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Jemen
Christenverfolgung im Jemen
Berichtszeitraum: 1. Oktober 2022 – 30. September 2023
Überblick
Die christliche Gemeinde im Jemen besteht überwiegend aus Christen mit muslimischem Hintergrund und ihren Kindern. Diese Konvertiten müssen ihren Glauben im Verborgenen leben. Sie erleben Verfolgung und Diskriminierung durch die Behörden (einschließlich Verhaftung und Verhör) sowie durch die eigenen Familien und islamisch-extremistische Gruppen. Diese betrachten Konvertiten als „Abtrünnige“ vom Islam und drohen ihnen mit dem Tod. Die Stammesidentität ist im Jemen eng mit islamischer Identität verbunden. Deswegen erfahren Jemeniten, die den Islam verlassen und Christen werden, vonseiten ihres Stammes massiven gesellschaftlichen Druck und Gewalt. Christliche Konvertiten, die mit Muslimen verheiratet sind, riskieren die Zwangsscheidung und den Verlust des Sorgerechts für ihre Kinder. Wie alle anderen Bürger leiden auch Christen unter der allgemeinen humanitären Krise im Land, sie sind jedoch in besonderem Maße davon betroffen, da die Nothilfe hauptsächlich über Moscheen an lokale Muslime verteilt wird und dabei diejenigen diskriminiert werden, die nicht als gläubige Muslime gelten.
Länderprofil als PDF
Das folgende Länderprofil ist ein übersetzter Auszug aus dem Country Dossier von World Watch Research, der Forschungsabteilung von Open Doors. Das vollständige Dossier auf Englisch sowie das gekürzte Länderprofil auf Deutsch (beides als PDF) finden Sie hier zum Download.
1. Hintergrund
Im Jahr 2014 verbündeten sich die Huthi (eine schiitische muslimische Minderheit), die von der Politik des Regimes von Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi frustriert waren, mit dem Militär und übernahmen die Kontrolle über die Hauptstadt Sanaa. Hadi floh daraufhin nach Saudi-Arabien. Das Land bildete schließlich eine Koalition, um Hadi wieder einzusetzen, die eigene Grenze zu schützen, eine Aufspaltung des Jemen zu verhindern und dem Einfluss des Iran (dem schiitischen regionalen Rivalen des mehrheitlich sunnitischen Saudi-Arabien) entgegenzuwirken. Saudi-Arabien erwartete, dass seine Luftstreitkräfte den Huthi-Aufstand schnell niederschlagen würden, doch der Bürgerkrieg zieht sich in die Länge. Er hat Hunderttausende Tote und Vertriebene gefordert, und nach Angaben der Weltbank leben fast 80 Prozent der Bevölkerung in Armut. Wie häufig in Kriegsgebieten sind Minderheiten besonders gefährdet, da gewalttätige extremistische Gruppen ungestraft gegen diejenigen vorgehen können, denen sie schaden wollen – im Falle des Jemen sind solche Gruppen der sogenannte „Islamische Staat“ (IS) und al-Qaida.
Der Jemen ist eine autoritäre islamische Republik, auch wenn die Staatsform aufgrund des Krieges de facto als im Übergang zu bezeichnen ist. Gemäß der Verfassung von 1991 ist die Scharia (das islamische Recht) die Quelle jeder Gesetzgebung. Laut der christlichen Hilfsorganisation „Middle East Concern“ sind „Blasphemie, Diffamierung von Religionen und nicht islamische Missionierung verboten. Apostasie [Abfall vom Islam] ist eine Straftat, und diejenigen, die sich weigern, [ihre Abkehr vom Islam] zu widerrufen, werden mit dem Tod bestraft. Es gelten die islamischen Personenstandsgesetze; dazu gehört auch das Heiratsverbot zwischen einem Muslim und einer vom Islam Abgefallenen sowie zwischen einer muslimischen Frau und einem nicht muslimischen Mann. Es gibt kein offizielles Registrierungsverfahren für nicht islamische religiöse Gruppen, und seit vielen Jahren hat die Regierung keinen Bau mehr von nicht islamischen Gotteshäusern genehmigt.“
Aus Sicherheitsgründen kann die Aufgliederung von Weltanschauungen und deren Anhänger für den Jemen nicht veröffentlicht werden. Open Doors schätzt die Zahl der Christen im Land aber auf einige Tausend. Vor dem Bürgerkrieg, der im Jahr 2015 begonnen hat, konnten noch Tausende von ausländischen, häufig in der Entwicklungshilfe tätigen Christen ihre Gottesdienste in einigen wenigen registrierten Kirchen in Aden und Sanaa feiern. Die meisten dieser ausländischen Christen sahen sich aber aufgrund der gefährlichen Situation gezwungen, das Land zu verlassen; einige ihrer Kirchen wurden geplündert. Übrig geblieben sind überwiegend einheimische Christen, die zumeist Konvertiten sind. Sie stehen in der großen Gefahr, von ihren Familien, Clans und Stämmen getötet zu werden. Auch eine große Zahl äthiopischer und eritreischer Christen leben derzeit als Geflohene in Jemen.
2. Gibt es regionale Unterschiede?
Die Situation für Christen im Jemen ist gefährlich – in einigen Gebieten ganz besonders, beispielsweise im Süden, in dem al-Qaida stark vertreten ist. Darüber hinaus berichten christliche Konvertiten muslimischer Herkunft, dass sie in den von schiitischen Huthi kontrollierten Gebieten im Norden (etwa ein Drittel des jemenitischen Staatsgebiets) stärkeren Druck erfahren als in den Gebieten unter der Kontrolle der sunnitischen Hadi-Regierung. Dagegen erleben eingewanderte Christen mit traditionellem christlichen Hintergrund in den Huthi-Gebieten weniger Einschränkungen als anderswo, so eine Quelle mit Verbindungen zu dieser Gruppe von Christen. Die von den Huthi kontrollierten Gebiete werden im Allgemeinen von der Polizei streng überwacht, und jede abweichende Meinung wird rigoros unterdrückt und kann zu Inhaftierung und Folter führen.
3. Was sind die stärksten Triebkräfte der Verfolgung?
Islamische Unterdrückung
Die jemenitische Verfassung erklärt den Islam zur Staatsreligion und die Scharia zur Quelle jeder Gesetzgebung. Evangelisation ist verboten; Muslime dürfen nicht zu einer anderen Religion konvertieren. Der Islam ist ein wichtiger Teil der jemenitischen Stammesidentität. Gleichzeitig versuchen militante Organisationen wie die Huthi, „al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel“ (AQAP) und der IS, eine sehr strikte Form des Islam durchzusetzen. Sie sind die Hauptverfolger innerhalb der Triebkraft der islamischen Unterdrückung und greifen Christen gezielt an oder töten sie.
Unterdrückung durch den Clan oder Stamm
Die jemenitische Gesellschaft ist in erster Linie eine Stammesgesellschaft, in der die Zentralregierung oft nur eine untergeordnete Rolle einnimmt, wenn es um politische Entscheidungen geht. Die islamische Identität ist mit der ethnischen Identität verflochten und in vielen Gebieten setzen die Stammesältesten die Stammesgesetze und -bräuche durch. So ist es den Stammesmitgliedern verboten, den Stamm zu verlassen oder außerhalb des Stammes zu heiraten – erst recht keine Christen. Die Strafe für Zuwiderhandlung können Tod oder Verbannung sein.
Diktatorische Paranoia
In Jemen herrscht seit 2012 eine Diktatur. In der Bürgerkriegssituation ist der Überlebenstrieb der Kriegsparteien zwangsläufig stark. Die Huthi-Behörden ergreifen in den von ihnen kontrollierten Gebieten immer härtere Maßnahmen gegen diejenigen Einzelpersonen oder Vereinigungen, die sie als Bedrohung für ihre Herrschaft betrachten, was auch religiöse Minderheiten einschließt. Diese Entwicklung hat sich fortgesetzt.
Organisiertes Verbrechen und Korruption
Christen sind besonders gefährdet, Opfer von Verbrechen zu werden, da sie oft als Ausländer angesehen und mit dem Westen in Verbindung gebracht werden. Aufgrund des Fehlens von Rechtsstaatlichkeit sind sie weitgehend schutzlos und diejenigen, die Verbrechen gegen sie begehen, bleiben größtenteils straffrei.
Eine vollständige Übersicht aller im Land wirksamen Triebkräfte finden Sie im ungekürzten, englischen Länderprofil.
4. Welche Christen sind von Verfolgung betroffen?
Ausländische Christen und Arbeitsmigranten
Fast alle westlichen Arbeitskräfte haben das Land infolge des Krieges aus Sicherheitsgründen verlassen. Die eingewanderten Christen, die noch geblieben sind, sehen sich einer Kombination aus rassistisch motivierter Diskriminierung und Verletzungen ihrer Religionsfreiheit gegenüber – in Form von Schikanen, gesellschaftlicher Benachteiligung sowie Gewalt durch islamisch-extremistische Bewegungen. Da die Zahl der christlichen Migranten jedoch deutlich zurückgegangen ist und die christliche Gemeinde im Jemen nun hauptsächlich aus einheimischen Christen besteht, wird die Kategorie der ausländischen Christen in der Analyse des Weltverfolgungsindex derzeit nicht bewertet.
Christen anderer religiöser Herkunft (Konvertiten)
Mindestens 95 Prozent der jemenitischen Christen sind christliche Konvertiten muslimischer Herkunft. Sie sind im ganzen Land nach wie vor stark gefährdet. Dies ist zurückzuführen auf traditionelle Familien-, Gesellschafts- und Stammeswerte, auf die Straffreiheit, mit der islamisch-extremistische Gruppen agieren können, und auf die Weigerung staatlicher (oder de-facto-staatlicher) Behörden, jegliche Form von Abweichung zu tolerieren.
5. Wie erfahren Christen Druck und Gewalt?
Betroffene Lebensbereiche und Auftreten von Gewalt
Privatleben
Alle Jemeniten gelten als Muslime. Christliche Konvertiten muslimischer Herkunft stehen in der Gefahr, körperlicher Gewalt oder sogar einem Ehrenmord zum Opfer zu fallen, wenn ihre Familien oder ihr soziales Umfeld ihren Glauben entdecken. Ihren Glauben im privaten Raum auszuüben, ist besonders dort riskant geworden, wo extremistische Muslime die Kontrolle haben – und AQAP sowie der IS kontrollieren große Teile des Landes.
Familienleben
Da die jemenitische Gesellschaft streng muslimisch ist, gibt es einen enormen familiären Druck gegen einen Glaubenswechsel, da dieser als beschämend und beleidigend für die Familienehre angesehen wird. Alle christlichen Aktivitäten oder Feiern müssen geheim gehalten werden. Jemenitische Christen muslimischer Herkunft mit Kindern stehen unter starkem Druck vonseiten ihrer Verwandtschaft und der Gesellschaft, dafür zu sorgen, dass ihre Kinder nach islamischen Normen erzogen werden; und sollte der neue Glaube der Eltern entdeckt werden, besteht ein großes Risiko, dass sie das Sorgerecht verlieren. Familien, die einen Glaubenswechsel ablehnen, versuchen junge Konvertiten häufig dadurch zu „korrigieren“, dass sie eine Ehe mit einem konservativen muslimischen Ehepartner arrangieren. Eine Verweigerung dieser „Korrektur“ kann zu Freiheitsentzug, Ehrenmord durch Familienmitglieder oder einem Angriff einer militanten islamistischen Gruppe führen.
Gesellschaftliches Leben
Der anhaltende Bürgerkrieg und die daraus resultierende humanitäre Krise haben für die Christen im Jemen äußerst schwierige Bedingungen geschaffen. Konvertiten, deren Glaubenswechsel noch jung ist, werden unter Druck gesetzt, ihren christlichen Glauben zu widerrufen, wenn er entdeckt wird. Die Weigerung führt im besten Fall zu Freiheitsentzug oder Gewalt, im schlimmsten Fall zur Tötung. Gesellschaftlicher Druck tritt vor allem in den Dörfern auf, wo die religiösen Leiter stärker ins Familienleben involviert sind und es weniger Privatsphäre gibt. Christliche Konvertiten, die ihren Glauben verbergen, gelten als weniger fromme Muslime, weil sie nicht (oder seltener) in die Moschee gehen. Infolgedessen werden sie bei der Verteilung von Nahrungsmitteln und Hilfsgütern benachteiligt.
Leben im Staat
Nach dem jemenitischen Strafgesetzbuch ist der Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion ein Glaubensabfall (Apostasie) – und damit eine schwere Straftat. Wenn Führungskräfte den Verdacht haben, dass ein Mitarbeiter Christ ist, ist es für ihn praktisch unmöglich, eine Beförderung zu erhalten. Bei Verbrechen gegen Christen, einschließlich sogenannter „Ehrenverbrechen“, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Täter angesichts der schwachen Rechtsstaatlichkeit in weiten Teilen des Jemen ungestraft davonkommen. Im weitverbreiteten System der Stammesjustiz wird erwartet, dass das Familienoberhaupt die Bestrafung ausführt. In Gebieten, in denen es eine offizielle Regierung gibt, ist es sehr wahrscheinlich, dass islamische Prinzipien angewendet werden, die Christen muslimischer Herkunft stark benachteiligen.
Kirchliches Leben
Die drei offiziellen Kirchengebäude in Aden, die ausländischen christlichen Arbeitsmigranten oder Geflüchteten (hauptsächlich äthiopischen Christen) dienten, wurden im Krieg beschädigt und sind geschlossen. Christen können sich nur an geheimen Orten treffen. Die Verteilung von nicht islamischem religiösem Material ist gesetzlich verboten und wird streng bestraft. Kirchen, die humanitäre Hilfsaktionen organisieren, laufen Gefahr, angegriffen zu werden.
Beispiele für Auftreten von Gewalt
Aus Sicherheitsgründen können keine Details veröffentlicht werden.
6. Entwicklung in den letzten 5 Jahren
Jahr | Platzierung | Punktzahl |
2024 | 5 | 89 |
2023 | 3 | 89 |
2022 | 5 | 88 |
2021 | 7 | 87 |
2020 | 8 | 85 |
Die Gesamtpunktzahl für den Jemen bleibt mit 89 Punkten mehr oder weniger unverändert. In allen fünf Lebensbereichen erreicht der Druck die maximale Wertung oder ist nahe daran. Der Wert für Gewalt blieb mit 5,9 Punkten gleich hoch. Die christlichen Konvertiten, die im Jemen die Mehrheit in der Gemeinde ausmachen und ihren Glauben im Verborgenen leben müssen, erleben Verfolgung und Diskriminierung durch ihre Familien, islamisch-extremistische Gruppen und die Behörden (sowohl durch die offiziellen Behörden als auch durch Huthi-Rebellen, die in einem Drittel des Landes als lokale Behörden fungieren).
7. Sind Frauen und Männer unterschiedlich von Verfolgung betroffen?
Frauen
Im patriarchalischen, islamischen Kontext des Jemen gilt die Hinwendung einer Frau zum christlichen Glauben als Schande für ihre Familie. In der Regel wird christlichen Konvertitinnen ihr Mobiltelefon abgenommen, und sie werden zu Hause isoliert. Um für den Stamm oder die Familie „die Ehre wiederherzustellen“, werden sie mitunter körperlich und seelisch misshandelt, vergewaltigt und sogar getötet. Oder sie werden mit einem strenggläubigen Muslim zwangsverheiratet – ebenfalls eine gängige vermeintliche Lösung, um eine junge Konvertitin wieder auf Linie zu bringen. Aufgrund der strengen Überwachung durch die Familie haben Frauen nur begrenzten Zugang zu Informationen über den christlichen Glauben, was dazu führt, dass weniger Frauen Christen werden.
Männer
Im Allgemeinen ist das Leben im Jemen aufgrund des andauernden Kriegs und fehlender Religionsfreiheit für die christliche Minderheit sehr schwierig. Christliche Männer und Jungen werden mitunter gezwungen, sich den Milizen anzuschließen. Wenn sie so in den Krieg hineingezogen werden, wirkt sich das auf ihre Bildung und ihre Zukunft aus: nicht nur wegen der Lebenszeit, die ihnen genommen wird, sondern auch wegen des streng kontrollierten islamischen Umfelds, in dem das Kampftraining stattfindet. Männliche christliche Konvertiten sind vor allem öffentlichem Druck ausgesetzt: Sie riskieren, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, geschlagen oder gefangen gehalten zu werden. Deshalb fliehen viele christliche Männer aus dem Land.
8. Verfolgung anderer religiöser Gruppen
Andere religiöse Minderheiten im Jemen, deren Rechte verletzt werden, sind Bahai und Juden. Extremistische Muslime betrachten Bahai als Ungläubige, weshalb sie diskriminiert und unter Umständen inhaftiert und gefoltert werden, meist von den Huthi-Behörden; außerdem werden sie unter Druck gesetzt, ihrem Glauben abzuschwören. Die winzige jüdische Gemeinde, die vor allem in der Hauptstadt lebt, wird von den Huthi-Rebellen als Feind betrachtet. Die Huthis schränken außerdem die Freiheit der sunnitischen Muslime ein.
9. Gebetsanliegen
Bitte beten Sie für den Jemen:
- Beten Sie um Frieden, um Stabilität und Versorgung für die von Hunger, Krankheit und Krieg ausgezehrten Menschen.
- Beten Sie für die verborgenen Christen im Jemen, die aufgrund ihres Glaubens in ständiger Gefahr leben. Bitten Sie Jesus darum, ihnen Mut, Weisheit und Unerschrockenheit zu schenken, sodass sie wissen, wie sie am besten das Evangelium leben. Bitten Sie Jesus darum, Christen in diesem vom Krieg zerstörten Land Trost und Hoffnung zu bringen.
- Vor allem Frauen werden von der Familie streng überwacht und haben nur begrenzten Zugang zu Informationen über den christlichen Glauben. Beten Sie für alle Menschen im Jemen, die heimlich nach der Wahrheit suchen. Beten Sie dafür, dass sie die richtigen Kanäle finden, um Jesus kennenzulernen und in ihm Frieden mit Gott zu finden.