Weltverfolgungsindex 2025

Kasachstan

Christenverfolgung in Kasachstan

Berichtszeitraum: 1. Oktober 2023 – 30. September 2024

1. Überblick

Die Religionsfreiheit in Kasachstan wird durch ein im September 2011 eingeführtes Gesetz eingeschränkt. Unter dem Vorwand der Bedrohung durch den militanten Islam kontrolliert die kasachische Regierung streng die Gesellschaft. Dazu bedient sie sich enger Überwachung, Razzien bei Versammlungen und Verhaftungen. Russisch-orthodoxe Kirchen bekommen von der Regierung die wenigsten Probleme, da sie normalerweise nicht versuchen, Kontakte zur kasachischen Bevölkerung aufzubauen. Die einheimischen christlichen Konvertiten mit muslimischem Hintergrund tragen die Hauptlast der Verfolgung durch den Staat, die Familie und ihr soziales Umfeld. Manche dieser Konvertiten werden von ihren Familien für lange Zeit eingesperrt, geschlagen oder aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Örtliche Imame wenden sich in ihren Predigten gegen sie.

Länderprofil als PDF

Das nachfolgende Länderprofil ist ein übersetzter Auszug aus den ausführlichen Berichten von World Watch Research, der Forschungsabteilung von Open Doors. Dieses deutsche Länderprofil finden Sie hier auch als PDF zum Download. Die ausführlichen Berichte in englischer Originalfassung („Background Information“ und „Persecution Dynamics“) finden Sie am Ende dieser Seite.

Länderprofil als PDF

2. Hintergrund

Die ehemalige Sowjetrepublik Kasachstan erlangte 1991 ihre Unabhängigkeit und ist das reichste Land der Region. Seit 2010 zeigt die Regierung zunehmend autokratische Züge. Diese sind gekennzeichnet von einer repressiven Politik ohne echte Opposition und einer strengen Medienkontrolle. Seit dem Amtsantritt durch Präsident Qassym-Schomart Toqajew im Jahr 2019 hat sich die Lage nicht verbessert. Wie erwartet wurde Toqajew im Jahr 2022 als Präsident wiedergewählt und gewann mit seiner Partei „Amanat“ im Jahr 2023 auch die Parlamentswahlen. Internationale Beobachter kritisierten, den Wahlen fehle es mangels echter politischer Alternativen an „Wettbewerbscharakter“, und wiesen auf die Notwendigkeit von Reformen in dem zentralasiatischen Land hin.

Die Hauptreligion ist der sunnitische Islam. Von Kasachen wird erwartet, dass sie Muslime sind. Dies erschwert das Leben von christlichen Konvertiten muslimischer Herkunft, besonders in ländlichen Gebieten. Es wäre jedoch falsch, Kasachstan als muslimisches Land zu bezeichnen. Die meisten Kasachen folgen eher den Traditionen als den Lehren des Islam, und 70 Jahre sowjetischer Atheismus haben ihre Spuren hinterlassen: Die Regierung ist strikt säkular. In seinem Bericht zur internationalen Religionsfreiheit stellt das US-Außenministerium 2023 im Hinblick auf Kasachstan fest: „Gemäß der Verfassung haben alle Menschen das Recht, religiösen oder anderen Überzeugungen zu folgen, an religiösen Aktivitäten teilzunehmen und ihre Überzeugungen zu vertreten. De facto sind diese Rechte jedoch auf registrierte religiöse Gruppen beschränkt, insbesondere auf solche, die in der kasachischen Gesellschaft als ‚traditionell‘ gelten. Allerdings ist nicht gesetzlich definiert, welche Gruppen zu dieser Kategorie gehören, in der Regel sind damit aber Gruppen gemeint, die dem sunnitischen Islam der Hanafiten, dem Judentum oder der russisch-orthodoxen, griechisch-orthodoxen, römisch-katholischen oder lutherischen Kirche angehören.“

Laut der World Christian Database waren im Jahr 2024 die größten offiziellen Denominationen in Kasachstan die russisch-orthodoxe Kirche (ROK), die ukrainisch-orthodoxe Kirche und die römisch-katholische Kirche. Die überwiegende Mehrheit der Christen in Kasachstan sind ethnische Russen und Ukrainer. Sie leben hauptsächlich im Norden des Landes. In der Politik Kasachstans spielen Christen aber keine Rolle.

Die im September 2011 eingeführte Gesetzgebung zu religiösen Angelegenheiten sieht unter anderem vor, dass sich Religionsgemeinschaften neu registrieren müssen, dass nicht registrierte religiöse Aktivitäten verboten sind, dass die Herstellung und Verbreitung von religiösem Material im Land eingeschränkt sind und dass religiöse Aktivitäten für Kinder, wie etwa Sommerlager, verboten sind. Von dieser Gesetzgebung betroffen sind insbesondere protestantische Christen und Freikirchen. Die Behörden führen Razzien in Gottesdiensten durch, bestrafen Äußerungen, die „religiösen Unfrieden stiften“, und nehmen Personen wegen „illegaler Missionstätigkeit“ fest. Im Januar 2022 wurde das Religionsgesetz novelliert. Damit wurde die staatliche Religionszensur ausgeweitet und das Abhalten religiöser Versammlungen außerhalb staatlich registrierter Gotteshäuser erschwert.

Weltanschauungen

Anhänger

%

Christen

5.031.000

25,4

Muslime

13.935.000

70,3

Hindus

970

< 0,1

Buddhisten

23.100

0,1

Anhänger ethnischer Religionen

31.900

0,2

Juden

5.500

< 0,1

Bahai

9.900

< 0,1

Atheisten

92.200

0,5

Agnostiker

684.000

3,4

Andere

14.970

0,1

3. Gibt es regionale Unterschiede?

Überall im Land verletzen Regierungsbeamte die Religionsfreiheit von Christen. Der Druck von Familie, Freunden und dem sozialen Umfeld auf christliche Konvertiten ist außerhalb der städtischen Gebiete stärker.

4. Was sind die stärksten Triebkräfte der Verfolgung?

Diktatorische Paranoia

Nur staatlich kontrollierte religiöse Institutionen sind erlaubt. Die Behörden führen Razzien durch und verhaften Mitglieder nicht registrierter religiöser Gruppen. Davon betroffen sind insbesondere protestantische Christen, da sie als „fremder Einfluss“ betrachtet werden, der darauf abziele, das aktuelle politische System zu zerstören.

Islamische Unterdrückung, gemischt mit Unterdrückung durch den Clan oder Stamm

Christliche Konvertiten mit muslimischem Hintergrund sind häufig dem Druck und manchmal der Gewalt ihrer Familien und ihres sozialen Umfelds ausgesetzt. Sie werden teilweise unter Hausarrest gestellt oder aus ihren Wohnungen vertrieben. Clanführer (mit Unterstützung der Behörden) betrachten die Hinwendung zum christlichen Glauben als einen Angriff auf die kasachische Identität. Daher halten viele Konvertiten muslimischer Herkunft ihren neuen Glauben geheim.

Eine vollständige Übersicht aller im Land wirksamen Triebkräfte finden Sie im ungekürzten, englischen Dokument „Persecution Dynamics“.

5. Welche Christen sind von Verfolgung betroffen?

Christen aus traditionellen Kirchen

Die ROK genießt relative Freiheit, da ihre Gemeinden das Evangelium nicht an Kasachen weitergeben und daher nicht als Bedrohung angesehen werden. Darüber hinaus hat die Regierung Kasachstans kein Interesse daran, Russland durch ein Vorgehen gegen die ROK zu provozieren.

Christen anderer religiöser Herkunft (Konvertiten)

Die Regierung legt christlichen Konvertiten muslimischer Herkunft Einschränkungen auf, und die Familie und das soziale Umfeld üben starken Druck auf sie aus.

Christen aus protestantischen Freikirchen

Baptistische, evangelikale und pfingstkirchliche Gemeinden sind nicht registriert, und die Behörden gehen mit Razzien, Drohungen, Inhaftierungen und Geldstrafen gegen sie vor, besonders wenn sie das Evangelium weitergeben.

6. Wie erfahren Christen Druck und Gewalt?

Betroffene Lebensbereiche und Auftreten von Gewalt

Die Summe der Wertungen aller sechs Bereiche (die maximale Punktzahl beträgt jeweils 16,7) ergibt die Gesamtpunktzahl und somit die Platzierung auf dem Weltverfolgungsindex. Das Verfolgungsmuster zeigt das Ausmaß von Druck und Gewalt, welche durch das Zusammenwirken der Triebkräfte hervorgerufen werden.

Privatleben 13.3
Familienleben 11.6
Gesellschaftliches Leben 12.2
Leben im Staat 12.8
Kirchliches Leben 14.2
Auftreten von Gewalt 4.3

Privatleben

Die Hinwendung zum christlichen Glauben wird als Verrat an der Familie und der kasachischen Kultur angesehen. In ländlichen Gebieten erleiden christliche Konvertiten muslimischer Herkunft oft körperliche Gewalt. Daher sprechen sie häufig nicht über ihren neuen Glauben. Christliche Materialien, die als Beweis für ihren Glaubenswechsel gegen sie verwendet werden könnten, halten sie versteckt. Christen aus protestantischen Freikirchen werden häufig von den staatlichen Behörden beschuldigt, Evangelisation zu betreiben.

Familienleben

Kinder von Christen werden aufgrund des Glaubens ihrer Eltern diskriminiert; muslimische Kinder werden oft dazu angehalten, sich nicht mit ihnen zu treffen. Kinder von Christen werden auch manchmal unter Druck gesetzt, gegen den Willen ihrer Eltern am Islamunterricht teilzunehmen. Regelmäßig veranstalten die Schulen staatlich finanzierte öffentliche Zusammenkünfte zur Bekämpfung von „Sekten“. Dabei wird Propaganda gegen religiöse Minderheiten verbreitet, einschließlich gegen evangelikale Christen. Offiziell ist die Teilnahme an diesen Veranstaltungen freiwillig, allerdings werden alle Kinder nachdrücklich zur Teilnahme aufgefordert. Die Adoption von kasachischen Kindern ist für christliche Familien verboten.

Gesellschaftliches Leben

Christliche Konvertiten muslimischer Herkunft werden von ihren Familien oder dem sozialen Umfeld überwacht, verhört und bedroht. Die Behörden vor Ort überwachen nicht registrierte Kirchen und führen Razzien durch. Ihre Mitglieder können wegen illegaler religiöser Aktivitäten bedroht, mit Geldstrafen belegt oder inhaftiert werden. Wenn Christen einmal im Strafregister verzeichnet sind, müssen sie sich regelmäßig bei der Polizei melden.

Leben im Staat

Die Verfassung erkennt den staatlich unterstützten Muslimrat und die ROK an – alle anderen Religionsgemeinschaften müssen sich gemäß dem Gesetz von 2011 neu registrieren lassen. Doch der Registrierungsprozess ist kompliziert. Damit werden für nicht traditionelle religiöse Organisationen die Möglichkeiten eingeschränkt, auf einer offiziellen Grundlage zu arbeiten.

Kirchliches Leben

Religiöse Schulen und Nichtregierungsorganisationen sind nicht zugelassen. Jegliche soziale Arbeit, die von Christen geleistet wird, wird als eine Form von Missionierung angesehen und bekämpft. Der Druck und die Verteilung von religiöser Literatur sind eingeschränkt.

Beispiele für das Auftreten von Gewalt

Im Frühjahr 2024 erfasste eine Welle von Polizeirazzien, Verhaftungen und Geldstrafen die baptistischen Gemeinden im Süden Kasachstans. Wie die Menschenrechtsorganisation „Forum 18“ berichtet, traumatisierte die Aktion die Baptisten und weckte Sorgen um die Zukunft der Religionsfreiheit im Land.

7. Entwicklung in den letzten 5 Jahren

Jahr

Platzierung

Punktzahl

2025

38

68

2024

47

65

2023

48

65

2022

47

64

2021

41

64

Kasachstan kommt auf dem Weltverfolgungsindex 2025 auf eine Gesamtpunktzahl von 68 Punkten. Gegenüber dem Vorjahr entspricht das einem Zuwachs von drei Punkten. Dieser Anstieg ist in erster Linie auf eine höhere Punktzahl im Bereich der Gewalt zurückzuführen. Die Werte für die Bereiche des kirchlichen und familiären Lebens sind leicht gesunken, während der Wert für den Bereich des gesellschaftlichen Lebens leicht angestiegen ist und die Werte für die Bereiche des Lebens im Staat und des Privatlebens gleich geblieben sind.

8. Sind Frauen und Männer unterschiedlich von Verfolgung betroffen?

Frauen

Nach kasachischem Recht sind Männer und Frauen gleichberechtigt. In der Praxis überwiegen jedoch traditionelle Ansichten, welche die Frauen als den Männern untergeordnet betrachten. Es gibt nur wenige wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt, Polygamie, Kinder- und Zwangsehen, Brautentführungen und der weitverbreiteten häuslichen Gewalt. Christliche Konvertitinnen muslimischer Herkunft sind in höherem Maße körperlichen und verbalen Misshandlungen, Belästigungen, Drohungen und Hausarrest ausgesetzt; auch die Zwangsheirat mit einem Muslim ist nicht ausgeschlossen, manchmal in Verbindung mit einer Entführung. Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit und der begrenzten finanziellen Unabhängigkeit ist es für Frauen schwierig, dem Druck und der Verfolgung zu entkommen.

Männer

Männer haben in der Regel mehr Verantwortung im öffentlichen Bereich. Die religiöse Verfolgung, die Männer erfahren, spiegelt diese soziokulturelle Struktur wider. Männliche Christen riskieren Verhöre, Bußgelder, Festnahmen und Haftstrafen. Der Militärdienst ist für junge Männer obligatorisch und für Christen eine zusätzliche potenzielle Quelle für Verfolgung, da es sich um ein stark kontrolliertes und mehrheitlich muslimisches Umfeld handelt. Männliche christliche Konvertiten muslimischer Herkunft sind dem Druck durch ihre Familien ausgesetzt, was in der Regel verbale Belästigungen und körperliche Gewalt bedeutet. Auch der Verlust des Arbeitsplatzes ist ein Risiko für Christen muslimischer Herkunft und Gemeindeleiter, mit Auswirkungen auch auf ihre Familien.

9. Verfolgung anderer religiöser Gruppen

Der kasachischen Verfassung nach ist Kasachstan ein säkularer Staat. Die Behörden schränken „nicht traditionelle“ religiöse Gruppen ein, darunter auch Muslime, die einer anderen Richtung des Islam folgen als der offiziell anerkannten Hanafi-Schule des sunnitischen Islam. Gemäß der US-Kommission für internationale Religionsfreiheit „bezeichnet die Verfassung Kasachstan zwar als säkularen Staat, erkennt aber auch bestimmte Religionen – wie den sunnitischen Islam der Hanafiten und die russisch-orthodoxe Kirche – als ‚traditionell‘ in Kasachstan an. Dagegen betrachtet die Regierung andere religiöse Gruppen und diejenigen als nicht traditionell, die einer Auslegung folgen, welche von traditionellen Religionen abweicht, insbesondere vom Islam. Es ist wahrscheinlich, dass die Behörden solche Gruppen und deren Mitglieder im Zusammenhang mit ihren religiösen Aktivitäten ins Visier nehmen.“

Im Bericht zur internationalen Religionsfreiheit für 2023 schreibt das US-Außenministerium: „Zeugen Jehovas gaben an, dass die Behörden bei drei Gelegenheiten religiöse Versammlungen, die in gemieteten Räumlichkeiten stattfanden, unterbrachen. Religiöse Minderheiten und deren Mitglieder, die als ‚nicht traditionell‘ gelten, wurden stärker von der Gesellschaft beobachtet und diskriminiert.“

10. Gebetsanliegen

Bitte beten Sie für Kasachstan:

  • Beten Sie, dass die Christen trotz Religionszensur und Einschränkungen von Gemeindeveranstaltungen weiterhin Wege finden, um geistliche Gemeinschaft zu pflegen und sich gegenseitig zu ermutigen.
  • Beten Sie für die Christen muslimischer Herkunft, dass sie trotz des Drucks in ihrem Umfeld an Jesus festhalten und das Evangelium verkünden.
  • Beten Sie für die kasachischen Behörden, dass sie die guten Absichten der Christen erkennen und ihnen mehr Freiheit geben, ihren Glauben zu praktizieren.

Kasachstan: Weitere Informationen