Weltverfolgungsindex 2024

Zentralafrikanische Republik

Christenverfolgung in der Zentralafrikanischen Republik

Berichtszeitraum: 1. Oktober 2022 – 30. September 2023

Überblick

Die ohnehin schon prekäre Lage in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) wird durch die sich abzeichnende Krise im benachbarten Sudan weiter verschärft. Das Potenzial für einen weiteren größeren Konflikt im Sudan, insbesondere aufgrund von Verzögerungen bei den Wahlen, wirft einen alarmierenden Schatten auf die instabile Lage in der Zentralafrikanischen Republik. Während der Sudan seine eigenen innerstaatlichen Unruhen austrägt, drohen dessen Auswirkungen die Zentralafrikanische Republik weiter zu destabilisieren. Damit würde sich auch die Gefahr für gefährdete Bevölkerungsgruppen wie Christen erhöhen.

Gegenwärtig hat der Zusammenbruch von Recht und Ordnung ein solches Ausmaß erreicht, dass Straflosigkeit und Anarchie herrschen. Christen bleibt daher kein Raum, ihren Glauben in Sicherheit zu praktizieren. Bewaffnete Milizen, die weite Teile des Landes besetzen, sind für eine lange Liste von Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, darunter das Niederbrennen und Plündern von Kirchengebäuden. Christliche Leiter, die mutig genug waren, sich gegen diese Gewalt auszusprechen, erhielten Morddrohungen. Viele Christen wurden dadurch gezwungen, zu ihrer eigenen Sicherheit in Nachbarländer wie Kamerun zu flüchten.

Die fehlende Regierungsgewalt und Rechtsstaatlichkeit haben dazu geführt, dass Tausende von Christen zu Binnenvertriebenen wurden. Sie sind oft gezwungen, in provisorischen Lagern zu leben, weil sie ihre Häuser und ihre Lebensgrundlage verloren haben. Dies ist auch der Nährboden für lokal begrenzte Formen der Verfolgung. Vor allem in den nördlichen Regionen der Zentralafrikanischen Republik erleben christliche Konvertiten soziale Ächtung und körperliche Gewalt, die oft von ihren eigenen Familienmitgliedern ausgeübt wird. Damit versucht man sie zu zwingen, ihrem neu gefundenen Glauben abzuschwören.

Länderprofil als PDF

Das folgende Länderprofil ist ein übersetzter Auszug aus dem Country Dossier von World Watch Research, der Forschungsabteilung von Open Doors. Das vollständige Dossier auf Englisch sowie das gekürzte Länderprofil auf Deutsch (beides als PDF) finden Sie hier zum Download.

Country Dossier als PDF

Länderprofil als PDF

1. Hintergrund

Seitdem die Zentralafrikanische Republik im Jahr 1960 ihre Unabhängigkeit erlangte, ist das Land von Gewalt gezeichnet. Ursache dafür sind sich überlagernde Spannungen zwischen bewaffneten Gruppierungen, religiösen und ethnischen Gruppen sowie Hirten und Bauern. Die mehrheitlich muslimische Gruppe „Séléka“ zettelte 2013 einen Putsch an, der einen tödlichen Konflikt zwischen religiösen und ethnischen Gruppen zur Folge hatte.

Nachdem Präsident Touadéra 2016 gewählt wurde, machte er die Versöhnung des Landes zu seiner Priorität. 2019 wurde ein politisches Friedensabkommen zwischen der Regierung und 14 bewaffneten Gruppen unterzeichnet. Es scheiterte jedoch bereits im Vorfeld der Wahlen im Dezember 2020, die Kämpfe konnten bis heute nicht beendet werden. Die Regierung hat nur noch die Kontrolle über die Hauptstadt Bangui. Der Rest des Landes ist unter den verschiedenen Gruppierungen aufgeteilt. Das Aufspüren und Nachverfolgen von Rechtsverletzungen und Verfolgung wird durch diese Faktoren erschwert.

Die Vorlage des Präsidenten für ein Referendum über eine neue Verfassung hat in der Bevölkerung Besorgnis ausgelöst. Die Präsenz und der Einfluss Ruandas sowie der Söldnergruppe Wagner im Land nehmen zu. Auch die Armee des Tschad hat ihre Operationen fortgesetzt. Viele bewaffnete Gruppen haben sich mit anderen verbündet und einige Gruppen verfügen über ausländische Kämpfer, die im Land für die Einführung der Scharia kämpfen. Es gibt immer noch Zusammenstöße zwischen den hauptsächlich muslimischen Splittergruppen der Ex-Séléka und der Selbstverteidigungsgruppe, der sogenannten Anti-Balaka. Obwohl sich Mitglieder der Anti-Balaka häufig als Christen bezeichnen, folgen sie meist traditionell-afrikanischen Religionen; die Kirchen haben sich stark von ihnen distanziert.

Inmitten dieser Situation ist es für Christen sehr schwierig, sich gegen Ungerechtigkeit auszusprechen oder sich zu den immer mächtiger werdenden kriminellen Banden zu äußern, die die Ausbreitung der verschiedenen bewaffneten Gruppierungen begünstigen.

Die Verfassung von 2016 gewährt Religionsfreiheit, und diese wird im Allgemeinen auch gewahrt. Die Beziehungen zwischen Muslimen und Christen sind relativ stabil, doch es gibt einige Spannungen. Vor allem Konvertiten, die vom Islam zum christlichen Glauben übergetreten sind, erleiden Übergriffe. Christen, die in muslimisch dominierten Gebieten leben, berichten von Diskriminierung und Angriffen auf Kirchen durch ehemalige Séléka-Gruppen. Auch die Anti-Balaka-Rebellen greifen jene Kirchen und Christen an, die sich ihren Aktivitäten widersetzen. Viele Frauen und Mädchen sind wirtschaftlich von ihren Familien abhängig; darin liegt für sie eine besondere Gefahr, wenn sie den christlichen Glauben annehmen.

Im Jahr 2023 führten die Ungewissheit und die drohende Gefahr eines weiteren großen Konflikts sowohl im Sudan als auch im Südsudan zu einer komplexen neuen Dynamik der bestehenden Krise in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR). Im Fall einer Eskalation in diesen Nachbarstaaten wäre die Zentralafrikanische Republik weitgehend von Ländern umgeben, die in Konflikte verwickelt sind. Dies würde ihre eigene instabile Lage weiter verschlimmern. Die internationalen Hilfsorganisationen sind bereits stark ausgelastet, da sie sich mit zahlreichen instabilen Gebieten und Menschenrechtsverletzungen befassen müssen. Die römisch-katholische Kirche ist die mit Abstand größte christliche Konfession.

Weltanschauungen Anhänger %
Christen 3.807.000 74,4
Muslime 711.000 13,9
Anhänger ethnischer Religionen 548.000 10,7
Bahai 13.200 0,3
Atheisten 730 < 0,1
Agnostiker 38.100 0,7

2. Gibt es regionale Unterschiede?

In den nördlichen und östlichen Teilen des Landes, die von Muslimen dominiert werden und in denen Splittergruppen der Séléka operieren, sind die Menschenrechtsverletzungen gegenüber Christen am größten. Auch im östlichen Teil des Landes, an der Grenze zum Sudan, ist die Lage für Christen schwierig.

3. Was sind die stärksten Triebkräfte der Verfolgung?

Islamische Unterdrückung

Gewalt gegen Christen wird vor allem von Ablegern der Séléka-Miliz verübt. Darüber hinaus zeigt sich die islamische Unterdrückung auch in der Verfolgung von Christen durch die Gesellschaft im Allgemeinen in den überwiegend muslimischen Teilen des Landes.

Organisiertes Verbrechen und Korruption

Diese Triebkraft der Verfolgung zeigt sich besonders dort, wo militante Anti-Balaka-Kämpfer Kirchen und Christen angreifen. Obwohl die Anti-Balaka als ein Zusammenschluss von Bürgerwehren begann, haben sie sich zu kriminellen Banden entwickelt. Vor allem in Bangui nehmen sie oft Christen und Kirchenführer ins Visier, insbesondere diejenigen, die ihre Wertevorstellungen nicht teilen oder die sich gegen ihre gewalttätigen Aktivitäten aussprechen. Die Gruppe behauptet zwar, sie wolle Christen schützen, doch hat sich im Laufe der Jahre gezeigt, dass diese Behauptung jeder Grundlage entbehrt – vielmehr greifen Anti-Balaka Muslime und Christen gleichermaßen an.

Ethnisch-religiöse Feindseligkeit, gemischt mit Unterdrückung durch den Clan oder Stamm

Diese Art der Unterdrückung geht von Anhängern animistischer beziehungsweise traditioneller afrikanischer Religionen sowie Stammesgruppen aus. In der Zentralafrikanischen Republik sind ethnische und religiöse Motive typischerweise miteinander verbunden. Einige ethnische Minderheiten sind besonders betroffen. Zum Beispiel werden Ba'aka-Pygmäen zur Arbeit zwangsrekrutiert. Anti-Balaka-Gruppen zwingen manchmal Christen dazu, sich ihnen anzuschließen.

Eine vollständige Übersicht aller im Land wirksamen Triebkräfte finden Sie im ungekürzten, englischen Länderprofil.

4. Welche Christen sind von Verfolgung betroffen?

Christen aus traditionellen Kirchen

Die Römisch-Katholische Kirche ist die stärkste Konfession im Land. Sie verfügt über den größten Verbund von Kirchen, Kliniken und Schulen. Während des Séléka-Putsches wie auch in der Folgezeit wurden viele ihrer Kirchen geplündert. Die Römisch-Katholische Kirche hat mit Nachdruck zum Frieden und zur Versöhnung aufgerufen. Sie hat Zivilisten Zuflucht gewährt, die vor Angriffen geflohen waren - sowohl Muslimen als auch Christen. Aus diesem Grund wurden katholische Kirchen und Gemeinden in der Vergangenheit häufig zum Ziel von Anschlägen.

Christen anderer religiöser Herkunft (Konvertiten)

Christliche Konvertiten mit muslimischem Hintergrund werden von ihren Familienangehörigen unter Druck gesetzt, dem christlichen Glauben abzuschwören, wenn ihr Glaubenswechsel bekannt wird. Aus Angst vor Angriffen muslimischer Aufwiegler, vor allem in den islamisch geprägten Gebieten im Norden des Landes, nehmen die meisten von ihnen nicht an öffentlichen Gottesdiensten teil.

Christen aus protestantischen Freikirchen

Evangelikale und Pfingstgemeinden wurden immer wieder von ehemaligen Séléka-Kämpfern angegriffen. Die Zahl der Menschen, die sich diesen christlichen Gemeinden anschließen, hat in letzter Zeit stark zugenommen.

5. Wie erfahren Christen Druck und Gewalt?

Betroffene Lebensbereiche und Auftreten von Gewalt

Privatleben 10.3
Familienleben 8.6
Gesellschaftliches Leben 13.9
Leben im Staat 9.6
Kirchliches Leben 12.2
Auftreten von Gewalt 15.6

Die Summe der Wertungen aller sechs Bereiche (die maximale Punktzahl beträgt jeweils 16,7) ergibt die Gesamtpunktzahl und somit die Platzierung auf dem Weltverfolgungsindex. Das Verfolgungsmuster zeigt das Ausmaß von Druck und Gewalt, welche durch das Zusammenwirken der Triebkräfte hervorgerufen werden.

Privatleben

Christliche Konvertiten muslimischer Herkunft erleben vonseiten der Familienmitglieder heftige Verletzungen ihrer Rechte, sofern ihr Glaubenswechsel bekannt wird. Ihnen wird unter Umständen die finanzielle Unterstützung entzogen. Im muslimisch dominierten Norden, wo Séléka-Splittergruppen aktiv sind, ist der Besitz christlicher Schriften lebensgefährlich. Es ist vorgekommen, dass ehemalige Séléka-Kämpfer in ein Haus gekommen sind, dort jemand beim Bibellesen vorfanden und diese Person daraufhin sofort getötet haben.

Familienleben

Wenn ein Ehepartner den christlichen Glauben angenommen hat, setzen die (Groß-)Familien und das soziale Umfeld den nichtchristlichen Partner häufig unter Druck, sich scheiden zu lassen. Außerdem verlieren die christlichen Konvertiten fast automatisch ihr Erbrecht. Wenn in von Rebellengruppen kontrollierten Gebieten Eltern getötet wurden oder fliehen mussten, sind die zurückgelassenen Kinder den Angreifern schutzlos ausgeliefert. Einige wurden brutal ermordet.

Gesellschaftliches Leben

Die Regierung hat die Kontrolle über viele Gebiete faktisch verloren. In muslimisch geprägten Gebieten werden Christen häufig diskriminiert, insbesondere dort, wo die Scharia mehr oder weniger offiziell eingeführt wurde. Die Überwachung durch einige Rebellengruppen und deren Unterstützer ist weit verbreitet. Im Rahmen des anhaltenden Konflikts werden Christen (insbesondere junge Mädchen) angegriffen und entführt. Insbesondere im abgelegenen Norden des Landes wollen muslimische Bürger die gemeinschaftlich genutzten Ressourcen (wie etwa die Gesundheitsversorgung) in der Regel nicht mit Christen muslimischer Herkunft teilen.

Leben im Staat

In Gebieten, die von Ex-Séléka-Kämpfern kontrolliert werden, stehen alle Verkehrsmittel unter muslimischer Kontrolle. Dies erschwert die Fortbewegung der Christen; und wenn es zu Gewaltausbrüchen kommt, sind Pastoren, die für ihren Dienst von Kirche zu Kirche reisen, besonders gefährdet. In Regionen, die von Rebellengruppen beherrscht werden, werden Christen diskriminiert und manchmal angegriffen; dadurch sind viele gezwungen, aus ihrer Heimat und ihrem Land zu fliehen.

Kirchliches Leben

Auch wenn es keine offizielle Überwachung durch die Regierung gibt, werden Zivilisten von verschiedenen Rebellengruppen beobachtet, um mögliche Verbindungen zu anderen Gruppen aufzudecken. Es wurden viele Angriffe gemeldet, bei denen Gottesdienste gestört und Kirchen niedergebrannt wurden.

Beispiele für Auftreten von Gewalt

Im Berichtszeitraum des Weltverfolgungsindex 2024 wurden in der Zentralafrikanischen Republik mehrere Hundert Christen körperlich angegriffen, 23 Christen wurden ermordet. 14 Kirchen oder christliche Einrichtungen wurden angegriffen oder geschlossen.

6. Entwicklung in den letzten 5 Jahren

Jahr Platzierung Punktzahl
2024 28 70
2023 24 70
2022 31 68
2021 35 66
2020 25 68

Die Zentralafrikanische Republik kommt auf die gleiche Wertung wie im Weltverfolgungsindex 2023.

7. Sind Frauen und Männer unterschiedlich von Verfolgung betroffen?

Frauen

Jahre der Gewalt und der politischen Instabilität haben christliche Frauen und Mädchen besonders der Gefahr von Vergewaltigung, Menschenhandel, Entführung und Zwangsheirat als Formen der religiösen Verfolgung ausgesetzt. Sexueller Missbrauch hat Scham, Trauma und oft auch eine Schwangerschaft zur Folge. Das hohe Ausmaß an sexueller Gewalt hält Eltern in Hochrisikogebieten davon ab, Mädchen zur Schule zu schicken. Durch die Abhängigkeitsverhältnisse sind Frauen stärker davon betroffen, wenn sie von ihrer Familie verfolgt werden; die finanzielle Abhängigkeit ist dabei ein wichtiger Faktor. In muslimisch dominierten Gebieten werden Frauen unter Druck gesetzt, einer islamischen Kleiderordnung zu folgen. Christlichen Konvertitinnen drohen Hausarrest und die Zwangsheirat mit einem älteren Muslim.

Männer

Männer können wegen ihres Glaubens getötet oder von extremistischen Milizen gefangengenommen werden. Pastoren stehen in besonderer Gefahr: Sie werden mit falschen Anschuldigungen konfrontiert und sogar im Gottesdienst angegriffen. Männer werden auch bei der Arbeit diskriminiert, da einflussreiche Muslime alle Marktplätze besetzen, den Handel kontrollieren, christlichen Geschäftsleuten hohe Steuern auferlegen und mitunter sogar die Geschäfte von Christen plündern, so dass sie in Armut gefangen bleiben. Christen werden von militanten Rebellengruppen zwangsrekrutiert, beim Militärdienst diskriminiert und zur Zielscheibe von Folter und Übergriffen. Wenn Männer entführt, ermordet, bedroht oder gezielt in die Armut gedrängt werden, sind auch deren Familien davon stark betroffen.

8. Verfolgung anderer religiöser Gruppen

Das US-Außenministerium berichtet (IRFR 2022): "Internationale und lokale Beobachter erklärten, dass muslimische Zivilisten während der Operationen in den zentralen und nordwestlichen Gebieten des Landes von den Sicherheitskräften der Regierung und der Gruppe Wagner unverhältnismäßig häufig angegriffen und in einigen Fällen wahllos getötet wurden." Im Rahmen des anhaltenden Konflikts sind religiöse Minderheiten nicht die Hauptziele. Angehörige kleiner religiöser Minderheiten stehen jedoch in ihrem jeweiligen Lebensumfeld vor Problemen.

9. Gebetsanliegen

Bitte beten Sie für die Zentralafrikanische Republik:

  • Beten Sie, dass Gott dem Land Frieden und Stabilität bringt.
  • Bitten Sie um Schutz für die Christen, insbesondere für Pastoren und deren Familien, die oft größter Gefahr ausgesetzt sind.
  • Beten Sie um Heilung für Christen, die Gewalt erlebt haben, und dass die Flüchtlinge sich ein neues Leben aufbauen können.
  • Beten Sie, dass Familien von Christen muslimischer Herkunft nicht mit Gewalt auf den Glaubenswechsel reagieren, sondern sich für das Evangelium öffnen.

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