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Indien: Viereinhalb Jahre nach den Ausschreitungen in Odisha
(KELKHEIM, 14. März 2013) – Im August 2008 kam es im indischen Bundesstaat Odisha (bis 2011: Orissa) zu den schlimmsten Ausschreitungen gegen Christen seit der Unabhängigkeit Indiens im Jahr 1947. Amtliche Schätzungen sprachen damals u.a. von 54.000 Binnenflüchtlingen, 120 Toten und 315 vollständig zerstörten Dörfern. Die pogromartigen Ausschreitungen erregten bei der internationalen Gemeinschaft einigen kritischen Widerhall. Doch viereinhalb Jahre später hat sich die Lage der Christen in dem ländlichen Bundesstaat nicht wesentlich verändert. (Zerstörtes Haus in Odisha, Foto: Open Doors)
Die Stimmung im Epizentrum der Gewaltausbrüche von 2008 im indischen Odisha ist unverändert explosiv. Schon ein Funke würde ausreichen, um eine neue Welle der Gewalt zu entzünden. Bereits im Oktober 2008 wurden zahlreiche Flüchtlingslager von den Behörden zwangsgeräumt. Die Menschen wurden in ihre Dörfer und Häuser zurückgeschickt, ohne dass sich dort etwas zum Besseren gewendet hatte. Vielerorts knüpften nationalistische Hindu-Gruppen die Rückkehr vertriebener Christen in ihr Dorf an die Bedingung, dass diese zum Hinduismus konvertieren. Über 4.000 Christen sind deshalb bis heute aus Angst nicht in ihr Zuhause zurückgekehrt.
Eine kurze Analyse der gegenwärtigen Lage ergibt folgendes Bild
Politik
Zurzeit wird Odisha von der Biju Janata Dal (BJD) Partei regiert, die äußerlich um Neutralität bemüht ist. Gleichzeitig werden ihr jedoch enge Verbindungen zu rechtsgerichteten Hindugruppen nachgesagt. Die Regierung ignoriert die fortgesetzte Verfolgung der Christen nicht nur, sondern spielt mutmaßlich bei ihrer Diskriminierung durch die Behörden ein aktive Rolle im Hintergrund.
Wirtschaft und Beruf
Die Bezirke Kandhmal, Koraput und Malkangiri galten bereits vor den Ausschreitungen als wirtschaftlich schwach entwickelt. Die von hier geflohenen Christen haben nicht nur ihren persönlichen Besitz (Häuser, Land, Vieh) an Hindus verloren, sondern auch ihre Arbeitsplätze. Und selbst bei staatlich geförderten Arbeitsmaßnahmen erleben sie Diskriminierung.
Gesellschaft
Die Zusammensetzung der Gesellschaft ist mehr denn je von unüberbrückbaren Gegensätzen geprägt. Nur in sehr wenigen Dörfern hat man durch die Bildung von Friedenskomitees eine leichte Entspannung zwischen den gegnerischen Gruppierungen herbeiführen können. Die Christen sehen sich mit folgenden Schwierigkeiten konfrontiert:
- Die Furcht vor gewalttätigen Übergriffen in den Dörfern hindert sie nicht nur an der Rückkehr in ihre Heimat, sondern erstickt viele Friedensbemühungen bereits im Keim.
- Ihr Alltag ist von Diskriminierung geprägt: so etwa in den Schulen oder Lebensmittelgeschäften.
- Häufig mussten sie nach der Rückkehr in ihre Dörfer um ihren Besitz kämpfen. Viele konnten sich nicht durchsetzen und sind nun ohne eigenes Land.
- In zahlreichen Dörfern können sie aufgrund der fortgesetzten Bedrohung durch Fundamentalisten ihr Land nicht bearbeiten.
- Die Polizei schützt sie nur unzureichend. Dadurch leben Christen in einem Zustand fortwährender Unsicherheit.
- Die Versorgung mit Lebensmitteln funktioniert für die Christen nur unzureichend. Ihre Bezugskarten für Nahrungsmittel werden häufig nicht verlängert.
- Schulbildung: Einer aktuellen Umfrage zufolge haben über 1.500 Kinder keinen Zugang zu einer Schule oder einer vergleichbaren Bildungseinrichtung.
In einer Reihe von Dörfern wurde den Christen nach der Rückkehr in ihre Dörfer eine Liste von Auflagen für den Fall präsentiert, dass sie sich weigern sollten zum Hinduismus zu konvertieren:
- Strafzahlung für die Ausübung des christlichen Glaubens
- Rücknahme aller bei der Polizei eingereichten Anzeigen
- Beschränkung auf das Tragen traditioneller Kleidung (keine Hemden/Hosen)
- Keine Nutzung von Fahrrädern oder Schuhen
- Verbot, Wasser aus dem Fluss oder Dorfbrunnen zu schöpfen, Feuerholz zu sammeln, Steine oder Sand zu nutzen sowie im örtlichen Laden einzukaufen
Hindutva und Anti-Bekehrungsgesetze
Indien ist mit der zweitgrößten Bevölkerung aller Länder weltweit ein Staat voller Gegensätze und enormer Vielfalt. Auf dem Weltverfolgungsindex von Open Doors wird das Land an 31. Stelle geführt. Eine Hauptursache für die Verfolgung von Christen ist die in Teilen der Gesellschaft tief verankerte ‚Hindutva‘ Ideologie, die eine Reinigung Indiens von allen nicht-hinduistischen Elementen anstrebt. Wo diese Ideologie wie in Odisha starken Einfluss auf Regierungs- und Polizeibehörden hat, kann die christliche Minderheit nicht auf eine faire Behandlung hoffen oder gar ihre Rechte einklagen. Hinzu kommt, dass Odisha zu den fünf indischen Staaten zählt, in denen das Anti-Bekehrungsgesetz die Abkehr vom Hinduismus kriminalisiert. Open Doors unterstützt die Christen durch Schulungen und vielfältige Hilfsprojekte. Als Reaktion auf die Ausschreitungen im Jahr 2008 wurden über 6.000 Familien mit Nahrungsmitteln und Hilfspaketen versorgt, darüber hinaus wurden Traumaseminare in Gemeinden und Flüchtlingslagern durchgeführt.
Open Doors bittet darum, weiter für die Christen in Odisha zu beten.
- Beten Sie um eine Entspannung der Lage in Odisha
- Beten Sie um Standhaftigkeit für die Christen, die in ihren Dörfern unter großem Druck stehen, zum Hinduismus zu konvertieren
- Beten Sie um die Versorgung der Christen mit Nahrungsmitteln, Arbeitsplätzen und allem, was notwendig ist
- Beten Sie darum, dass Gottes Reich in Odisha sichtbar und spürbar einzieht: mit Frieden, Freude und Gerechtigkeit