Erfahren Sie mehr über den Weltverfolgungsindex – die Rangliste und der Bericht zu den 50 Ländern, in denen Christen die stärkste Verfolgung erleben.
Vietnam
Christenverfolgung in Vietnam
Berichtszeitraum: 1. Oktober 2023 – 30. September 2024
1. Überblick
Christen aus traditionellen Kirchen (wie aus der römisch-katholischen Kirche) genießen ein gewisses Maß an Freiheit. Dies gilt, solange sie nicht politisch aktiv sind und sie sich nicht beispielsweise in Umweltfragen oder gegen Landraub engagieren, denn das kann zu Inhaftierungen führen. Wenn katholische Kirchengemeinden große Grundstücke besitzen – wie das bei Klöstern, Schulen oder Krankenhäusern der Fall ist –, werden diese manchmal vom Staat für Bauzwecke beschlagnahmt. Wenn lokale Parteiführer dazu anstiften, werden Katholiken in seltenen Fällen zur Zielscheibe staatlicher Übergriffe, wie dies etwa im Februar 2022 geschah, als Staatsbeamte eine katholische Messe unterbrachen. Unter starkem Druck und Gewalt leiden dagegen Christen aus protestantischen Freikirchen wie auch christliche Konvertiten, die sich von einheimischen Religionen abgewandt haben. Vor allem in den abgelegenen Gebieten in Zentral- und Nordvietnam erleben sie Verfolgung aufgrund ihres Glaubens. Die meisten dieser Christen gehören zu den ethnischen Minderheiten des Landes wie den Hmong. Sie erleiden soziale Ausgrenzung, Diskriminierung und Übergriffe; in manchen Fällen werden ihre Häuser verwüstet und man zwingt sie, ihre Dörfer zu verlassen. Der Angriff auf Polizisten und Regierungsbeamte in der Provinz Dak Lak am 11. Juni 2023 war zwar nicht religiös motiviert oder auf Verfolgung zurückzuführen. Er ist aber dennoch relevant für die Situation der Christen. Denn er zeigt, dass es schwelende Spannungen mit der Hmong-Minderheit und verschiedenen Stammesgruppen gibt, die leicht zu Gewaltausbrüchen führen können, und er ist ein Beispiel dafür, wie die Regierung solche Vorfälle als Vorwand nutzt, um gegen Christen vorzugehen. Mehrere protestantische Christen, die den Montagnards angehören, wurden angeklagt und zu Haftstrafen verurteilt, weil die Behörden darauf bedacht waren, für Straftaten einen Schuldigen zu finden und zur Rechenschaft zu ziehen.
Länderprofil als PDF
Das nachfolgende Länderprofil ist ein übersetzter Auszug aus den ausführlichen Berichten von World Watch Research, der Forschungsabteilung von Open Doors. Dieses deutsche Länderprofil finden Sie hier auch als PDF zum Download. Die ausführlichen Berichte in englischer Originalfassung („Background Information“ und „Persecution Dynamics“) finden Sie am Ende dieser Seite.
2. Hintergrund
Vietnam ist seit dem Ende des Vietnamkriegs 1975 ein vereinigter Staat und einer der wenigen bis heute verbliebenen kommunistischen Staaten. Die alleinige Macht liegt bei der „Kommunistischen Partei Vietnams“ (KPV). Es gibt zwar eine Nationalversammlung, die allerdings nicht frei und fair gewählt wird, und das Politbüro der KPV nimmt die wichtigsten exekutiven Aufgaben wahr.
Christen gelten als unpatriotisch und regierungskritisch und werden als solche streng überwacht, zensiert und diskriminiert. Christen sind nicht nur von Führungspositionen in der KPV ausgeschlossen, sondern auch von den militärischen Offiziersrängen. Sie werden hart bestraft, wenn sie von der Polizei angeklagt werden. Im Jahr 2021 wurde der Leiter des „Regierungskomitees für religiöse Angelegenheiten“ zum stellvertretenden Innenminister ernannt. In dieser Personalie zeigt sich, wie sehr der Regierung daran gelegen ist, die Kontrolle über religiöse Angelegenheiten zu behalten. Vietnam protestierte vehement, als die US-Kommission für internationale Religionsfreiheit (USCIRF) das Land im Dezember 2022 auf die Liste der „Länder unter besonderer Beobachtung“ gesetzt hatte. Gleichzeitig geht aus dem am 9. März 2023 von der Regierung veröffentlichten 132-seitigen „Weißbuch zu Religionen und Religionspolitik“ hervor, wie unwahrscheinlich es ist, dass sich für Christen und Angehörige anderer Religionen etwas ändern wird. Zusätzlich trat am 30. März 2024 das Dekret 95 in Kraft. Es zielt darauf ab, die Schließung religiöser Organisationen und Bildungseinrichtungen zu vereinfachen und die lokale und internationale Beschaffung von Finanzmitteln einzuschränken.
Mehr als 80 Prozent aller Christen in Vietnam gehören der römisch-katholischen Kirche an. Während die Kirche in ihrer Lehre dem Vatikan folgt, gibt es immer wieder unterschwellige und weniger unterschwellige Versuche der Einflussnahme durch die Regierung. Am deutlichsten wird dies wohl bei der Wahl der Bischöfe. Es gibt viele unterschiedliche protestantische Denominationen, zwei der größeren und staatlich anerkannten sind die Southern Evangelical Church of Vietnam (Evangelische Kirche Vietnams Süd) und die Evangelical Church of Vietnam North (Evangelische Kirche Vietnams Nord). Obwohl Christen sich im Allgemeinen lieber aus der Politik heraushalten, werden sie dennoch von den Behörden genau überwacht.
Unter den ethnischen Minderheiten, die in den Dörfern im zentralen Hochland leben, befinden sich viele Christen. Sie werden wirtschaftlich und sozial benachteiligt, was sie während der Covid-19-Pandemie noch stärker zu spüren bekamen. „Die Regierung betrachtet die Evangelische Kirche Christi [die vor allem im Hochland unter ethnischen Gruppen aktiv ist] immer noch als reaktionäre Gruppe“, so berichtete ein Experte für das Land. Obwohl es keine eindeutigen Beweise gab, dass der Anschlag in Dak Lak im Juni 2023 religiös motiviert war, veröffentlichte die vietnamesische Polizei nach dem Anschlag ein Video, das Kirchengebäude der Evangelischen Kirche Christi zeigte. Und in den Medien, den Nachrichten und im staatlichen Fernsehen hieß es, die Menschen müssten „diese Kirche aus der Gemeinschaft entfernen“.
Weltanschauungen |
Anhänger |
% |
Christen |
9.778.000 |
9,8 |
Muslime |
217.000 |
0,2 |
Hindus |
90.900 |
0,1 |
Buddhisten |
47.743.000 |
48,0 |
Anhänger ethnischer Religionen |
11.525.000 |
11,6 |
Juden |
380 |
< 0,1 |
Bahai |
458.000 |
0,5 |
Atheisten |
6.073.000 |
6,1 |
Agnostiker |
11.773.000 |
11,8 |
Andere |
11.839.390 |
11,9 |
3. Gibt es regionale Unterschiede?
Druck und Gewalt, die sich gegen Christen unter den ethnischen Minderheiten richten, sind im zentralen und nordwestlichen Hochland in den folgenden Provinzen besonders stark: Bac Giang, Bac Ninh, Bin Phuoc, Dak Lak, Dak Nong, Dien Bien, Gia Lai, Ha Giang, Ha Nam, Hoa Binh, Kon Tum, Lai Chau, Lam Dong, Lao Cai, Nghe An, Ninh Thuan, Phu Yen, Quang Binh, Quang Ngai, Son La, Thanh Hoa, Tra Vinh und Yen Bai.
4. Was sind die stärksten Triebkräfte der Verfolgung?
Kommunistische Unterdrückung
Die KPV verletzt die Rechte der christlichen Minderheit im zentralen Hochland, im Nordwesten und im Nordosten des Landes. Dort schikaniert die Regierung die Christen und verlangt, dass alle religiösen Einrichtungen vom „Regierungskomitee für religiöse Angelegenheiten“ überwacht werden. Die Regierung nutzt sogar die Dienste lokaler Krimineller, die als „Rote-Flagge-Gruppen“ bekannt sind. Sie ermutigt diese Gruppen stillschweigend dazu, Christen anzugreifen und Kirchen zu enteignen. Die katholische Kirche thematisiert als größte christliche Denomination immer wieder soziale Ungerechtigkeiten und Umweltprobleme unter der kommunistischen Herrschaft. Dies führt mitunter zu gewaltsamen Strafmaßnahmen und der Beschlagnahmung von kirchlichem Grundbesitz. Manche Dörfer nennen sich „kommunistisches Dorf“ oder „christenfreies Dorf“. Die Bewohner dort sind nicht bereit, Christen in ihrem Dorf zu dulden. Die Regierung ist besonders misstrauisch gegenüber den ethnischen Minderheiten, die im zentralen und nördlichen Hochland leben, bekannt unter der Bezeichnung Montagnards. Viele von ihnen sind protestantische Christen, deren Zahl Berichten zufolge weiter zunimmt.
Unterdrückung durch den Clan oder Stamm
In den engen Dorfgemeinschaften werden christliche Konvertiten oft gezwungen, ihrem Glauben abzuschwören. Dorfvorsteher und Familienmitglieder setzen die Christen dabei besonders unter Druck. Stammesführer schließen Christen oft aus der Gemeinschaft aus, da sie diese als Verräter der Stammeskultur und ihrer Identität ansehen und diese Kultur erhalten wollen. Aber auch andere Stammesmitglieder wenden oftmals Gewalt gegen christliche Konvertiten an und vertreiben sie aus den Dörfern.
Organisiertes Verbrechen und Korruption
Es gab und gibt immer wieder Vorfälle von Landraub, die sich insbesondere gegen die katholische Kirche richten. Dies geschieht vor allem in den Städten, wo Regierungsbeamte nach Grundstücken und Immobilien suchen, die sie konfiszieren können, um sie dann an private Bauherren zu verkaufen. Land, das sich im Besitz der katholischen Kirche oder von Christen aus ethnischen Minderheiten befindet, ist dabei ein bevorzugtes Ziel. Zwangsräumungen wurden häufig mit Hilfe von kriminellen und Rote-Flagge-Gruppen durchgeführt, auch wenn dies inzwischen weniger in Erscheinung tritt.
Eine vollständige Übersicht aller im Land wirksamen Triebkräfte finden Sie im ungekürzten, englischen Dokument „Persecution Dynamics“.
5. Welche Christen sind von Verfolgung betroffen?
Ausländische Christen und Arbeitsmigranten
Da sie sich in den ländlichen Gebieten nicht den einheimischen Gemeinden anschließen können, leben die ausländischen Christen unfreiwillig isoliert. Zu dieser Kategorie gehören ausländische Arbeiter aus Taiwan, Südkorea und den Philippinen; sie erleben Druck in Form von strikter Überwachung.
Christen aus traditionellen Kirchen
Die römisch-katholische Kirche und die evangelischen Kirchen sind die größten traditionellen Kirchen in Vietnam. Im Jahr 2016 konnte eine katholische Universität eröffnet werden; gleichzeitig aber haben für die katholische Kirche die Probleme mit Landraub durch die Behörden genauso zugenommen wie die Verhaftungen von katholischen Aktivisten. Des Weiteren wurde im Dezember 2020 ein Kongress der evangelischen Kirche Vietnams behindert.
Christen anderer religiöser Herkunft (Konvertiten)
Christliche Konvertiten buddhistischer oder animistischer Herkunft werden am stärksten verfolgt. Dies geschieht nicht nur durch die Behörden, sondern auch durch ihre Familien, Freunde und Nachbarn. Die kommunistischen Behörden begegnen christlichen Konvertiten oft besonders misstrauisch und feindselig, weil die meisten dieser Christen ethnischen Minderheiten angehören. Das geschieht in der Regel auf lokaler Ebene.
Christen aus protestantischen Freikirchen
Zu den protestantischen Freikirchen gehören evangelikale und pfingstkirchliche Gemeinden. Christen dieser Gemeinden versammeln sich in Hauskirchen, da viele dieser Denominationen nicht registriert sind. Sie werden intensiv überwacht. Auf lokaler Ebene werden sie von den Behörden und der Gesellschaft diskriminiert, einschließlich bei der Registrierung ihrer Gemeinde oder dem Anschluss an eine bereits registrierte Denomination.
6. Wie erfahren Christen Druck und Gewalt?
Betroffene Lebensbereiche und Auftreten von Gewalt
Privatleben
In ländlichen Gebieten ist es gefährlich, über den eigenen Glauben zu sprechen; dies kann zu Gewalt seitens der Dorfgemeinschaft führen. In den Städten herrscht etwas mehr Freiheit, aber Schikanen und Verhöre durch die Polizei sind an der Tagesordnung. Ein Glaubenswechsel ist zwar nicht gesetzlich verboten, stößt aber auf starke Ablehnung. Der christliche Glaube gilt als fremd und wird als Bedrohung für die Familie und das kulturelle Erbe angesehen. Das trifft insbesondere in Gebieten zu, in denen der Ahnenkult vorherrscht. Oft sind Familienmitglieder gezwungen, sich zwischen der Abkehr vom christlichen Glauben und der Vertreibung und Ächtung durch ihre Familie und Gemeinschaft zu entscheiden.
Familienleben
Christliche Kinder in Vietnam werden dazu gedrängt, während ihrer gesamten Schulzeit an Unterricht teilzunehmen, der durch die kommunistische Doktrin christenfeindlich geprägt ist. Christliche Kinder werden aufgrund ihres Glaubens oder des Glaubens ihrer Eltern am Schulbesuch gehindert. Das gilt besonders in ländlichen Gebieten und für Kinder, die vor allem nicht registrierten – in einigen Fällen aber auch registrierten – Gemeinden angehören. Viele derjenigen, die eine Schule besuchen können, erleiden dort Schikanen und Mobbing durch Mitschüler und Lehrkräfte. Außerdem wird verheirateten christlichen Konvertiten in manchen Fällen mit einer Scheidung gedroht. Es ist üblich, dass Familien ihre Angehörigen, die Christen geworden sind, enterben, vertreiben und ihnen die Unterstützung entziehen.
Gesellschaftliches Leben
Stammesgemeinschaften in den Brennpunktregionen helfen bei der Überwachung der Christen. Die lokalen Behörden bestärken die Bevölkerung darin, christliche Gruppen zurückzudrängen, da diese als fremd und gefährlich angesehen werden. Christen, die sich um eine Arbeitsstelle bewerben oder denen eine Beförderung zustünde, werden sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor manchmal diskriminiert und ausgegrenzt. Auch werden Christen dazu gezwungen, ihre Dörfer zu verlassen. Für Christen ist im Militär und bei der Polizei eine Beförderung zum Offizier ausgeschlossen. In Nordvietnam sind die staatlichen Behörden dafür bekannt, Christen mit der Streichung ihrer Gesundheitsleistungen zu drohen, wenn sie sich staatlichen Anordnungen widersetzen oder sich weiterhin als christliche Gemeinde treffen. Ein Experte von Open Doors erklärt: „Wenn Menschen, die offiziell als ‚bedürftig‘ anerkannt wurden und deshalb Anspruch auf Sozialhilfe, medizinische Versorgung und andere Leistungen haben, Christen werden, hat das Konsequenzen: Die örtlichen Behörden entziehen ihnen diesen Status, woraufhin sie offiziell nicht mehr als bedürftig gelten. In manchen Gegenden wird ihnen sogar gesagt: ‚Weil ihr jetzt Christen seid, soll sich die Kirche um euch kümmern.‘“
Leben im Staat
In Vietnam wird die kommunistische Ideologie strikt befolgt, und alle anderen Überzeugungen werden abgelehnt. Anträge auf die Registrierung religiöser Aktivitäten werden entweder ignoriert, abgelehnt oder über die vorgesehene Frist hinaus verschleppt. Oftmals werden keine Gründe für eine Ablehnung angegeben, obwohl dies gesetzlich vorgesehen ist. Mitglieder der KPV dürfen keine Religion ausüben, und auch Offiziere der Armee dürfen nicht gläubig sein. Wie der Experte von Open Doors erläutert, können „Christen nur unter der Bedingung als Staatsbedienstete arbeiten, dass sie dafür ihren Glauben aufgeben. Außerdem ist es Voraussetzung für den Eintritt in den Staatsdienst, dass auch innerhalb der erweiterten Familie des Bewerbers bis zu drei Generationen lang niemand Christ gewesen sein darf. Wenn ein Beamter den christlichen Glauben angenommen hat oder einfach ‚zu freundlich zu Christen ist‘, kann er degradiert oder entlassen werden. Selbst wenn er es schafft, seine Position zu behalten, werden ihm Zulagen gestrichen und er wird nicht mehr befördert.“
In den Medien werden Christen so dargestellt, als versuchten sie, die koloniale Weltanschauung wieder einzuführen. Darüber hinaus werden ihnen aufrührerische und regierungsfeindliche Aktivitäten vorgeworfen. Als ein katholischer Priester es wagte, die Einrichtung eines Fonds für einen Covid-19-Impfstoff zu hinterfragen, und es kritisierte, dass alle Bürger dazu beizutragen sollten, forderten die offiziellen Medien daraufhin sofort, man solle sich „um ihn kümmern“. Menschen, die Gewalt gegen Christen verüben, werden dafür fast nie rechtlich belangt.
Kirchliches Leben
Kirchen werden überwacht und gelegentlich werden Versammlungen gestört. Die Kirchen sind gesetzlich verpflichtet, ihre Aktivitäten bei den Behörden anzumelden. Der Experte für das Land fügt hinzu: „Außerdem verlangt die Regierung von der Kirche, ein Verzeichnis der Kirchenmitglieder vorzulegen. Mit dem Verzeichnis gehen sie in Uniform von Haus zu Haus, um zu ‚klären‘, ob die Bewohner zu der angegebenen Kirche gehören. Auf diese Weise werden gerade junge Christen eingeschüchtert und mitunter davon abhalten, sich zu ihrem Glauben und ihrer Kirchenzugehörigkeit zu bekennen.“ Die Beschaffung von christlichen Schriften in größeren Mengen kann riskant sein, vor allem wenn die Schriften importiert werden oder keine Genehmigung von der Regierung vorliegt. Jede Publikation muss von der Regierung genehmigt werden, und die Einfuhr ist stark reglementiert. Es ist jedoch möglich, eine kleine Anzahl von christlichen Materialien zu beziehen.
Sowohl katholische und evangelische Kirchenleiter als auch Aktivisten werden häufig verhaftet oder ins Exil verbannt, weil sie die Regierung kritisieren oder sich für Menschenrechte einsetzen. Das neue Dekret 95 zielt zwar auf eine Vereinfachung der Registrierungs- und Mitwirkungspflichten ab, es wird aber das Leben der Kirchen weder bei der Registrierung noch bei der Berichterstattung erleichtern.
Beispiele für das Auftreten von Gewalt
Im März 2024 verurteilte das Volksgericht der Provinz Dak Lak den protestantischen Missionar Y Krec Bya zu 13 Jahren Gefängnis und fünf Jahren auf Bewährung. Ihm wurde vorgeworfen, er habe „die Politik der Einheit sabotiert“, indem er Online-Treffen organisierte, sowie Informationen veröffentlicht, die darauf abzielten, „Spaltungen zwischen dem Volk und der Regierung [und] zwischen Menschen verschiedener Religionen“ zu verursachen.
Am 8. März 2024 fanden Angehörige Y Bum Byas misshandelte Leiche, mit einem Seil um den Hals an einen Baum gehängt. Y Bum Bya war Mitglied der Evangelical Church of Christ of the Western Highlands (Evangelische Kirche Christi des westlichen Hochlandes). Man hatte ihn zuvor aufgefordert, sich mit der Polizei zu treffen, unter dem Vorwand, man wolle ihm sein Mobiltelefon zurückgeben, das zuvor beschlagnahmt worden war.
Am 1. März 2024 wurden drei Christen der ethnischen Minderheit der Ede, die einer nicht registrierte Kirche in der Provinz Dak Lak angehörten, von den Behörden eine Woche lang festgehalten.
7. Entwicklung in den letzten 5 Jahren
Jahr |
Platzierung |
Punktzahl |
2025 |
44 |
67 |
2024 |
35 |
68 |
2023 |
25 |
70 |
2022 |
19 |
71 |
2021 |
19 |
72 |
Die Gesamtpunktzahl ist auf dem Weltverfolgungsindex 2025 gesunken, weil sowohl die Gewalt als auch der Druck abgenommen haben. Der Wert für Gewalt sank von 7,2 Punkten im Vorjahr auf nun auf 5,9 Punkte, und der durchschnittliche Druck ging leicht auf 12,1 Punkte zurück. Der Rückgang des Wertes für Gewalt ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Zahl derjenigen Christen zurückging, die aufgrund ihres Glaubens inhaftiert und verurteilt wurden. Diese Entwicklung deckt sich mit der Beobachtung, dass die direkte Verfolgung durch die Regierung abnimmt. Gleichzeitig scheint die Verfolgung durch Familienangehörige und durch Mitglieder der Gemeinschaft und des sozialen Umfelds zuzunehmen. Dabei muss zwischen ländlichen und städtischen Gebieten unterschieden werden, da in den städtischen Regionen Verbesserungen zu beobachten sind, die sich in den ländlichen Gebieten nicht widerspiegeln.
8. Sind Frauen und Männer unterschiedlich von Verfolgung betroffen?
Frauen
Trotz einer der höchsten Frauenerwerbsquoten tragen Frauen einen ungleich höheren Anteil an der Hausarbeit und werden von der Gesellschaft als minderwertig angesehen. Das Land vertritt sozialistische Ideale der Gleichbehandlung. Dessen ungeachtet sind auch konfuzianische Werte nach wie vor in den Schulbüchern präsent und spiegeln sich in der kulturellen Bevorzugung von Söhnen wider. Christliche Konvertitinnen sind in ihren Ehen mit Unterdrückung und Gewalt seitens ihrer Ehemänner konfrontiert. Außerdem drohen diese ihnen, sich scheiden zu lassen, und es ist wahrscheinlich, dass sie als Konvertitinnen das Sorgerecht für ihre Kinder verlieren.
Männer
Christliche Männer werden am Arbeitsplatz häufig diskriminiert und belästigt. Ihnen droht der Verlust ihres Arbeitsplatzes; und da Männer in Vietnam die Hauptverdiener sind, lähmt dies die ganze Familie wirtschaftlich und schwächt ihre Stellung in der Gesellschaft. Christliche Männer und insbesondere Gemeindeleiter geraten häufig in den Fokus der Regierung; diese verhaftet und verhört sie aufgrund ihres Glaubens. Werden sie in Gewahrsam genommen, so drohen ihnen eine brutale Behandlung und Schläge verbunden mit dem Druck, ihrem Glauben abzuschwören. Auch innerhalb des Wehrdienstes wird Druck auf die Männer ausgeübt, da sie nicht frei in der Bibel lesen oder an anderen christlichen Aktivitäten teilnehmen können.
9. Verfolgung anderer religiöser Gruppen
Wie es für kommunistische Regierungen typisch ist, versuchen die vietnamesischen Behörden, alle religiösen Gruppen unter ihrer Kontrolle zu halten. Neben Christen stehen auch Anhänger des Caodaismus, der buddhistischen „Hoa-Hao-Bewegung“ sowie des Islam unter besonderer Beobachtung. Diejenigen, die sich in staatlich kontrollierten Gremien organisieren, werden weitgehend in Ruhe gelassen; allerdings werden ihre Predigten zensiert. Nach Human Rights Watch sind „... nicht anerkannte religiöse Gruppen – also unabhängige Gruppen der Christen, Caodisten, Hoa-Hao-Anhängern und Buddhisten –ständiger Überwachung, Belästigung und Einschüchterung ausgesetzt. Die Anhänger von solchen unabhängigen religiösen Gruppen sind öffentlicher Kritik, erzwungenem Absagen ihres Glaubens, Untersuchungshaft, Verhören, Folter und Inhaftierung ausgesetzt.“
10. Gebetsanliegen
Bitte beten Sie für Vietnam:
- Beten Sie um Trost, Stärkung und Versorgung für Christen, die aus ihrer Dorfgemeinschaft verstoßen wurden.
- Beten Sie um Weisheit für die Gemeinden im Umgang mit den staatlichen Behörden, die kirchliche Aktivitäten genau überwachen.
- Beten Sie, dass die Behörden ihr Misstrauen gegenüber Christen ablegen.
- Beten Sie, dass die Bevölkerung ihre Vorurteile gegen Christen aufgibt und offen für das Evangelium wird.