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Lee Choi* – zurück nach Nordkorea
Noch vor hundert Jahren galt Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang mit ihren 100 Kirchen als das „Jerusalem des Ostens“. Unter Präsident Kim Il Sung verschwanden jedoch in kurzer Zeit über 2.000 Gemeinden. Heute ist das abgeschottete Land auf der koreanischen Halbinsel ein Synonym für Menschenverachtung und Unterdrückung. Nordkorea gilt als der Staat, in dem die Verfolgung von Christen am schlimmsten ist. Viele Jahre führte das Land auf Platz 1 den Weltverfolgungsindex von Open Doors an.
Was in anderen Teilen dieser Welt geschieht, dringt kaum zu den Menschen ins Land hinein. Schon früh wird den Kindern im Rahmen der allgegenwärtigen Staatspropaganda vermittelt, Nordkorea müsse sich auf allen Ebenen vor seinen imperialistischen Feinden schützen. Dass dabei die Geschichte von den Machthabern nach Gutdünken umgeschrieben wurde, erfahren die Bürger erst, wenn sie das Land verlassen haben.
Eine Frage des Gewissens
Um Essen zu besorgen, floh Lee Choi* Anfang 2010 ins Nachbarland China. In der Heimat hungerte ihre Familie. Selbst ihr Sohn, der in der Armee diente, hatte nichte genug zu essen – dabei werden Soldaten bei den Essensrationen üblicherweise bevorzugt. Lee hat Verwandte in China und wollte dort Essen besorgen. Absolute Loyalität dem „Obersten Führer“ Kim Jong Un gegenüber vorausgesetzt, dürfen manche Nordkoreaner unter strikten Auflagen ins chinesische Nachbarland reisen, um Lebensmittel zu besorgen. Sollte Lee Choi nicht zurückkehren, würde man sieben ihr nahestehende Personen schwer bestrafen, hieß es. Damit lagen Leben und Freiheit von diesen Menschen gewissermaßen in Lee Chois Hand. Doch schon in der ersten Ortschaft in China begann ihr bisheriges Weltbild zu bröckeln. Kein Land sei paradiesischer als Nordkorea; es fehle den Menschen an nichts, anders etwa in China oder noch schlimmer im verhassten Südkorea – das waren doch die Losungen ihrer Lehrer, des Ortvorstehers oder der Nachrichtensprecher des staatlichen Fernsehens. Doch in China waren die Lebensmittelregale voll. Es gab Strom rund um die Uhr und auf den Straßen fuhren viele Autos. Als Lee Choi dies alles sah, wollte sie nicht mehr zurück. Zu diesem Zeitpunkt konnte Lee Choi nicht wissen, dass alles anders kommen würde.
Glaube an Jesus reines Gift
Die Suche nach ihren Verwandten gestaltete sich schwierig. Über andere Flüchtlinge kam Lee Choi in Kontakt mit Christen, die sich um Nordkoreaner kümmern. Open Doors unterstützt solche Flüchtlingshilfsprojekte. Nordkoreaner bekommen nicht nur eine sichere Unterkunft, sondern auch seelsorgerlichen Beistand. Die jahrelange Gehirnwäsche hat in ihnen ein völlig wirklichkeitsfremdes Weltbild entstehen lassen. Lee Choi kam in einem Zufluchtshaus unter und erhielt von chinesischen Christen zweimal Lebensmittel und Kleidung für ihre Familie in Nordkorea. Doch sie kehrte nicht zurück. Eines Tages gestand sie, andere Flüchtlinge dafür bezahlt zu haben, die Vorräte zu ihrer Familie zu bringen. „Ich will nicht mehr nach Hause, wo das Leben so schrecklich ist“, verteidigte sie sich. Regelmäßig besuchten Mitarbeiter von Open Doors sie. „Ich schenkte Lee eine Bibel, aber sie hatte Angst vor dem Buch“, erinnert sich Mitarbeiter Thien*. „Wie alle Nordkoreaner wurde auch ihr eingebläut, dass das Christentum reines Gift sei. Ich wollte keinen Druck auf sie ausüben. Daher ließ ich die Bibel einfach liegen. Gott musste ihr Interesse wecken.“
Dinge, die wir nicht sehen
In China haben nordkoreanische Flüchtlinge keinen Rechtsstatus. Weder werden sie geschützt, noch können sie offiziell arbeiten gehen. Frauen prostituieren sich häufig oder geraten an chinesische Männer, für die sie häufig nicht mehr sind als Lustobjekte und Haussklaven. Aufgegriffene Flüchtlinge werden an Nordkorea ausgeliefert. Dort kommen die Abweichler in der Regel in ein Arbeitslager. Für die Familie eines „Landesverräters“ bedeutet dies das gesellschaftliche Aus. Im Zufluchtshaus sah Lee Choi viel Fernsehen, besonders christliche Sendungen aus Südkorea. Ihre Gedanken wurden immer mehr durcheinander geworfen. Nordkorea – eine Scheinwelt? Ist es wirklich wahr, dass Südkorea ein reiches Land ist? Wer ist dieser Jesus? Eines Tages begann Lee Choi tatsächlich in der Bibel zu lesen. „Ist dieses Buch wirklich wahr?“, fragte sie Thien immer wieder. „Es gibt Dinge, die wir nicht sehen können, wie die Luft. Doch diese unsichtbaren Dinge sind oft die wertvollsten“, erklärte ihr Thien. Lee und Thien lasen gemeinsam die Schöpfungsgeschichte und sprachen über verschiedene Bücher der Bibel. Lee hatte nie zuvor vom Himmel gehört und auch nicht, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Ihre Gefühle übermannten sie. Es sprudelte förmlich aus ihr heraus: „Dann möchte ich ein Kind Gottes sein.“ Das erste Mal in ihrem Leben betete sie nicht zu Kim Il Sung, sondern zu Jesus Christus.
Ein unbequemer Weg
Lee Choi veränderte sich. Sie entdeckte nicht nur, in welcher Lügenwelt sie gelebt hatte, auch ihr Vertrauen in Jesus Christus wuchs. Und noch etwas änderte sich: Lee erinnerte sich, dass sie durch ihre Flucht ihre Familie in große Gefahr gebracht hatte. Eines Tages fasste sie den Entschluss: „Ich gehe zurück nach Nordkorea und rette meine Familie!“ Kein ungefährliches Unterfangen. Denn in China hatte sie auch erfahren, welchen Hass das Regime auf den christlichen Glauben als westliche Religion hat. Nach Schätzungen von Open Doors leiden etwa 50.000 bis 70.000 Christen in Straflagern. Sie gelten als Staatsfeinde. Zwangsarbeit, Folter und Hinrichtungen sind dort an der Tagesordnung.
Mutiger Schritt
Doch Lee Choi erfuhr auch, dass es dem Regime zu keiner Zeit gelungen ist, die Gemeinde Jesu zu vernichten. Trotz heftiger Verfolgung gibt es um die 300.000 Christen in Nordkorea. Heimlich treffen sie sich in kleinen Gruppen, ziehen die Vorhänge zu und singen im Flüsterton. Bibeltexte lernen sie auswendig und tragen sie sich gegenseitig vor.
Thien packte ihr einen Rucksack mit Lebensmitteln und Kleidung, die sie in Nordkorea auf dem Schwarzmarkt verkaufen konnte. Mit dem Geld könnte sie im äußersten Fall nach China zurückkommen. Ihre Bibel ließ sie schweren Herzens zurück. Lee Choi lernte den gesamten Römerbrief auswendig. Die Verse sollten ihr helfen, im Glauben standhaft zu bleiben und das Evangelium an ihre Familie weiterzugeben. Vor einigen Jahren überschritt sie die Grenze zurück nach Nordkorea.
*Namen aus Sicherheitsgründen geändert