Berichte von unseren Projekten in Syrien

Corona: „Ich sah Menschen vor Hunger weinen“

18.05.2020 – Neun Jahre Krieg haben in Syrien tiefe Spuren hinterlassen, und es ist noch nicht vorbei. Viele Menschen leben in größter Not. In Nordosten des Landes hat sich die wirtschaftliche Lage seit Herbst 2019 durch den Einmarsch türkischer Streitkräfte weiter zugespitzt. Inzwischen hat auch die Corona-Pandemie das Land erreicht. Wir haben Pastor George Moushi aus Kamischli nach den Auswirkungen auf die Lage der Christen vor Ort befragt.

Herausforderungen „größer denn je“

„Covid-19 hat einen großen Einfluss auf Kamischli; ein normales Leben gibt es so gut wie nicht“, erklärt der Pastor. In Kamischli gilt derzeit eine 16-stündige Ausgangssperre von 14 Uhr nachmittags bis 6 Uhr morgens. Die Polizei patrouilliert auf den Straßen, um ihre Einhaltung sicherzustellen. „Die Menschen gehen nur hinaus, um das Nötigste einzukaufen. Die Zahl der Bedürftigen hat zugenommen. Darunter sind vor allem Tagelöhner, die, wenn sie keine Arbeit haben, keinen Lohn erhalten. Die Herausforderung, ihre Familienmitglieder und vor allem ihre Kinder zu versorgen, ist größer denn je.“
 

Pastor George teilt Gutscheine für Hygieneprodukte aus
Pastor George teilt Gutscheine für Hygieneprodukte an Bedürftige aus

Mourad* koordiniert die Arbeit von Open Doors, die wir über lokale Partner in Syrien leisten. Er sagt: „Wir hören diesen Hilferuf jetzt aus ganz Syrien und sogar aus der ganzen Region. Alle Pastoren und Priester, mit denen wir zusammenarbeiten, sagen ähnliche Dinge. Unsere Partner vor Ort versuchen, die bedürftigsten Menschen zu identifizieren.“ (*Name geändert)

Hilfe zur Selbsthilfe nur eingeschränkt möglich

Die Angst vor einer weiteren Ausbreitung von Covid-19 in Syrien ist groß. Das Gesundheitssystem ist durch den Krieg fast vollständig zerstört. Dies erhöht die Verwundbarkeit der Bevölkerung.

„Zuerst haben wir die Verteilung von Hilfspaketen eingestellt. Aber als wir den erhöhten Bedarf sahen, haben wir die Verteilung wieder aufgenommen. Wir gaben den Menschen Gutscheine für Lebensmittel und Waschmittel. Unsere Kirche sah, dass jetzt die Zeit gekommen war, den Menschen beizustehen, sie zu unterstützen und in schwierigen Zeiten die Liebe Jesu zu zeigen“, sagt der Pastor.

Auch Open Doors hat seine Planung der veränderten Situation angepasst. Statt verstärkt auf direkte Anreize zur Selbsthilfe zu setzen, rückt erneut die Nahrungsmittelverteilung in den Fokus.

„Ich sah Männer, Frauen und Kinder vor Hunger weinen“

„Das größte Bedürfnis, das ich im Moment um mich herum sehe, ist das Bedürfnis nach Nahrung“, sagt der Pastor. „Wir öffneten [unser Gemeinde-] Zentrum nur für zwei Stunden, um Essensgutscheine zu verteilen, und etwa 80 Familien kamen. Die Menschen sind hungrig. Einige riefen mich weinend an, weil sie kein Essen für ihre Kinder und Familien haben. Vor allem vertriebene Familien, die hier keine Verwandten haben, von denen sie Geld leihen könnten, [trifft es hart]. Ich sah Männer, Frauen und Kinder vor Hunger weinen; es ist tragisch. Wir haben nur 80 Familien geholfen, aber die Zahl der bedürftigen Familien ist viel höher.“

Gottesdienste und Gemeinschaft per WhatsApp

Wie überall musste die syrische Kirche einen neuen Weg finden, sich zu treffen, da Gottesdienste derzeit nicht erlaubt sind. „Wir versuchen, in Kontakt zu bleiben, und wir bleiben durch WhatsApp verbunden“, erklärt Pastor George Moushi. „Wir haben drei Treffen pro Woche, jeden Sonntag, Dienstag und Donnerstag um 18 Uhr. Alle beten und teilen ihre Gedanken und Gefühle mit. Gleichzeitig teilen wir unsere Gebetsanliegen miteinander und tauschen die neuesten Nachrichten aus. Viele wurden ermutigt, dass die Kirche sich um sie kümmert und mit ihnen in Kontakt bleibt. Ich rufe auch regelmäßig die Mitglieder der Kirche an, um zu prüfen, ob sie etwas brauchen. Die Not ist nicht nur materieller Art. Viele Menschen sind müde und ängstlich, deshalb habe ich mit ihnen gebetet.“

Auf die Frage, wofür er und die Kirche beten, sagt Pastor Moushi: „Wir beten, dass der Herr eingreift und die Pandemie von unserem Land und der Welt wegnimmt. Wir beten auch um mehr Hilfe und Unterstützung für bedürftige Menschen. Wir beten, dass diese Krise möglichst bald endet, sodass viele Menschen vor dem Hungern bewahrt werden.“

 

 

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