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Indien: Unverminderte Verfolgung von Christen

Jeder zweite Christ in Indien erlebt Benachteiligung oder Verfolgung.

 

Indien gilt aufgrund seiner Bevölkerungszahl als die größte Demokratie der Welt. Laut Verfassung herrscht hier Religionsfreiheit (Artikel 25 – 28), die auch die Verbreitung einer Religion einschließt. Doch es vergeht kaum ein Monat, ohne dass es zu Übergriffen hinduistischer Extremisten gegen Christen kommt, wie das Hilfswerk für verfolgte Christen Open Doors mit großer Sorge beobachtet. Die radikal gesinnten stellen fraglos nur eine Minderheit in der Masse der Hindus dar, sind jedoch in vielerlei Hinsicht sehr aktiv und nehmen großen Einfluss auf das öffentliche Leben. Der Generalsekretär der Evangelischen Allianz Indien, Dr. Richard Howell (Neu Delhi) geht davon aus, dass jeder zweite Christ in Indien benachteiligt, bedroht oder verfolgt wird. Christen bilden in der mehrheitlich hinduistisch geprägten Gesellschaft eine religiöse Minderheit (2,3 Prozent). Daher bittet Open Doors um anhaltende Solidarität mit den Christen in Indien und um Gebet für verfolgte Christen und Gemeinden.

Anti-Bekehrungsgesetze
Besonderen Anlass zur Sorge geben die sogenannten Anti-Bekehrungsgesetze. Solche Gesetze gelten derzeit in den Bundesstaaten Orissa, Madhya Pradesh, Chhattisgarh, Arunachal Pradesh, Gujarat, Rajasthan und Himachal Pradesh. Wer vom Hinduismus zu einer anderen Religion wie etwa dem Christentum übertritt, macht sich laut diesem Gesetz strafbar. Ungestraft bleibt hingegen der Religionswechsel zum Hinduismus. Hindu-Extremisten nutzen diese Rechtslage häufig aus, um willkürlich Pastoren, Gemeindeleiter oder sozial engagierte Christen der Zwangsbekehrung von Hindus zu beschuldigen. Dabei kommt es regelmäßig zu gewaltsamen Übergriffen gegen Einzelpersonen oder christliche Gemeinden – nicht selten vor den Augen der Polizei. Gleichzeitig weigern sich die Beamten oftmals, Berichte über Straftaten gegen Christen aufzunehmen oder verzögern die Strafverfolgung.

Einige Übergriffe in mehreren Bundesstaaten aus jüngster Zeit

Bundesstaat Neu-Delhi – 25 Mitglieder der "Rashtriya Swayamsevak Sangh"[1] verprügelten Ende März zwei Christen auf offener Straße mit Holzknüppeln. Beim Eintreffen der Polizei konnten die Täter fliehen.

Bundesstaat Madhya Pradesh – In Begleitung von Polizisten störten Anhänger der "Bajrang Dal"[2] einen Gottesdienst in der Ortschaft Raksha Nagar/Ranjhi. Nach Berichten des Globalen Rates indischer Christen (GCIC) drangen die Männer am 28. März in die "Apostolic Christian Assemblies" im Bezirk Jabalpur ein. Die Beamten nahmen sechs Gemeindemitglieder mit auf die Polizeiwache. Wie der Nachrichtendienst Compass Direct von der Polizei erfuhr, hatte ein Bajrang-Dal-Aktivist schriftlich Beschwerde eingereicht und behauptet, in der Kirche fänden "Bekehrungsaktivitäten" statt. Nach dreistündigen Verhören wurden die Christen ohne Anklage freigelassen. Die Vorwürfe erwiesen sich als unbegründet.

Bundesstaat Madhya Pradesh – Eine polizeilich genehmigte christliche Konferenz in Badwani wurde von Anhängern der "Bajrang Dal"[2] beendet. Das Treffen begann am 13. März und sollte zwei Tage dauern. Die Organisatoren wandten sich an die Polizei, die sich jedoch auf die Seite der Hindus stellte und die Christen anwies, die Veranstaltung zu beenden.

Bundesstaat Tamil Nadu – Fünf Christen wurden am 23. März wegen des Verteilens von Broschüren mit christlichem Inhalt kurzzeitig von der Polizei verhaftet. Hindus aus der Ortschaft Palladam (Tiruppur) hatten die Christen aus einem Nachbardorf beschuldigt, die religiösen Gefühle von Hindus verletzt zu haben. Ihrer Meinung nach stellten die Schriften den Hinduismus und Hindu-Gottheiten barbarisch dar. Dem Globalen Rat indischer Christen (GCIC) zufolge besuchten die Beschuldigten andere Christen in einem Armenviertel und brachten medizinische Hilfe. Eine örtliche Tageszeitung meldete daraufhin, dass in den Broschüren das Christentum positiver als der Hinduismus dargestellt werde und das eigentliche Ziel der Männer die "Zwangsbekehrung" von Hindus gewesen sei. Dazu würden sie kostenlose Wohnungen, Geld, Essen und Arbeitsstellen im Ausland versprechen. Die Polizei erklärte die Männer für unschuldig und ließ sie nach einer Verwarnung wieder frei.

Bundesstaat Chhattisgarh – Gewaltsam drangen am 21. März 25 radikale Hindus in eine Kirche in Raipur ein. Sie störten den laufenden Sonntagsgottesdienst der "Believers Church of India", beschimpften die Besucher und rissen ihnen ihre Bibeln aus den Händen. Laut dem Informationsdienst Compass Direct drohten die Angreifer den Christen Prügel an, sollten sie die Gegend nicht verlassen. Einer Regierungsangestellten, die den Gottesdienst besuchte, wurde gedroht, man werde für den Verlust ihres Arbeitsplatzes sorgen, wenn sie weiterhin an Jesus Christus glaube. Die Polizei hielt die Christen drei Stunden lang fest und setzte sie ebenfalls unter Druck, aus der Gegend zu verschwinden.

Bundesstaat Chhattisgarh – Anhänger der "Bajrang Dal"[2] stürmten am 21. März eine Gebetsversammlung der Ebenezer-Gemeinde in Kasdol. Die 40 Männer zerrissen Bibeln und christliche Literatur und drohten den Christen mit Gewalt, sollten sie weiterhin Gebetsversammlungen abhalten. Die von den Angreifern alarmierte Polizei hielt Pastor Ravi Bagha und weitere Gemeindemitglieder etwa sieben Stunden lang auf der Polizeistation fest. Erst nach Intervention von lokalen Christen kamen die Männer ohne Anklage frei. Eine Beschwerdeanzeige gegen die Angreifer wurde nicht aufgenommen.

Bundesstaat Chhattisgarh – Etwa 40 Anhänger der hindu-nationalistischen "Vishwa Hindu Parishad" (Hindu-Weltrat, VHP)[3] griffen am 21. März christliche Schüler und Studenten eines Zentrums für die Persönlichkeitsentwicklung Jugendlicher an, das von der Organisation "Care for the People of India" betrieben wird. Die Angreifer beschimpften und verprügelten die Jugendlichen und verbrannten Bibeln und andere Literatur. Wie der Informationsdienst Compass Direct erfuhr, hatten die Extremisten eine mit einem Kreuz bemalte indische Fahne dabei. Diese legten sie als vermeintlichen Beweis gegen die Christen vor, als sie drei Lehrer des Zentrums wegen Schändung der Nationalflagge anzeigten. Die drei Christen wurden festgenommen und später gegen Kaution entlassen.

Bundesstaat Chhattisgarh – Rund 35 Angehörige der hinduistischen "Dharma Sena" (Religionsarmee) drangen am 21. März in eine christliche Gemeinde in Nandini/Bezirk Durg ein und beschuldigten die Mitglieder der Zwangsbekehrung.

Bundesstaat Chhattisgarh – Wie die Evangelische Allianz Indiens (EFI) berichtete, bedrohten Anfang März 20 Anhänger der "Bajrang Dal" [2] und der Partei "Shiv Sena" Pastor Sanatan Masih. Vor seinem Haus warnten die Männer den Leiter der "Christian Church" davor, weiterhin im Gebiet Kawardha zu bleiben und verprügelten ihn schwer. Bereits Mitte Februar hatten Extremisten damit gedroht, dem Pastor etwas anzutun. Nachdem am 3. März die Kirche verwüstet worden war, lehnte die Polizei die Aufnahme einer Anzeige ab.

Bundesstaat Chhattisgarh – Die Landespolizei verhaftete am 28. Februar sechs Christen. Wie der Globale Rat indischer Christen (GCIC) mitteilte, hatte Pastor Jose Thomas von der indischen Missionsbewegung in der "Holy Kingdom English High School" im Bezirk Kawardha eine Tagung für rund 40 Christen organisiert. Diese wurden von nahezu 50 Anhängern der "Rashtriya Swayamsevak Sangh" (RSS)[1] gestürmt. Sie beschuldigten die Christen der Zwangsbekehrung von Hindus. Pastor Thomas und die fünf weiteren Festgenommenen wurden zudem angeklagt, eine hinduistische Anbetungsstätte geschändet zu haben. Inspektor Surinder Singh sagte dem Informationsdienst Compass Direct, ein Anwohner habe Anzeige erstattet. Die Christen wurden am 9. März gegen Kaution entlassen.

Bundesstaat Karnataka – Aufgrund der Anzeige von Hindu-Extremisten verhaftete die Polizei in Borgunta, Sullai Taluk/Bangalore, am 15. März Pastor Valsalan von der "Bethesda Assemblies of God Church". Er war mit seiner Familie zu Besuch bei einem Gemeindemitglied, als etwa 30 radikale Hindus ins Haus stürmten und ihn der Zwangsbekehrung bezichtigten. Ein Abgeordneter der "Bharatiya Janata Party" (BJP) [4] und weitere Angreifer drängten auf seine Verhaftung. Valsalan wurde ins Zentralgefängnis nach Mangalore überstellt.

Bundesstaat Karnataka – In Periyapattinam, Mysore, verprügelten am 8. März radikale Hindus den 30-jährigen Pastor Ravi Chandran. Chandran leitete gerade ein Gebetstreffen in einem Privathaus als mehrere Männer ihn packten und mit Getränkeflaschen, Fußtritten und Faustschlägen malträtierten. Er musste wegen einer Beinverletzung und einer Schwellung am Kopf im Krankenhaus behandelt werden.

Bundesstaat Karnataka - Ende Februar drangen extremistische Hindus auf das Baugelände der "New Life Fellowship Church" in Karwar vor, Berichten zufolge unter Führung eines Stadtrats. Sie schlugen zwei Christen zusammen, die das Gelände bewachten. David Lambani und Satish Ambedkar mussten im Kranken-haus behandelt werden. Die Polizei nahm einen Erstbericht auf, verhaftet wurde jedoch noch niemand. Der amtlich genehmigte Gemeindebau wurde von Dorfoberen der Gegend im November 2009 und im Februar unterbrochen.

Bundesstaat Andra Pradesh – Wie der Gesamtindische Christenrat (AICC) berichtete, wurde Pastor Devaraju von der "Good Shepherd Community Church" in Timmajipet/Mahabubnagar am 7. März von Hindu-Extremisten verprügelt und fast einen Tag lang in seinem Zimmer eingesperrt. Die Männer verriegelten zudem die Kirche und drohten mit der Beschlagnahmung des Gebäudes, um es als Stadthalle zu nutzen. Der Pastor und weitere Gemeindemitglieder hatten dagegen protestiert, dass die Hindus auf einem christlichen Friedhof einen Toten gemäß ihrer Tradition begraben wollten.

Bundesstaat Andra Pradesh – Mehrere Hindu-Extremisten verprügelten am 22. März ein christliches Ehepaar. Der Dorfvorsteher der Ortschaft Anakapalli Mandal hatte die Männer gegen das Paar aufgestachelt. Es soll Hindus zwangsbekehrt haben. Pastor Nireekshana Roa hatte gemeinsam mit seiner Frau ein Gebetstref-fen organisiert. Die Polizei weigerte sich, eine Anzeige gegen die Täter aufzu-nehmen.

Quelle: Compass Direct

1 nationalistische Hindu-Organisation "Rashtriya Swayamsevak Sangh" (RSS)
2 Bajrang Dal , hindu-extremistischer Jugendflügel der "Vishwa Hindu Parishad" (VHP, Welt-Hindu-Rat)
3 hindu-nationalistische Organisation "Vishwa Hindu Parishad" (Hindu-Welt-Rat, VHP)
4 Hindu-nationalistische Partei "Bharatiya Janata Party" (BJP)