Erfahren Sie mehr über den Weltverfolgungsindex – die Rangliste und der Bericht zu den 50 Ländern, in denen Christen die stärkste Verfolgung erleben.
Irak
Christenverfolgung im Irak
Berichtszeitraum: 1. Oktober 2023 – 30. September 2024
1. Überblick
Seit der „Islamische Staat“ (IS) zurückgedrängt wurde, setzen insbesondere vom Iran unterstützte schiitische Milizen die Christen im Irak unter Druck. Allerdings hat der IS seine Angriffe auf Zivilisten, Infrastruktur und Sicherheitskräfte auch im Jahr 2023, und in geringerem Maß auch 2024, fortgesetzt. Sowohl die Türkei als auch der Iran setzten außerdem ihre Luftangriffe und – im Falle der Türkei – Bodenoperationen in verschiedenen Gebieten der Region Kurdistan-Irak fort. Angeblich seien diese gegen Mitglieder der „Partiya Karkerên Kurdistanê“ („Arbeiterpartei Kurdistans“, PKK) gerichtet. In den vergangenen Jahren trafen die Angriffe aber auch überwiegend christliche Dörfer, verursachten schwere Schäden an zivilem Eigentum und zwangen viele Christen zur Flucht.
Die traditionellen Kirchen (die assyrische Kirche des Ostens, die syrisch-orthodoxe Kirche, die syrisch-katholische Kirche, die chaldäisch-katholische Kirche und die armenische orthodoxe Kirche) sind stark von Gewalt, Intoleranz und Diskriminierung betroffen. Diese gehen besonders von islamisch-extremistischen Bewegungen und nicht christlichen religiösen Leitern aus. Auch seitens der Behörden erfahren sie Diskriminierung. Evangelikale Gemeinden in Bagdad und Basra sind ebenfalls von Gewalt durch islamisch-extremistische Gruppen und nicht christliche religiöse Leiter betroffen und werden durch die Behörden diskriminiert.
Christen mit muslimischem Hintergrund erfahren den meisten Druck von Familienmitgliedern und halten ihren Glauben oft geheim. Sie riskieren, ihr Erbrecht zu verlieren sowie das Recht und die Mittel zu heiraten. Die Abkehr vom Islam kann sogar in der eher gemäßigt islamischen Region Kurdistan-Irak gefährlich sein. Ein Wechsel der Kirchenzugehörigkeit (etwa von einer orthodoxen Kirche zu einer evangelikalen Gemeinde) wird häufig mit dem Entzug von Rechten bestraft. Es ist bekannt, dass Leiter orthodoxer und katholischer Kirchen sich weigern, Eheschließungen für Mitglieder durchzuführen, die protestantische Kirchen besuchen. Durch ein Urteil des Obersten Gerichtshofs des Irak aus dem Jahr 2024 wurde die Quote der Sitze für Christen im Parlament Kurdistans von sechs auf drei reduziert. Dadurch wird die politische Vertretung von Christen weiter eingeschränkt.
Länderprofil als PDF
Das nachfolgende Länderprofil ist ein übersetzter Auszug aus den ausführlichen Berichten von World Watch Research, der Forschungsabteilung von Open Doors. Dieses deutsche Länderprofil finden Sie hier auch als PDF zum Download. Die ausführlichen Berichte in englischer Originalfassung („Background Information“ und „Persecution Dynamics“) finden Sie am Ende dieser Seite.
2. Hintergrund
Nach der von den USA angeführten Invasion im Jahr 2003 und dem Sturz des Diktators Saddam Hussein flammte in dem folgenden Machtvakuum religiös motivierte Gewalt auf, insbesondere zwischen sunnitischen und schiitischen Muslimen. Die Christen gerieten ins Kreuzfeuer. Es begann eine Massenflucht aus dem Land. Mit dem Aufkommen des IS und der Errichtung seines selbstausgerufenen Kalifats im Juni 2014 verstärkte sich die Fluchtbewegung umso mehr. 2016 wurden große Teile des IS-Gebiets zurückerobert. Die Christen begannen daraufhin, in die befreiten, zuvor mehrheitlich christlichen Städte in der Nähe von Mossul zurückzukehren, unter anderem nach Karakosch. Im Dezember 2017 verkündete der damalige Ministerpräsident die erfolgreiche Vertreibung des IS aus dem Irak durch die irakischen Streitkräfte. Allerdings blieb der IS stellenweise weiterhin aktiv und griff in den folgenden Jahren immer wieder zivile und staatliche Ziele an. Auch 2024 kam es zu Angriffen des IS, diese konzentrierten sich aber auf militärische Ziele und auf die Infrastruktur; dagegen gab es über Angriffe auf zivile Ziele in den ersten drei Quartalen des Jahres 2024 keine Berichte. Nichtsdestotrotz führen solche Angriffe zu Instabilität und verstärken das Gefühl der Unsicherheit für Christen und andere Minderheiten.
Der Irak ist in zwei Teile geteilt: die teilautonome Region Kurdistan-Irak im Norden, die offiziell von der kurdischen Regionalregierung mit Sitz in Erbil regiert wird, und einen großen arabischen Teil unter Kontrolle der irakischen Regierung in Bagdad. Der Irak besteht aus 19 Gouvernements, von denen nur fünf eine offiziell ausgewiesene christliche Bevölkerung haben (Ninawa, Erbil, as-Sulaimaniyya, Dahuk und Kirkuk). Die Christen haben alle anderen Gouvernements verlassen, mit Ausnahme einer kleinen Gruppe von Konvertiten muslimischer Herkunft.
Nach Angaben des Berichts zur internationalen Religionsfreiheit der US-Außenministeriums 2023 sind die Mehrheit der irakischen Christen chaldäische Katholiken (die einem östlicher Ritus der römisch-katholischen Kirche folgen), und fast 20 Prozent sind Mitglieder der assyrischen Kirche des Ostens. In der Region Kurdistan-Irak, in der die meisten Christen leben, sind etwa 2.000 Mitglieder evangelikaler Kirchen registriert.
Seit der IS zurückgedrängt wurde, geht der Druck auf die irakischen Christen hauptsächlich von schiitischen Milizen aus, die vom Iran unterstützt werden. Seit Beginn des Israel-Hamas-Krieges am 7. Oktober 2023 haben diese Stellvertreter des Iran ihre Angriffe auf die für die USA militärisch wichtigen Ziele maßgeblich erhöht. In der Region Kurdistan-Irak setzte die Türkei ihre Angriffe fort. Dabei gingen sie angeblich gegen Mitglieder der PKK vor, trafen aber auch Dörfer mit christlicher Mehrheit. Die Militäroperationen der Türkei in diesem Gebiet wurden von 2021 bis 2024 unvermindert fortgesetzt, was zu weitreichenden Vertreibungen führte beziehungsweise Christen daran hinderte, in ihre Häuser zurückzukehren.
Die irakische Verfassung von 2005 setzt den Islam als Staatsreligion fest. Nach geltendem islamischem Recht ist es Muslimen faktisch untersagt, ihre Religion zu wechseln. Frauen, die als Musliminnen registriert sind, dürfen keine Nichtmuslime heiraten. Diese Probleme können zu komplexen Familiensituationen führen. So wurde beispielsweise im Juni 2024 berichtet, dass ein irakisches Gericht in der Region Kurdistan-Irak eine christliche Frau und ihre Kinder, die alle christlich erzogen worden waren, aufforderte, zum Islam überzutreten. Der Fall geht darauf zurück, dass die Mutter der Frau zum Islam konvertiert war, nachdem sie sich von ihrem christlichen Ehemann hatte scheiden lassen und einen muslimischen Mann geheiratet hatte, als die Frau noch ein Teenager gewesen war. Diese rechtliche und soziale Misere zeigt, mit welchen Herausforderungen einige christliche Familien im Irak konfrontiert sind, wo die in offiziellen Dokumenten eingetragene religiöse Identität weitreichende Folgen für das persönliche und familiäre Leben haben kann.
Christen sind in der Politik kaum vertreten. Laut einer Minderheitenquote müssen 1,5 Prozent der Parlamentssitze an christliche Abgeordnete vergeben werden, doch im Jahr 2024 wurde die Gesamtzahl der Quotensitze für religiöse und ethnische Minderheiten im Parlament Kurdistans aufgrund eines Urteils des Obersten Gerichtshofs reduziert – nämlich von 11 auf 5, wodurch sich auch die Sitze für Christen von 6 auf 3 reduziert haben.
Weltanschauungen |
Anhänger |
% |
Christen |
154.000 |
0,3 |
Muslime |
45.371.000 |
97,5 |
Hindus |
5.800 |
< 0,1 |
Buddhisten |
440 |
< 0,1 |
Juden |
22 |
< 0,1 |
Bahai |
2.400 |
< 0,1 |
Atheisten |
85.500 |
0,2 |
Agnostiker |
223.000 |
0,5 |
Andere |
648.630 |
1,4 |
3. Gibt es regionale Unterschiede?
Die meisten Christen im Irak leben im Norden des Landes, im kurdischen Gebiet. In Bagdad im Zentralirak und Basra im Süden des Landes leben nur noch sehr wenige Christen. In den zentralen und südlichen Teilen des Landes sind die Christen mit besonders schwierigen Bedingungen konfrontiert. Die Christen haben die meisten der dortigen Provinzen verlassen, mit Ausnahme kleiner Gruppen von Christen mit muslimischem Hintergrund. Übergriffe auf Konvertiten, insbesondere in Form von islamischer Unterdrückung und Unterdrückung durch den Clan oder Stamm, sind in arabischen Gebieten stärker verbreitet als in kurdischen Regionen.
4. Was sind die stärksten Triebkräfte der Verfolgung?
Islamische Unterdrückung
Christen im Irak sind vonseiten sunnitischer und schiitischer Muslime islamischer Unterdrückung ausgesetzt, unabhängig von deren Volkszugehörigkeit (kurdisch, iranisch oder arabisch). Das islamische Bewusstsein ist unter dem Einfluss islamischer Milizen zu einem neuen Faktor im Land geworden, auch in der Region Kurdistan-Irak. Mehrere schiitische Parteien haben enge Beziehungen zur Islamischen Republik Iran; besonders Christen muslimischer Herkunft berichten, dass sie in Gebieten nahe der iranischen Grenze von iranischen Geheimdiensten beobachtet werden. Islamische Lehren und islamische Rhetorik beherrschen den Alltag, und islamische (insbesondere schiitische) Autoritätspersonen beeinflussen weiterhin das soziale, religiöse und politische Leben. Es sind oft Angehörige, die Christen mit muslimischem Hintergrund stark unter Druck setzen, um sie zur Rückkehr zum Islam zu bewegen, was manchmal auch Versuche beinhaltet, sie zu töten. Frauen werden immer stärker von der Gesellschaft kontrolliert. Selbst christliche Frauen in Bagdad und Basra sind mittlerweile gezwungen, sich zu verschleiern, um sich außerhalb ihrer Häuser sicher bewegen zu können. In den vergangenen Jahren kollaborierten muslimische Bürger zum Beispiel in Mosul mit dem IS oder schlossen sich Milizen an, die Christen verfolgten. Dies hat das Vertrauen der Christen gegenüber ihren Nachbarn und anderen Menschen in ihrem Umfeld stark beeinträchtigt. Gewöhnliche Bürger in allen Gebieten des Irak üben Druck auf Christen mit muslimischem Hintergrund aus, um sie zur Rückkehr zum Islam zu bewegen.
Unterdrückung durch den Clan oder Stamm
Die irakische Gesellschaft ist immer noch stark durch das Stammesdenken geprägt. Dies gilt vor allem in Gegenden, die durch religiös motivierte Gewalt erschüttert wurden – hauptsächlich die früher vom IS kontrollierten Gebiete. Wo sich dieses Stammesdenken mit dem Islam vermischt, beeinträchtigt es insbesondere Christen muslimischer Herkunft. Ethnische Gruppen sowie Stammesgruppen haben bisweilen Parteien gegründet, die eine exklusive Politik verfolgten. Christen sind ein leichtes Ziel. Die Einhaltung der jahrhundertealten Sitten und Gebräuche der Stämme ist oft wichtiger als die Einhaltung der staatlichen Gesetze, da die Stämme in der Regel über dem Gesetz stehen.
Diktatorische Paranoia
Mehrere aufeinanderfolgende irakische Zentralregierungen haben versucht, um jeden Preis an der Macht zu bleiben. Dadurch wurde es verpasst, eine pluralistische Gesellschaft zu fördern, in der sich religiöse Minderheiten willkommen fühlen. Christen in der Region Kurdistan-Irak beklagen einen Missbrauch des Wahlsystems bei den Parlamentswahlen von 2018: Kurdische und schiitische Parteien hatten die explizit für Christen reservierten Sitze im Nationalrat an sich gerissen und dafür eigene christliche Kandidaten aufgestellt, die nicht von den christlichen Parteien nominiert worden waren. Darüber hinaus bedrohen Berichten zufolge Regierungsbeamte auf allen Ebenen Christen und „ermutigen“ sie, auszuwandern.
Organisiertes Verbrechen und Korruption
Korruption ist im gesamten Irak weitverbreitet, und Christen werden auf diese Weise ausgebeutet. In vielen mehrheitlich islamischen Gebieten können Christen ihre Häuser oftmals nur zu 60 Prozent des Wertes verkaufen. Ein weiteres Problem ist die Beschlagnahmung von Grundbesitz, der Christen gehört. Organisierte, kriminelle Gruppen haben sich über 70 Prozent der Grundstücke illegal angeeignet, deren christliche Eigentümer aus dem Irak geflohen sind – insbesondere in Bagdad.
Konfessioneller Protektionismus
Es gibt 14 anerkannte christliche Denominationen. Wenn eine neue Denomination die Registrierung beantragt, werden die offiziell anerkannten Kirchen um ihre Zustimmung gebeten. Regelmäßig lehnen diese die Registrierung nicht traditioneller protestantischer Gruppen entschieden ab. Traditionelle Kirchen versuchen oftmals, Mitglieder ihrer Gemeinden davon abzuhalten, die neueren Kirchen zu besuchen. In den südlichen und zentralen Regionen des Irak erfahren Christen, die eine traditionelle Kirchengemeinde verlassen haben, um sich einer nicht traditionellen christlichen Gruppe anzuschließen, mitunter Drohungen und Widerstand von Familienmitgliedern, Stammesführern und der sie umgebenden Gesellschaft. Es ist auch bekannt, dass Bischöfe traditioneller Kirchen sich weigern, Trauungen von Mitgliedern durchzuführen, die evangelikale Kirchen besuchen.
Eine vollständige Übersicht aller im Land wirksamen Triebkräfte finden Sie im ungekürzten, englischen Dokument „Persecution Dynamics“.
5. Welche Christen sind von Verfolgung betroffen?
Christen aus traditionellen Kirchen
Kirchen wie die assyrisch-orthodoxe Kirche, die chaldäisch-katholische Kirche, die syrisch-katholische Kirche und die armenische orthodoxe Kirche sind alle erheblich von Verletzungen der Religionsfreiheit durch islamisch-extremistische Gruppierungen und nicht christliche religiöse Leiter betroffen. Auch seitens der Behörden erfahren sie Diskriminierung. Im Zentral- und Südirak zeigen Christen oft keine christlichen Symbole (wie beispielsweise ein Kreuz), da dies zu Belästigungen oder Diskriminierungen bei Straßenkontrollen, in der Universität oder am Arbeitsplatz sowie in Regierungsgebäuden führen kann.
Christen anderer religiöser Herkunft (Konvertiten)
Als Konvertiten gelten Christen mit muslimischem Hintergrund sowie Christen, die aus einer traditionellen Kirche stammen und zu einer anderen Denomination übergetreten sind und nun eine protestantische Freikirche besuchen. Die Konvertiten aus dem Islam erfahren den meisten Druck von ihrer (Groß-)Familie. Sie halten ihren neuen Glauben oft geheim, da sie in der Gefahr stehen, von ihren Familienmitgliedern, Stammesführern und der Gesellschaft bedroht zu werden. Die Gemeinde zu wechseln (beispielsweise von einer orthodoxen Kirche in eine evangelikale Gemeinde), wird ebenfalls häufig mit dem Entzug von Rechten oder mit dem Verlust des Arbeitsplatzes bestraft.
Christen aus protestantischen Freikirchen
Evangelikale, Baptisten und Pfingstgemeinden in Bagdad und Basra sind erheblich von Verletzungen der Religionsfreiheit durch islamisch-extremistische Bewegungen und nicht christliche religiöse Leiter betroffen und erleben Diskriminierung durch die Behörden. Christen, die ihren Glauben offen bekennen, werden im Zentral- und Südirak regelmäßig angegriffen. Wenn sie im Verdacht stehen, Muslimen das Evangelium weiterzugeben, können auch Blasphemiegesetze gegen sie angewendet werden. Für evangelikale Christen gibt es keine gesetzliche Grundlage, um Bibelschulen zu eröffnen oder um auswärtige Organisationen zu engagieren, ihnen dabei zu helfen.
6. Wie erfahren Christen Druck und Gewalt?
Betroffene Lebensbereiche und Auftreten von Gewalt
Privatleben
Christen muslimischer Herkunft sind in Gefahr, wenn sie sich zu ihrem Glauben bekennen oder sich mit anderen Christen treffen. Wenn sie dies tun, werden sie der Abtrünnigkeit vom Islam (Apostasie) und des Verrats beschuldigt. Im Allgemeinen riskieren Christen, die mit Nichtchristen über ihren Glauben sprechen, den Vorwurf der Missionierung und müssen mit Schikanen und Gewalt rechnen. Christen, die nicht konvertiert, sondern in einer christlichen Familie aufgewachsen sind, können christliche Symbole tragen und zeigen, es sei denn, sie leben in einer sehr konservativ islamisch geprägten Gegend.
Familienleben
Frauen muslimischer Herkunft, die den christlichen Glauben angenommen haben, werden nicht als Christinnen anerkannt; die Ehe mit einem Nichtmuslim ist ihnen deshalb rechtlich verboten. Zusätzliche Brisanz erhielt das Thema durch die vom IS praktizierten Zwangskonversionen: Die so zum Islam konvertierten Christen hatten vor Gericht ihren Übertritt zum Islam erklären müssen, woraufhin alle rechtlichen Dokumente geändert wurden. Laut Artikel 26 des Gesetzes von 2015 zum Personalausweis werden Kinder unter 18 Jahren mit einem muslimischen Elternteil als Muslime registriert. Das trifft selbst dann noch zu, wenn eine nicht muslimische Mutter von einem Muslim vergewaltigt und das Kind auf diesem Weg gezeugt wurde. In Scheidungsfällen wird das Sorgerecht in der Regel dem muslimischen Elternteil zugesprochen. Kinder, die als Muslime gelten, sind verpflichtet, islamischen Religionsunterricht zu erhalten. Laut Gesetz müssen alle Schulen (auch die christlichen) regelmäßig Islamunterricht erteilen und Prüfungen darin abnehmen; ein Nichtbestehen dieser Prüfungen bedeutet, dass man nicht in die nächste Klasse versetzt werden kann.
Gesellschaftliches Leben
Christliche Frauen werden in Bagdad, Basra und manchmal sogar im Norden unter Druck gesetzt, ein Kopftuch zu tragen. Christliche Studenten beanstanden, dass einige muslimische Professoren an Universitäten die Prüfungstermine absichtlich auf christliche Festtage legen. Assyrische Schulen weisen darauf hin, dass sie benachteiligt werden, indem sie die ihnen zustehenden Gelder nicht in vollem Umfang erhalten. Die Bildung ist auf den Islam ausgerichtet, und einige offizielle Lehrpläne an staatlichen Schulen und Universitäten definieren Christen als Ungläubige und Feinde und rufen zum Dschihad gegen sie auf. Bei der Online-Beantragung eines Personalausweises wird die Religionszugehörigkeit abgefragt, und der Datenchip auf dem Ausweis enthält immer noch Angaben zur Religion. Dies führt dazu, dass Christen auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert werden. Im Nationalparlament und in der Regierung haben Christen einige hochrangige Positionen inne; im Allgemeinen sind sie dort aber unterrepräsentiert. Christen muslimischer Herkunft stehen in großer Gefahr, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, falls ihr neuer Glaube bekannt wird.
Leben im Staat
Seiner Verfassung nach ist der Irak ein islamisches Land, in dem keine Gesetze erlassen werden dürfen, die dem Islam widersprechen. Das Gesetz erlaubt den Glaubenswechsel hin zum Islam, lässt aber den Glaubenswechsel vom Islam zu anderen Religionen oder Glaubensrichtungen nicht zu und erkennt sie auch nicht an. In einer Ehe, bei der einer der Ehepartner Muslim ist, spricht das Familienrecht diesem fast automatisch alle Rechte zu – so etwa im Blick auf Scheidungs-, Sorgerechts- und Erbschaftsfälle. Im Allgemeinen wird es Christen in bestimmten Institutionen wie dem Militär verwehrt, die höchsten Ämter zu bekleiden. Manchmal werden sie aufgefordert, Muslime zu werden, wenn sie eine Beförderung erhalten wollen. Christen sind regelmäßig Ziel von Hassreden und Hetzkampagnen extremistischer Islamisten, sowohl im Internet als auch im landesweiten Fernsehen. Bei Verbrechen gegen Christen werden die Täter meist nicht zur Rechenschaft gezogen. Die Regierung hat keine Kontrolle über die Milizen, die im Land aktiv sind, besonders in der Ninive-Ebene. Trotz der großen Anzahl beschlagnahmter christlicher Grundstücke (geschätzt werden 78 Prozent der Grundstücke von Christen, die das Land verlassen haben), wird kaum jemand dafür bestraft.
Kirchliches Leben
Arbeit unter Jugendlichen ist nur innerhalb von Kirchengebäuden erlaubt. Für Christen muslimischer Herkunft ist es nicht möglich, in die Kirche an ihrem Wohnort integriert zu werden; Ausnahmen gibt es in einigen kurdischen christlichen Gemeinden in der Region Kurdistan-Irak. Oft müssen Christen muslimischer Herkunft ihren Heimatort aus Sicherheitsgründen verlassen und Zuflucht in der Anonymität einer Großstadt suchen – oder das Land ganz verlassen. Besonders Gemeinden nicht traditioneller Denominationen berichten von Überwachung.
Beispiele für das Auftreten von Gewalt
Im Juni 2024 wurden zwei Kirchen im Nordirak durch einen türkischen Angriff beschädigt. Eine von ihnen wurde völlig zerstört, die andere hatte nur leichte Schäden.
Im aktuellen Berichtszeitraum wurde ein christlicher Konvertit von einem Familienmitglied aus Glaubensgründen getötet.
7. Entwicklung in den letzten 5 Jahren
Jahr |
Platzierung |
Punktzahl |
2025 |
17 |
78 |
2024 |
16 |
79 |
2023 |
18 |
76 |
2022 |
14 |
78 |
2021 |
11 |
82 |
Im Berichtszeitraum zum Weltverfolgungsindex 2025 wurden im Vergleich zum Vorjahr weniger Christen getötet (einer im Vergleich zu vier). Dies hatte Auswirkungen auf die Wertung für Gewalt. Diese ist von 7,8 Punkten im Vorjahr auf aktuell 6,7 Punkte gesunken, was wiederum auch einen Rückgang der Gesamtpunktzahl mit sich brachte. So liegt die Gesamtpunktzahl für den Irak auf dem Weltverfolgungsindex 2025 bei 78 Punkten (gegenüber 79 Punkte im Vorjahr). Die Gewalt ist jedoch nach wie vor sehr hoch; zwei Kirchen wurden durch türkische Angriffe beschädigt und mehrere Christen festgenommen. Der durchschnittliche Druck blieb gegenüber dem Vorjahr mit 14,3 Punkten unverändert und hat somit weiterhin ein extremes Ausmaß. Die weitverbreitete Korruption und das Fehlen eines echten Schutzes von Christen untergraben weiterhin die Rechte und die Stellung der christlichen Gemeinde im Irak.
8. Sind Frauen und Männer unterschiedlich von Verfolgung betroffen?
Frauen
Während des Krieges gegen den IS wurden Frauen, die religiösen Minderheiten angehören, schwer misshandelt. Aber auch jetzt noch sind Frauen von geschlechtsspezifischer Gewalt bedroht. In einigen Gebieten tragen christliche Frauen zu ihrer eigenen Sicherheit ein Kopftuch, da unverschleierte Frauen in der Gefahr stehen, belästigt oder sogar mit Steinen beworfen zu werden. Bei Übergriffen gegen Christinnen, seien es Entführung, Vergewaltigung oder sexueller Missbrauch, herrscht generell Straffreiheit. Konvertitinnen muslimischer Herkunft sind von Hausarrest, Schlägen, sexueller Belästigung und „Ehren“-Morden bedroht. Alleinstehende Konvertitinnen können zwangsverheiratet werden; auch haben sie rechtlich keine Möglichkeit, einen Christen zu heiraten. Christliche Mädchen werden auch mitunter von muslimischen Männern „geködert“, die sie dann sexuell belästigen und zur Heirat drängen.
Männer
Christliche Männer haben oft Schwierigkeiten, einen Arbeitsplatz zu finden, und empfinden sich Berichten zufolge stark gefährdet, an ihrem Arbeitsplatz ausgenutzt zu werden. Da Männer oftmals die Hauptversorger der Familie sind, kann der Verlust des Arbeitsplatzes erhebliche Auswirkungen haben. Konvertiten muslimischer Herkunft sind besonders gefährdet, Opfer von Übergriffen zu werden. In einer Kultur, in der Ehre einen enormen Stellenwert besitzt, riskieren sie, aus ihren Familien verstoßen, bedroht oder getötet zu werden. Diese Faktoren verstärken die ohnehin schon starke Tendenz zur Auswanderung. Zusätzlich wird die Kirche im Irak dadurch geschwächt, dass Priester und christliche Führungspersönlichkeiten (in der Mehrzahl Männer) nach wie vor von Inhaftierungen, Entführungen und Morden bedroht sind, insbesondere in der Ninive-Ebene.
9. Verfolgung anderer religiöser Gruppen
Andere religiöse Minderheiten, die im Irak unter Verfolgung, Diskriminierung und Intoleranz leiden, sind Jesiden, Sunniten, Kaka’i, Mandäer, Bahai, Zoroastrier und Juden. Vor allem die jesidische Gemeinschaft hat durch den IS schwere Gräueltaten erlitten, wobei mehr jesidische als christliche Frauen und Mädchen zu Sexsklaven gemacht wurden und mehr Jesiden getötet wurden als Christen. Obwohl ein im März 2021 verabschiedetes Gesetz jesidischen Überlebenden besondere Rechte wie Entschädigung und Rehabilitation zugesteht, steht seine vollständige Umsetzung noch aus. Das „Middle East Institute“ berichtete zudem, dass „im April 2023 ... Jesiden zur Zielscheibe einer Kampagne von Hassreden und falschen Anschuldigungen [wurden]. Dabei wurden die vom IS gegen Jesiden begangene Verbrechen gebilligt. Die Verbreitung dieser Hassreden in den sozialen Medien begann, nachdem Jesiden fälschlicherweise beschuldigt worden waren, eine Moschee im Distrikt Sindschar angezündet zu haben, obwohl sie tatsächlich friedlich gegen die Rückkehr von Familien demonstrierten, die verdächtigt werden, mit dem IS in Verbindung zu stehen.“
Auch die sunnitische Gemeinschaft berichtet von Menschenrechtsverletzungen, darunter gewaltsame Vertreibung durch regierungsnahe schiitische Milizen und Diskriminierung durch die sogenannten Entbaathifizierung.
Die irakische Verfassung garantiert zwar Religionsfreiheit für Christen, Jesiden und Mandäer, schützt aber nicht ausdrücklich Anhänger anderer Religionen oder Atheisten. Bestimmte Religionen, wie zum Beispiel die Bahai-Religion, sind gesetzlich verboten, und ihre Ausübung kann zu Gefängnisstrafen führen. Dieses Verbot wird jedoch in der Region Kurdistan-Irak, wo der Bahaismus als Religion anerkannt ist, nicht durchgesetzt. Auch in anderen Teilen des Landes wird dieses Gesetz im Allgemeinen nicht angewandt. Schließlich sind auch Juden mit Einschränkungen konfrontiert, unter anderem sind sie von staatlichen Stellen und vom Militärdienst ausgeschlossen. Somit werden sie weithin diskriminiert und zögern, sich öffentlich als Jude zu bezeichnen.
9. Gebetsanliegen
Bitte beten Sie für den Irak:
- Bitten Sie darum, dass die irakische Regierung damit beginnt, die Christen zu schützen und ihre Rechte zu achten.
- Beten Sie für Frieden und Stabilität, damit vertriebene Christen in ihre Häuser zurückkehren können, sowie um gute wirtschaftliche Perspektiven. Beten Sie auch, dass beschlagnahmte Grundstücke zurückgegeben werden.
- Beten Sie für den Schutz aller Christen und darum, dass sie in ihrem Glauben an Jesus gestärkt und ermutigt werden.
- Beten Sie, dass die Familien von christlichen Konvertiten ebenfalls offen für das Evangelium werden.