Weltverfolgungsindex 2025

Türkei

Christenverfolgung in der Türkei

Berichtszeitraum: 1. Oktober 2023 – 30. September 2024

1. Überblick

Nationalismus und Islam sind in der Türkei untrennbar miteinander verbunden. Wer kein Muslim ist oder sich sogar vom Islam abgewandt hat, oder wer einen abweichenden Glauben offen praktiziert, wird nicht als loyaler Türke betrachtet. Die Regierung hat begonnen, ausländische (westliche) Christen ins Visier zu nehmen und sie – auch wenn sie türkische Ehepartner und Kinder haben – des Landes zu verweisen.

Die Konversion vom Islam zum christlichen Glauben ist nicht illegal, aber Konvertiten werden von ihren Familien und ihrem sozialen Umfeld unter Druck gesetzt, zum Islam zurückzukehren, was bis zur Androhung von Scheidung und Verlust des Erbrechts gehen kann. Manche Christen sehen sich daher gezwungen, ein Doppelleben zu führen und ihren Glaubenswechsel zu verbergen.

Alle von Verfolgung betroffenen Gruppen von Christen haben nur begrenzten Zugang zu Arbeitsstellen im öffentlichen Sektor und werden in der Privatwirtschaft vor allem dann diskriminiert, wenn die Arbeitgeber Verbindungen zur Regierung unterhalten. Da die Religionszugehörigkeit immer noch in den Personalausweisen vermerkt wird (heutzutage auf einem elektronischen Chip), ist es ein Leichtes, Christen im Bewerbungsprozess zu benachteiligen.

Länderprofil als PDF

Das nachfolgende Länderprofil ist ein übersetzter Auszug aus den ausführlichen Berichten von World Watch Research, der Forschungsabteilung von Open Doors. Dieses deutsche Länderprofil finden Sie hier auch als PDF zum Download. Die ausführlichen Berichte in englischer Originalfassung („Background Information“ und „Persecution Dynamics“) finden Sie am Ende dieser Seite.

Länderprofil als PDF

2. Hintergrund

Die Türkei ist eine Präsidialrepublik unter der derzeitigen Führung von Recep Tayyip Erdogan. Nach der türkischen Gesetzgebung, die auf dem Lausanner Vertrag aus dem Jahr 1923 beruht, werden nur vier Religionsgemeinschaften anerkannt: Der sunnitische Islam, die griechisch-orthodoxe Kirche, die armenische apostolische Kirche und das Judentum. Die Religionszugehörigkeit eines Bürgers wird in amtlichen Dokumenten festgehalten. Zwar geschieht dies seit 2017 auf den neuen Personalausweisen nicht mehr in Form eines schriftlichen Eintrags, jedoch wird sie nach wie vor registriert – nämlich elektronisch, auf dem Chip des Personalausweises. Außerdem ist es üblich, dass Regierungsbeamte nach der Religionszugehörigkeit einer Person fragen.

Die türkische Gesetzgebung untersagt die Ausbildung von Pastoren und Geistlichen in privaten Bildungseinrichtungen. Die Ausbildungsstätten der griechisch-orthodoxen Kirche sowie der armenischen apostolischen Kirche wurden in den 1970er- und 1980er-Jahren geschlossen und seitdem nicht mehr eröffnet. Doch unter den Garantien des Lausanner Vertrags erhalten diese beiden Kirchen vom Bildungsministerium eine Zulassung, um kirchliche Grundschulen weiterzubetreiben. Die katholische und die evangelische Kirche können die katechetische Ausbildung ihrer Kinder in den Räumlichkeiten der Kirche durchführen, verfügen jedoch nicht über offizielle Einrichtungen.

Offiziell ist die Türkei seit Atatürks Reformen Anfang des 20. Jahrhunderts ein säkularer Staat. Doch das Land islamisiert sich unter dem nationalistisch orientierten Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zunehmend, insbesondere seit dem gescheiterten Putschversuch von 2016. Der aktuelle Länderbericht der Hilfsorganisation Middle East Concern stellt fest: „Ein Gründungsprinzip des modernen türkischen Staates ist die Trennung von Staat und Religion. Gleichzeitig kontrolliert der Staat de facto das religiöse Leben und fördert aktiv die hanafitische Rechtsschule des sunnitischen Islam. Dies geschieht im In- und Ausland und das Diyanet (Präsidium für Religionsangelegenheiten) ist dafür der entscheidende staatliche Akteur. Die Verfassung bekräftigt den Grundsatz der Nichtdiskriminierung, auch aufgrund der Religion, und garantiert die freie Ausübung von Gottesdiensten und religiösen Riten, einschließlich der Freiheit von religiösem Zwang – vorausgesetzt, die ausgeübten religiösen Praktiken untergraben nicht die Grundrechte anderer.“ Der Wechsel zum christlichen Glauben ist zwar nicht gesetzlich verboten, gilt jedoch allgemein als nicht hinnehmbar. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass eine Konversion vom Islam zum christlichen Glauben oder von einer christlichen Konfession zur anderen soziale und familiäre Konsequenzen nach sich ziehen wird.

Nach dem Putschversuch im Juli 2016 nahm die Regierung mehr und mehr autokratische Züge an. Sowohl der Nationalismus als auch die Islamisierung nehmen zu. Der Kampf gegen die militanten Gruppen unter der kurdischen Minderheit verschärft sich. Auf der internationalen Bühne nimmt die Türkei eine wesentlich selbstbewusstere Haltung ein. Sie ist in den Nachbarländern Syrien und Irak militärisch aktiv, wobei sie vor allem kurdische Kräfte ins Visier nimmt.

Der Erwerb von Räumlichkeiten zur kirchlichen Nutzung kann sich als schwierig erweisen, da nach türkischem Recht nur bestimmte Gebäude als Kirchen genutzt werden können – und ob die Genehmigung dazu erteilt wird, hängt von der persönlichen Neigung des Bürgermeisters und der Haltung der örtlichen Bevölkerung ab. Nichtmuslime sind stillschweigend von einer Anstellung in der staatlichen Verwaltung und den Sicherheitskräften ausgeschlossen. Sie berichten, dass bei der Einberufung zum Militärdienst ihre Religionszugehörigkeit vom Vorgesetzten vermerkt wird und sie sich zudem einer „Sicherheitsüberprüfung“ unterziehen müssen.

Weltanschauungen

Anhänger

%

Christen

257.000

0,3

Muslime

84.548.000

98,0

Hindus

910

< 0,1

Buddhisten

44.400

0,1

Anhänger ethnischer Religionen

14.600

< 0,1

Juden

20.800

< 0,1

Bahai

25.400

< 0,1

Atheisten

91.100

0,1

Agnostiker

1.089.000

1,3

Andere

169.000

0,2

3. Gibt es regionale Unterschiede?

Traditionelle christliche Gruppen wie die armenische Kirche oder die assyrische Kirche sind im Südosten der Türkei hohem Druck und Feindseligkeiten ausgesetzt. Seit Jahrzehnten sind sie Opfer eines andauernden Konflikts zwischen der türkischen Armee und kurdisch-nationalistischen Gruppen. Die meisten türkischen christlichen Gemeinden gibt es in den Städten an der Westküste, einschließlich Istanbul. Diese Städte sind in der Regel gemäßigter und säkularer. Die Gebiete im Landesinneren dagegen sind eher konservativ und islamisch geprägt und die dortige Gesellschaft feindlich gegenüber Christen und christlichen Konvertiten eingestellt.

4. Was sind die stärksten Triebkräfte der Verfolgung?

Islamische Unterdrückung

Der starke und oftmals fanatische Nationalismus beeinträchtigt alle ethnischen Minderheiten in der Türkei. Ein Glaubenswechsel vom Islam zum christlichen Glauben wird als Beleidigung der Familie und der Nation angesehen; Konvertiten werden schikaniert und von Familie und Gesellschaft sowie im Geschäftsleben ausgegrenzt. Allgemein herrscht die Meinung, dass ein wahrer Türke ein Muslim ist. Und so wird eine Hinwendung zum christlichen Glauben nicht nur als Verletzung der Familienehre, sondern auch als „Beleidigung des Türkentums“ verstanden. Einige christliche Konvertiten werden sogar von extremistischen nationalistischen Islamisten mit Gewalt bedroht. Auch ethnische Minderheiten (wie zum Beispiel Griechen, Armenier und Assyrer) sind in ähnlicher Weise gesellschaftlichem Druck und Gewalt ausgesetzt und sehen sich mit rechtlichen Problemen und wirtschaftlicher Ausgrenzung konfrontiert.

Ethnisch-religiöse Feindseligkeit

Diese Triebkraft hat sich im Zusammenhang mit dem Kurdenkonflikt verstärkt. Assyrische Christen in der südöstlichen Türkei leiden besonders unter dem Druck des Bürgerkrieges in Syrien; sie werden von allen Seiten bedrängt – von kurdischen Clans, der Regierung und der militanten „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK). Stammesführer nutzen ihre Macht, um assyrische Christen aus ihrer Heimat in der Südosttürkei zu vertreiben.

Unterdrückung durch den Clan oder Stamm

Nach wie vor spielen Stammesrecht und -bräuche eine wichtige Rolle, insbesondere in den östlichen Provinzen der Türkei. Dort droht Konvertiten noch härtere Verfolgung, da die Hinwendung zum christlichen Glauben nicht nur als Verrat am Islam, sondern auch an der Familie und dem Clan angesehen wird.

Diktatorische Paranoia

Seit dem gescheiterten Putsch vom Juli 2016 geht die Regierung von Präsident Erdogan hart gegen die Opposition vor, verhält sich zunehmend antidemokratisch und schränkt unverblümt die Freiheit in der gesamten türkischen Gesellschaft ein. Die Medien werden eingeschränkt und Journalisten inhaftiert, weil, wie Präsident Erdogan behauptete, „Demokratie und Pressefreiheit unvereinbar sind“.

Eine vollständige Übersicht aller im Land wirksamen Triebkräfte finden Sie im ungekürzten, englischen Dokument „Persecution Dynamics“.

5. Welche Christen sind von Verfolgung betroffen?

Christen aus traditionellen Kirchen

Zu den traditionellen Kirchen gehören die beiden Kirchen, die als einzige im Lausanner Vertrag von 1923 anerkannt werden: die armenische apostolische Kirche und die griechisch-orthodoxe Kirche. Darüber hinaus zählen zu den traditionellen Kirchen auch die assyrische Kirche, die syrisch-orthodoxe Kirche sowie die syrisch-katholische Kirche. Diese Kirchen unterliegen ständiger Überwachung, Kontrollen und Beschränkungen durch die Regierung. Zwar hat Präsident Erdogan im Oktober 2023 eine neue syrisch-orthodoxe Kirche eingeweiht – seit der Gründung der türkischen Republik die erste Kirche, die mit offizieller Unterstützung der Regierung gebaut wurde. Gleichzeitig aber werden Mitglieder der traditionellen Kirchen in vielen offiziellen Angelegenheiten als „fremd“ betrachtet, sie stoßen auf rechtliche und bürokratische Hindernisse und erfahren Schikanen von Polizisten und sozialem Umfeld. So benötigen beispielsweise die armenische apostolische Kirche und die griechisch-orthodoxe Kirche die Erlaubnis der türkischen Regierung, um eine neue Kirchenleitung wählen zu können.

Christen anderer religiöser Herkunft (Konvertiten)

Die am stärksten verfolgten Christen in der Türkei sind ehemalige Muslime, die sich vom Islam abgewandt und den christlichen Glauben angenommen haben. Der Druck kommt von der Familie, dem sozialen Umfeld und sogar von lokalen Behörden. Christliche Konvertiten gelten als Verräter der türkischen Identität.

Christen aus protestantischen Freikirchen

Zu den protestantischen Freikirchen gehören Baptisten- und Pfingstgemeinden. Auch die Gemeinden christlicher Konvertiten zählen dazu. Diese Kirchen und Gemeinden bestehen meist aus kleinen Gruppen. Sie treffen sich in Privatwohnungen, was zu Widerständen in der Nachbarschaft führen kann. Eine neue, wachsende Gruppe von Christen in der Türkei besteht aus Christen, die aus Nachbarländern wie dem Iran geflohen sind. Sie sind in hohem Maße sozialen Anfeindungen ausgesetzt, in erster Linie wegen ihres Flüchtlingsstatus, doch ihr Glaube macht sie in zusätzlicher Weise angreifbar.

6. Wie erfahren Christen Druck und Gewalt?

Betroffene Lebensbereiche und Auftreten von Gewalt

Die Summe der Wertungen aller sechs Bereiche (die maximale Punktzahl beträgt jeweils 16,7) ergibt die Gesamtpunktzahl und somit die Platzierung auf dem Weltverfolgungsindex. Das Verfolgungsmuster zeigt das Ausmaß von Druck und Gewalt, welche durch das Zusammenwirken der Triebkräfte hervorgerufen werden.

Privatleben 13
Familienleben 11.7
Gesellschaftliches Leben 11.7
Leben im Staat 13.2
Kirchliches Leben 11.5
Auftreten von Gewalt 5.4

Privatleben

Das öffentliche Bekenntnis zu nicht muslimischen Glaubensrichtungen kann zu Schikanen führen. Das Zeigen oder Tragen christlicher Symbole ruft unter Umständen Feindseligkeit und physische Gewalt hervor. Christen der traditionellen Kirchen werden in sozialer und wirtschaftlicher Sicht von der türkischen Gesellschaft ausgeschlossen. Wenn ihr neuer Glaube bekannt wird, können Christen muslimischer Herkunft ihre Arbeit verlieren, sind Belästigungen von Familie und Freunden ausgesetzt oder erhalten Drohungen.

Familienleben

Kinder von christlichen Konvertiten werden oft schikaniert und gemobbt, weil ihre Familien als Verräter des islamischen Glaubens und der Nation angesehen werden. Kinder, deren Eltern entweder Ausländer sind oder einer der traditionellen christlichen Kirchen angehören, werden ebenso als „Feinde der Türkei“ angesehen, da sie als Teil des „christlichen Westens“ betrachtet werden.

Der türkische Lehrplan ist stark vom türkischen Nationalismus geprägt und stellt den christlichen Glauben als fremd und feindlich gegenüber der türkischen Gesellschaft dar.

Anträge auf eigene christliche Friedhöfe wurden in mehreren Teilen des Landes abgelehnt. Dies ist problematisch, weil in diesen Landesteilen dann Christen nur nach christlichem Brauch bestattet werden können, wenn dies in Friedhofsbereichen geschieht, die sie mit allen Nichtmuslimen teilen. Anderenfalls müssen sie auf dem nächstgelegenen traditionellen christlichen Friedhof beerdigt werden, der mitunter mehr als 500 Kilometer entfernt liegen kann.

Gesellschaftliches Leben

Christen haben kaum Zugang zu Arbeitsstellen im öffentlichen Sektor und werden in der Privatwirtschaft diskriminiert. Der Islamunterricht ist obligatorisch – nicht muslimische Kinder können sich zwar gegen eine Teilnahme entscheiden, müssen aber damit rechnen, dass sie daraufhin von Lehrern und Mitschülern ausgegrenzt und diskriminiert werden. Die Medien stehen unter starkem Einfluss des Staates und unter dessen nationalistischem Druck. Immer wieder werden nicht muslimische Minderheiten in den Medien angegriffen. So werden Christen in Zeitungen und Fernsehen regelmäßig diskriminiert und zum Sündenbock gemacht – einerseits geschieht dies, um Christen zum Schweigen zu bringen, und andererseits, um tolerantere Türken einzuschüchtern.

Leben im Staat

Für Christen ist der Zugang zu Anstellungen im öffentlichen Sektor stark eingeschränkt und ihre sozialen und wirtschaftlichen Chancen sind erheblich gemindert. Artikel 301 des türkischen Strafgesetzbuches besagt Folgendes: „Wer die türkische Nation, die Republik oder die Große Nationalversammlung der Türkei öffentlich verunglimpft, wird mit Gefängnis bestraft“, was bedeutet, dass Christen äußerste Vorsicht walten lassen müssen, wenn sie sich in der Öffentlichkeit äußern.

Kirchliches Leben

Es ist nicht möglich, sich als Religionsgemeinschaft neu zu registrieren. Obwohl sich Kirchen als „Verein“ eintragen lassen können, ist dies gleichwohl ein komplizierter Prozess, und Anträge wurden mitunter abgelehnt.

Genehmigungen für den Bau, die Reparatur oder die Renovierung von Kirchengebäuden zu erhalten, ist ein langwieriger und schwieriger Vorgang, der durch die christenfeindliche Haltung im Beamtenapparat noch weiter erschwert wird. Christliche Leiter auf legale Weise auszubilden, ist unmöglich: Die Ausbildungsstätten der traditionellen Kirchen wurden in den 1970er- und 1980er-Jahren geschlossen und seitdem nicht mehr eröffnet, sodass Schulungen nur noch inoffiziell stattfinden können.

Beispiele für das Auftreten von Gewalt

Am 6. November 2023 wurde der 92-jährige assyrische Christ Gevriye Akgüc erschossen. Wie die türkische Nachrichtenplattform „Duvar English“ berichtete, geschah der Mord im Dorf Yemisli im Landkreis Midyat in der südöstlichen türkischen Provinz Mardin. Aus diesem Dorf war Akgüc geflohen, nachdem in der Region in den 80er- und 90er-Jahren mehrere Christen ermordet worden waren, er war aber vor einem Jahrzehnt wieder dorthin zurückgekehrt. Der Mord verdeutlicht die prekäre Lage der wenigen verbliebenen Christen in einer Region, die vor einem Jahrhundert noch Heimat einer der größten christlichen Gemeinschaften im Nahen Osten gewesen war.

Während des Berichtszeitraums wurden mehrere Kirchen angegriffen oder beschädigt. Der für die christliche Gemeinschaft wohl erschütterndste Angriff ereignete sich im Januar 2024, als der sogenannte Islamische Staat (IS) einen Terroranschlag auf die Santa-Maria-Kirche in Istanbul verübte. Ein weiterer Vorfall ereignete sich am 18. Dezember 2023, als zwei Angreifer die Cekmeköy Kurtulus Kilisesi, eine Kirche in der Nähe von Istanbul, angriffen und die Beschilderung der Kirche abrissen. Jedes Jahr werden einige (historische) Kirchen und andere christliche Gebäude durch Graffiti, Vandalismus oder Schändung zum Ziel von Hasstaten.

Außerdem verbot die türkische Regierung auch im Berichtszeitraum des Weltverfolgungsindex 2025 ausländischen Christen die (Wieder-)Einreise ins Land, oft unter Angabe von vagen Sicherheitsgründen.

7. Entwicklung in den letzten 5 Jahren

Jahr

Platzierung

Punktzahl

2025

45

67

2024

50

64

2023

41

66

2022

42

65

2021

25

69

Der Anstieg der Gesamtpunktzahl um drei Punkte ist vor allem auf ein deutliches Anwachsen des Wertes für Gewalt von 3,1 Punkten im Vorjahr auf nun 5,4 Punkte im Weltverfolgungsindex 2025 zurückzuführen. Im Vergleich zum vorjährigen Weltverfolgungsindex wurden im aktuellen Berichtszeitraum mehr Kirchengebäude angegriffen. Außerdem wurden im Berichtszeitraum zwei Morde an Christen gemeldet, wohingegen es im Vorjahr keine solchen Meldungen gab. Gleichzeitig passen die häufigeren Meldungen von Übergriffen in das bestehende Muster der Gewalt gegen Christen in der Türkei. Die gesamtgesellschaftliche Einstellung gegenüber der Kirche und der christlichen Gemeinschaft hat sich nicht wesentlich verändert – der durchschnittliche Druck blieb weiterhin sehr hoch. Der Hass in der Gesellschaft ist nach wie vor ein ernstes Problem für alle Christen, unabhängig davon, ob sie traditionellen Kirchen, protestantischen Gemeinschaften oder der Gruppe der Geflüchteten angehören. Darüber hinaus wird die protestantische Gemeinschaft weiterhin mit Einreiseverboten belegt und mehrere ausländische Christen wurden gezwungen, das Land zu verlassen. Im Berichtszeitraum waren es insbesondere Asylbewerber und Geflüchtete christlichen Glaubens (einschließlich Konvertiten muslimischer Herkunft) aus Ländern wie dem Iran, Afghanistan und Syrien, die erheblicher Diskriminierung und Misshandlung ausgesetzt waren.

8. Sind Frauen und Männer unterschiedlich von Verfolgung betroffen?

Frauen

Die vorherrschende Kultur und eine mangelhaft umgesetzte Gleichberechtigung haben zu geschlechtsspezifischer Ungleichheit und einem hohen Maß an häuslicher Gewalt geführt. Christliche Konvertitinnen sind davon besonders betroffen. Dies gilt vor allem in ländlichen Gebieten, da der Glaubenswechsel den Erwartungen an Frauen, ihrer Familie Ehre zu machen, widerspricht. Christinnen sind mit Hausarrest, körperlicher und sexueller Misshandlung sowie Belästigung und Ablehnung konfrontiert. Das veranlasst einige Christinnen dazu, aus ihrem Zuhause zu fliehen, um sich in Sicherheit zu bringen. Da in der Türkei eine Ehre- und Schamkultur herrscht, tragen viele Missbrauchsopfer ihr Trauma allein. Auch im öffentlichen Raum werden Frauen unter Druck gesetzt, etwa durch die Erwartung, islamischen Kleidungs- und Verhaltensidealen zu entsprechen.

Männer

Alle Christen sind von Diskriminierung und Feindseligkeit auf institutioneller und gesellschaftlicher Ebene betroffen; doch Männer stehen unter dem zusätzlichen Druck, der durch religiöse und damit verwobene kulturelle Erwartungen auf sie ausgeübt wird. So wird von ihnen erwartet, dass sie den Islam und das Türkentum verteidigen, zwei Dinge, die in der öffentlichen Wahrnehmung eng miteinander verbunden sind. Oft hindert das Männer daran, jemals eine Kirche zu betreten. Es kommt vor, dass christliche Männer und Jungen von den Behörden festgenommen, bedroht, verhaftet und misshandelt werden. Sie müssen mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes, dem Verlust ihres Erbes beziehungsweise der Ablehnung durch ihre Familie rechnen. Außerdem kann es im Wehrdienst zu Diskriminierung und Belästigung kommen. Diskriminierung am Arbeitsplatz und bei der Arbeitssuche ist an der Tagesordnung und hat Auswirkungen auf die christlichen Gemeinschaften und Familien.

9. Verfolgung anderer religiöser Gruppen

Die Gülen-Bewegung wird seit dem Putschversuch von 2016 massiv verfolgt. Die Jesiden im Südosten der Türkei stehen vor ähnlichen Problemen wie die syrischen Christen. Aus Syrien geflüchtete Alawiten fühlen sich enorm unter Druck gesetzt, das Land zu verlassen. Auch die Aleviten werden diskriminiert (sie existieren offiziell nicht als eigene Gruppe und dürfen keine Gotteshäuser betreiben), ebenso wie die Kurden im Allgemeinen.

Das US-Außenministerium schreibt in seinem Bericht zur internationalen Religionsfreiheit 2023 über die Türkei: „Die Verfassung sieht nur eine einzige Bezeichnung der Nationalität für alle Bürger vor. Nationale, ethnische oder religiöse Minderheiten finden keine ausdrückliche Berücksichtigung, mit Ausnahme von drei nicht muslimischen Minderheiten: armenische apostolische Christen, Juden und griechisch-orthodoxe Christen. Andere religiöse und ethnische Minderheiten oder Angehörige anderer Staaten durften ihre sprachlichen, religiösen und kulturellen Rechte nicht uneingeschränkt ausüben. Davon betroffen waren Assyrer, Dschafariten, Jesiden, Kurden, Araber, Roma, Tscherkessen und Lasen. [...] Auch Aleviten [...] waren Opfer von Hassreden und Diskriminierung.“

10. Gebetsanliegen

Bitte beten Sie für die Türkei:

  • Beten Sie für die Christen um Mut, Weisheit und Schutz als Minderheit in einer Gesellschaft, die sie zunehmend feindlich betrachtet.
  • Beten sie, dass Christen in der Türkei nicht mehr als Bedrohung wahrgenommen werden, sondern dass in der Bevölkerung ein echtes Interesse am christlichen Glauben entsteht.
  • Bitten Sie Jesus, Christen muslimischer Herkunft zu schützen und ihnen Orte zu zeigen, an denen sie ihn frei anbeten können.
  • Beten Sie um Schutz für Christen, die als Flüchtlinge in der Türkei leben, und um Gunst bei den Behörden und der Bevölkerung.
  • Beten Sie, dass die Regierung anerkennt, dass türkische Christen Teil ihrer Gesellschaft sind, und sie entsprechend respektiert und schützt.