Tagesschau berichtet einseitig über verfolgte Christen in Nigeria

Tausende Christen in Nigeria in einem Jahr ermordet. Wegen Weideland?

 

25.03.2019 – Der „Faktenfinder“ Patrick Gensing thematisierte am 20. März auf tagesschau.de die Frage, ob „Gewalt gegen Christen verschwiegen?“ wird. Er bezog sich damit auf einen Vorwurf, der – laut tagesschau.de – auf „rechten Blogs“ transportiert würde. Dort würden „viele behaupten, weltweit würde um Muslime getrauert, während Morde an Christen verschwiegen würden.“ Die Blogs nannten als Beispiel jüngste Angriffe gegen Christen in Nigeria durch muslimische Viehhirten.
 

Stellungnahme Nigeria
Bild: Habakuk (links) gehört zu den Opfern eines gewaltsamen Fulani-Überfalls in Nasarawa, Nigeria


Von der eigentlichen Frage nach angemessener Berichterstattung über Gewalt gegen Christen geht der Artikel auf tagesschau.de schnell dazu über, die tödlichen Konflikte in Nigeria als Streitigkeiten zwischen Viehhirten und Farmern zu erklären. Gleichzeitig mahnt der Autor an, „die Ursachen nicht zu vereinfachen.“ Doch genau dies tut er, wenn er Berichte über aus religiösen Gründen ermordete Christen in Nigeria „rechten Blogs“ zuordnet. Er suggeriert damit, dass solche Berichte nicht stimmen können, weil sie ja von „rechten Blogs“ kommen.

Für die betroffenen Christen ist dies doppelt schmerzhaft, weil über das von ihnen erlittene Leid nicht berichtet wird. Falls doch, dann ohne Nennung der religiösen Motivation der Angreifer. Und im Stich gelassen fühlen sich die betroffenen Christen außerdem durch das Schweigen vieler Regierungschefs zu ihrer Bedrängnis. Wohl berichten Medien seit Jahren über die Gewalt gegen Christen in Nigeria. Dennoch besteht hier fraglos großer Nachholbedarf. Es geht nicht darum, das Leid einer Gruppe gegen das einer anderen „aufzurechnen“ oder zu vergleichen. Das Ziel aller Berichterstattung muss aber sein, den Betroffenen eine Stimme zu geben und Solidarität zu zeigen.

Konflikte in Nigerias Norden und Mittelgürtel

Die blutige Gewalt in Zentral- und Nordnigeria hat ohne Frage eine Vielzahl von Ursachen. Dabei spielen begrenzte Ressourcen, der Kampf um Weideland und jahrhundertealte Stammesrivalitäten ebenso eine Rolle wie kriminelle Motive, etwa beim Thema Viehdiebstahl. Wer allerdings die religiöse Komponente in diesem Zusammenhang ausblendet, verkennt die enge Verknüpfung von Ethnie und Religion in Nigeria und vielen anderen Ländern. Beide sind oft untrennbar miteinander verbunden, stiften Identität und bestimmen maßgeblich das Verhalten ganzer Gruppen.

Die Unterdrückung der Christen hat seit der Demokratisierung Nigerias stetig zugenommen. Auf die Wahl eines christlichen Präsidenten im Jahr 1999 folgte wenig später – quasi als Gegenbewegung – die Einführung der Scharia in 12 nördlichen Bundesstaaten. Dort erfuhr die christliche Bevölkerung in der Folgezeit verstärkt Benachteiligung durch muslimisch geführte Regierungen und Behörden sowie offene Feindseligkeit und Verfolgung durch extremistische Gruppierungen.

Eine Untersuchung der World Watch Forschungsgruppe von Open Doors International zur Gewalt muslimischer Hausa-Fulani Viehhirten gegen Christen im Zeitraum Mai 2016 bis September 2017 im Bundesstaat Kaduna zeigt beispielhaft die Situation auf, in der sich weite Teile der christlichen Bevölkerung im Norden Nigerias befinden. Weitere Berichte untersuchten die Gewalt gegen indigene christliche Gemeinschaften im Mittelgürtel Nigerias, wie in Taraba, Nasarawa und im Bundesstaat Benue. Diese und der aktuelle Bericht zu Kaduna liefern zahlreiche Indizien für eine islamische Agenda, die zum Ziel hat, die christlichen Gemeinschaften aus dem Mittelgürtel zu vertreiben. Dies käme einer „Säuberung“ aufgrund von Religionszugehörigkeit gleich.

Der nördliche Teil des Bundesstaates Kaduna wird mittlerweile überwiegend von Hausa-Fulani-Muslimen bewohnt, während die indigenen christlichen Gemeinschaften sich nach Süd-Kaduna zurückgezogen haben. Die immer wiederkehrenden Angriffe auf sie durch Viehhirten der Hausa-Fulani fanden in aller Regel nachts statt und waren gut koordiniert. Dabei drangen die mit AK-47 Schnellfeuergewehren, Kleinfeuerwaffen sowie Macheten bewaffneten Angreifer mit ‚Allahu-Akbar-Rufen‘ in Dörfer ein, töteten oder verstümmelten die Einwohner und setzten Häuser in Brand, oft während die Opfer schliefen. Offensichtliches Ziel der Angriffe war es, die Christen zu eliminieren. Innerhalb des Untersuchungszeitraumes von 19 Monaten wurden bei derartigen Angriffen mindestens 725 Menschen getötet, davon 709 Christen. 3.133 Christen (219 Muslime) wurden vertrieben, 3.459 Christen (181 Muslime) verloren ihren Besitz.

Die Entwicklung im Norden und Mittelgürtel hat sich 2018 noch verschärft. Im islamisch dominierten Norden Nigerias werden Christen bereits seit vielen Jahren verfassungsgemäße Rechte sowie Versorgung und Schutz verweigert. Im Berichtszeitraum des Weltverfolgungsindex 2019 wurden in Nigeria mit 3.731 dokumentierten Tötungen mehr Christen um ihres Glaubens willen ermordet als in allen anderen Ländern des Weltverfolgungsindex zusammen. Auch bei Angriffen auf Kirchen (569) steht Nigeria an erster Stelle.  

„Tatsächlich ist der Dauerkonflikt in Nigeria aber nicht religiös motiviert“, sind sich die Faktenfinder von tagesschau.de sicher. Ihre Einschätzung, es gehe dabei um Weidegründe und Konflikte zwischen Viehhirten und Siedlern, erfasst jedoch nur einen der vielen Aspekte. Dazu abschließend noch zwei von zahlreichen Beispielen aus dem Jahr 2018:

  • Am 24. April 2018 griffen Fulani-Hirten während der Morgenmesse eine katholische Kirche im Bundesstaat Benue an. Dabei wurden zwei Priester und 17 Gemeindemitglieder getötet. Anschließend brannten sie 60 Häuser des Dorfes sowie Ackerland und Scheunen nieder.
  • Am 23. Juni 2018 wurden 120 Christen von Fulani-Hirten im Bundesstaat Plateau umgebracht, als sie von einer Beerdigung zurückkehrten. Die Kirchen in diesem Gebiet ließen am Sonntag, dem 24. Juni, aus Furcht vor weiteren Attacken ihre Gottesdienste ausfallen.

Open Doors ruft dazu auf, für verfolgte Christen – in Nigeria und weltweit – zu beten und ihnen zur Seite zu stehen. Eine differenzierte Berichterstattung hat daran einen wesentlichen Anteil.

 

Download der Untersuchung zur Gewalt muslimischer Fulani (Englisch)

Nigeria: Southern Kaduna and the atrocities of Hausa-Fulani Muslim herdsmen (Volume 1) (PDF, 2 MB)

Nigeria: Southern Kaduna and the atrocities of Hausa-Fulani Muslim herdsmen (Volume 2) (PDF, 5 MB)

 

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