stehen.

Diktatorische Paranoia

Mehrere aufeinanderfolgende irakische Zentralregierungen haben versucht, um jeden Preis an der Macht zu bleiben. Dadurch wurde es verpasst, eine pluralistische Gesellschaft zu fördern, in der sich religiöse Minderheiten willkommen fühlen. Christen in der Region Kurdistan-Irak beklagen einen Missbrauch des Wahlsystems bei den Parlamentswahlen von 2018: Kurdische und schiitische Parteien haben die fünf explizit für Christen reservierten Sitze im Nationalrat beansprucht und an ihre eigenen christlichen Kandidaten vergeben, die nicht von den christlichen Parteien selbst gewählt wurden. Darüber hinaus bedrohen Berichten zufolge Regierungsbeamte auf allen Ebenen Christen und „ermutigen“ sie, auszuwandern.

Organisiertes Verbrechen und Korruption

Korruption ist im gesamten Irak weitverbreitet, und Christen werden auf diese Weise ausgebeutet. In vielen mehrheitlich islamischen Gebieten können Christen ihre Häuser oftmals nur zu 60 Prozent des Wertes verkaufen. Ein weiteres Problem ist die Beschlagnahmung von Ländereien, die Christen gehören. Organisierte, kriminelle Gruppen haben sich über 70 Prozent der Ländereien illegal angeeignet, deren christliche Eigentümer aus dem Irak geflohen sind – insbesondere in Bagdad.

Konfessioneller Protektionismus

Es gibt 14 anerkannte christliche Denominationen. Wenn eine neue Denomination die Registrierung beantragt, werden die offiziell anerkannten Kirchen um ihre Zustimmung gebeten. Regelmäßig lehnen diese die Registrierung nicht traditioneller protestantischer Gruppen entschieden ab. Traditionelle Kirchen versuchen oftmals, Mitglieder ihrer Gemeinden davon abzuhalten, die neueren Kirchen zu besuchen. In den südlichen und zentralen Regionen des Irak erfahren Christen, die eine traditionelle Kirchengemeinde verlassen haben, um sich einer nicht traditionellen christlichen Gruppe anzuschließen, mitunter Drohungen und Widerstand von Familienmitgliedern, Stammesführern und der sie umgebenden Gesellschaft. Es ist auch bekannt, dass Bischöfe traditioneller Kirchen sich weigern, Trauungen von Mitgliedern durchzuführen, die evangelikale Kirchen besuchen.

Eine vollständige Übersicht aller im Land wirksamen Triebkräfte finden Sie im ungekürzten, englischen Länderprofil.

4. Welche Christen sind von Verfolgung betroffen?

Christen aus traditionellen Kirchen

Kirchen wie die assyrisch-orthodoxe Kirche, die chaldäisch-katholische Kirche, die syrisch-katholische Kirche und die armenische orthodoxe Kirche sind alle erheblich von Verletzungen der Religionsfreiheit durch islamisch-extremistische Gruppierungen und nicht christliche religiöse Leiter betroffen. Auch seitens der Behörden erfahren sie Diskriminierung. Im Zentral- und Südirak zeigen Christen oft keine christlichen Symbole (wie beispielsweise ein Kreuz), da dies zu Belästigungen oder Diskriminierungen bei Straßenkontrollen, in der Universität oder am Arbeitsplatz sowie in Regierungsgebäuden führen kann.

Christen anderer religiöser Herkunft (Konvertiten)

Zu dieser Kategorie zählen Christen mit muslimischem Hintergrund sowie Christen, die aus einer traditionellen Kirche stammen und zu einer anderen Denomination übergetreten sind und nun zusammen mit evangelikalen Christen Gottesdienst feiern. Konvertiten aus dem Islam erfahren den meisten Druck von ihrer (Groß-)Familie. Sie halten ihren neuen Glauben oft geheim, da sie in der Gefahr stehen, von ihren Familienmitgliedern, Stammesführern und der Gesellschaft bedroht zu werden. Die Gemeinde zu wechseln (beispielsweise von einer orthodoxen Kirche in eine evangelikale Gemeinde), wird ebenfalls häufig mit dem Entzug von Rechten oder mit dem Verlust des Arbeitsplatzes bestraft.

Christen aus protestantischen Freikirchen

Evangelikale, Baptisten und Pfingstgemeinden in Bagdad und Basra sind erheblich von Verletzungen der Religionsfreiheit durch islamisch-extremistische Bewegungen und nicht christliche religiöse Leiter betroffen und erleben Diskriminierung durch die Behörden. Christen, die ihren Glauben offen bekennen, werden im Zentral- und Südirak regelmäßig angegriffen. Wenn sie im Verdacht stehen, missionarisch unter Muslimen zu arbeiten, können auch Blasphemiegesetze gegen sie angewendet werden. Für evangelikale Christen gibt es keine gesetzliche Grundlage, um Bibelschulen zu eröffnen oder um auswärtige Organisationen zu engagieren, ihnen dabei zu helfen.

5. Wie erfahren Christen Druck und Gewalt?

Betroffene Lebensbereiche und Auftreten von Gewalt

Privatleben 14.2
Familienleben 14.4
Gesellschaftliches Leben 14
Leben im Staat 14.8
Kirchliches Leben 13.9
Auftreten von Gewalt 7.8

Die Summe der Wertungen aller sechs Bereiche (die maximale Punktzahl beträgt jeweils 16,7) ergibt die Gesamtpunktzahl und somit die Platzierung auf dem Weltverfolgungsindex. Das Verfolgungsmuster zeigt das Ausmaß von Druck und Gewalt, welche durch das Zusammenwirken der Triebkräfte hervorgerufen werden.

Privatleben

Christen muslimischer Herkunft sind in Gefahr, wenn sie sich zu ihrem Glauben bekennen oder sich mit anderen Christen treffen. Wenn sie dies tun, werden sie der Abtrünnigkeit (Apostasie) und des Verrats beschuldigt. Im Allgemeinen riskieren Christen, die mit Nichtchristen über ihren Glauben sprechen, den Vorwurf der Missionierung und müssen mit Schikanen und Gewalt rechnen. Christen, die nicht konvertiert, sondern in einer christlichen Familie aufgewachsen sind, können christliche Symbole tragen und zeigen, es sei denn, sie leben in sehr konservativen islamischen Orten.

Familienleben

Frauen muslimischer Herkunft, die den christlichen Glauben angenommen haben, werden nicht als Christinnen anerkannt; die Ehe mit einem Nichtmuslim ist ihnen deshalb rechtlich verboten. Zusätzliche Brisanz erhielt das Thema durch die vom IS praktizierten Zwangskonversionen: Die so zum Islam konvertierten Christen hatten vor Gericht ihre Konversion zum Islam erklären müssen, woraufhin alle rechtlichen Dokumente geändert wurden. Laut Artikel 26 des Gesetzes von 2015 zum Personalausweis werden Kinder unter 18 Jahren mit einem muslimischen Elternteil als Muslime registriert. Das trifft selbst dann noch zu, wenn eine nicht muslimische Mutter von einem Muslim vergewaltigt und das Kind auf diesem Weg gezeugt wurde. In Scheidungsfällen wird das Sorgerecht in der Regel dem muslimischen Elternteil zugesprochen. Kinder, die als Muslime gelten, sind zur Teilnahme am Islamunterricht verpflichtet. Alle Schulen (auch christliche Schulen) müssen Islamunterricht anbieten und die Schüler in diesem Fach prüfen. Wer diese Prüfungen nicht besteht, kann nicht in die nächste Klasse versetzt werden.

Gesellschaftliches Leben

Christliche Frauen werden in Bagdad, Basra und manchmal sogar im Norden unter Druck gesetzt, ihren Kopf zu bedecken. Christliche Studenten beanstanden, dass einige muslimische Professoren an Universitäten die Prüfungen absichtlich auf christliche Feste legen. Assyrische Schulen weisen darauf hin, dass sie benachteiligt werden, indem sie die ihnen zustehenden Gelder nicht in vollem Umfang erhalten. Die Bildung ist auf den Islam ausgerichtet, und einige offizielle Lehrpläne an staatlichen Schulen und Universitäten definieren Christen als Ungläubige und Feinde und rufen zum Dschihad gegen sie auf. Bei der Online-Beantragung eines Personalausweises wird die Religionszugehörigkeit abgefragt, und der Datenchip auf dem Ausweis enthält immer noch Angaben zur Religion. Dies führt dazu, dass Christen am Arbeitsplatz diskriminiert werden. Im Nationalparlament und in der Regierung haben Christen einige hochrangige Positionen inne; im Allgemeinen sind sie dort aber unterrepräsentiert. Christen muslimischer Herkunft stehen in großer Gefahr, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, falls ihr neuer Glaube bekannt wird.

Leben im Staat

Seiner Verfassung nach ist der Irak ein islamisches Land, in dem keine Gesetze erlassen werden dürfen, die dem Islam widersprechen. Das Gesetz erlaubt den Glaubenswechsel hin zum Islam, lässt aber den Glaubenswechsel vom Islam zu anderen Religionen oder Glaubensrichtungen nicht zu und erkennt sie auch nicht an. In einer Ehe, bei der einer der Ehepartner Muslim ist, spricht das Familienrecht diesem fast automatisch alle Rechte zu – so etwa im Blick auf Scheidung, Sorgerechts- und Erbschaftsfälle. Im Allgemeinen wird es Christen in bestimmten Institutionen wie dem Militär verwehrt, die höchsten Ämter zu bekleiden. Manchmal werden Christen aufgefordert, Muslime zu werden, wenn sie eine Beförderung erhalten wollen. Christen sind regelmäßig Ziel von Hassreden und Hetzkampagnen extremistischer Gruppierungen, sowohl im Internet als auch im landesweiten Fernsehen. Bei Verbrechen gegen Christen werden die meisten Täter nicht zur Rechenschaft gezogen. Die Regierung hat keine Kontrolle über die Milizen, die im Land aktiv sind, besonders in der Ninive-Ebene. Trotz der großen Anzahl christlicher Grundstücke, die beschlagnahmt wurden (Schätzungen gehen davon aus, dass dies 78 Prozent aller Grundstücke von Christen betrifft, die das Land verlassen haben), wird kaum jemand dafür bestraft.

Kirchliches Leben

Arbeit unter Jugendlichen ist nur innerhalb von Kirchengebäuden erlaubt. Für Christen muslimischer Herkunft ist es nicht möglich, in die Kirche an ihrem Wohnort integriert zu werden; Ausnahmen gibt es in einigen kurdischen christlichen Gemeinden in der Region Kurdistan-Irak. Oft müssen Christen muslimischer Herkunft ihren Heimatort aus Sicherheitsgründen verlassen und Zuflucht in der Anonymität einer Großstadt suchen – oder das Land ganz verlassen. Besonders Gemeinden nicht traditioneller Denominationen berichten von Überwachung.

Beispiele für Auftreten von Gewalt

  • Im Berichtszeitraum wurden vier Christen aus Glaubensgründen getötet. Aus Sicherheitsgründen können hier keine weiteren Einzelheiten bekannt gegeben werden.
  • Die Konfiszierung und Beschlagnahmung christlicher Ländereien und anderer Besitztümer wurde fortgesetzt, sowohl in den kurdischen Gebieten als auch im übrigen Irak. Dabei wurden Berichten zufolge unter anderem Dokumente gefälscht und manipuliert. Untersuchungen haben ergeben, dass auch irakische Politiker beteiligt waren.
  • Weiterhin wandern viele christliche Familien aus. Dies liegt an der instabilen Sicherheitslage an ihren Wohnorten, zum Beispiel an der Präsenz von (schiitischen) Milizen in der Ninive-Ebene. Als Minderheit befinden sich die Christen in einer benachteiligten und besonders verletzbaren Position. Das trägt maßgeblich zur Abwanderung bei. Unter den Christen, die ausgewandert sind, befinden sich auch Christen muslimischer Herkunft, die aufgrund ihres Glaubenswechsels das Land verlassen mussten.

6. Entwicklung in den letzten 5 Jahren

Jahr Platzierung Punktzahl
2024 16 79
2023 18 76
2022 14 78
2021 11 82
2020 15 76

Der Anstieg der Punktzahl im Irak ist vor allem auf einen starken Anstieg der Wertung für Gewalt von 4,6 Punkten im Weltverfolgungsindex 2023 auf 7,8 Punkte im Weltverfolgungsindex 2024 zurückzuführen. Vier Christen wurden wegen ihres Glaubens getötet, eine Kirche wurde geschlossen und die Zahl der inhaftierten Christen ist leicht gestiegen. Schließlich scheint es in der Region Kurdistan-Irak weniger Toleranz gegenüber Christen mit muslimischem Hintergrund zu geben als früher.

7. Sind Frauen und Männer unterschiedlich von Verfolgung betroffen?

Frauen

Alleinstehende christliche junge Frauen werden Berichten zufolge von muslimischen Männern „geködert“, die sie dann zum Glaubenswechsel und zur Heirat zwingen In einigen Gebieten tragen christliche Frauen zu ihrer eigenen Sicherheit einen Schleier, da unverschleierte Frauen in der Gefahr stehen, belästigt oder sogar mit Steinen beworfen zu werden. Übergriffe auf Christinnen, sei es Entführung, Vergewaltigung oder sexueller Missbrauch, werden in der Regel nicht geahndet, und die damit verbundene Scham und die Konsequenzen zwingen die Frauen zu schweigen. Christinnen muslimischer Herkunft sind von Hausarrest, Schlägen, sexueller Belästigung und „Ehren“-Morden bedroht. Alleinstehende Konvertitinnen können zwangsverheiratet werden; auch haben sie rechtlich keine Möglichkeit, einen Christen zu heiraten.

Männer

Christliche Männer haben oft Schwierigkeiten, einen Arbeitsplatz zu finden, und empfinden sich Berichten zufolge stark gefährdet, an ihrem Arbeitsplatz ausgenutzt zu werden. Da Männer oftmals die Hauptversorger der Familie sind, kann der Verlust des Arbeitsplatzes erhebliche Auswirkungen haben. Christen muslimischer Herkunft sind besonders gefährdet, Opfer von Übergriffen zu werden. In einer Kultur, in der Ehre einen enormen Stellenwert besitzt, riskieren sie, aus ihren Familien verstoßen, bedroht oder getötet zu werden. Diese Faktoren verstärken die ohnehin schon starke Tendenz zur Emigration. Auch Kirchenleiter werden verfolgt; im vergangenen Berichtszeitraum wurden zwar keine Fälle von Entführungen oder Tötungen von Kirchenleitern bekannt, doch ist dies weiterhin eine Gefahr.

8. Verfolgung anderer religiöser Gruppen

Andere religiöse Minderheiten, die im Irak unter Verfolgung, Diskriminierung und Intoleranz leiden, sind Jesiden, Sunniten, Kakai, Mandäer, Bahai, Zoroastrier und Juden. Vor allem die jesidische Gemeinschaft hat durch den IS schwere Gräueltaten erlitten, wobei mehr jesidische als christliche Frauen und Mädchen zu Sexsklaven gemacht wurden und mehr Jesiden getötet wurden als Christen. Obwohl das im März 2021 verabschiedete Gesetz für jesidische Überlebende den Überlebenden besondere Rechte wie Entschädigung und Rehabilitation zugesteht, steht seine vollständige Umsetzung noch aus. Auch die sunnitische Gemeinschaft hat von Menschenrechtsverletzungen berichtet, darunter gewaltsame Vertreibung durch regierungsnahe schiitische Milizen und Diskriminierung durch den Prozess der Ent-Baathifizierung.

Die irakische Verfassung garantiert zwar Religionsfreiheit für Christen, Jesiden und Mandäer, schützt aber nicht ausdrücklich Anhänger anderer Religionen oder Atheisten. Bestimmte Religionen, wie z. B. der Bahaismus, sind gesetzlich verboten, und ihre Ausübung kann zu Gefängnisstrafen führen. Dieses Verbot wird jedoch in der Region Kurdistan-Irak, wo der Bahaismus als Religion anerkannt ist, nicht durchgesetzt. Auch in anderen Teilen des Landes wird dieses Gesetz im Allgemeinen nicht angewandt. Schließlich sind auch Juden mit Einschränkungen konfrontiert, unter anderem sind sie von staatlichen Stellen und vom Militärdienst ausgeschlossen. Somit werden sie weithin diskriminiert und zögern, sich öffentlich als Jude zu bezeichnen.

9. Gebetsanliegen

Bitte beten Sie für den Irak:

  • Bitten Sie darum, dass die irakische Regierung damit beginnt, die Christen zu schützen und ihre Rechte zu achten.
  • Beten Sie für Frieden und Stabilität, damit vertriebene Christen in ihre Häuser zurückkehren können, sowie um gute wirtschaftliche Perspektiven.
  • Beten Sie auch, dass beschlagnahmte Grundstücke zurückgegeben werden.
  • Beten Sie für den Schutz aller Christen und darum, dass sie in ihrem Glauben an Jesus gestärkt und ermutigt werden.

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