Weltverfolgungsindex 2025

Ägypten

Christenverfolgung in Ägypten

Berichtszeitraum: 1. Oktober 2023 – 30. September 2024

1. Überblick

Die meisten Verletzungen der Religionsfreiheit finden auf sozialer und gesellschaftlicher Ebene statt. Beispielsweise werden Christinnen auf offener Straße belästigt oder Christen werden zum Wegzug gezwungen, weil aufgebrachte Menschenmengen ihnen angebliche Blasphemie vorwerfen. Diese Vorfälle ereignen sich vor allem in den ländlichen Gebieten Oberägyptens und in bestimmten städtischen Gebieten, in denen salafistische Gruppen aktiv sind. Präsident Abd al-Fattah al-Sisi äußerte sich in der Vergangenheit positiv über die traditionsreiche christliche Gemeinschaft in Ägypten. Trotzdem sind Christen schutzlos und werden immer wieder Opfer von Anschlägen und Übergriffen, weil die Strafverfolgung unzureichend bleibt und Sicherheitsbehörden bei manchen Angriffen auch zu Mittätern werden. Trotz des Versprechens des Präsidenten, in jedem Neubaugebiet solle auch eine Kirche gebaut werden, bleibt der Bau neuer Kirchen stark eingeschränkt.

Christliche Konvertiten muslimischer Herkunft stehen seitens ihrer Familien unter enormem Druck, zum Islam zurückzukehren. Der Großimam der ägyptischen Azhar-Universität, eine der einflussreichsten islamischen Universitäten der Welt, erklärte, dass Muslime nicht den christlichen Glauben annehmen dürften. Die Sicherheitsdienste üben starken Druck auf christliche Konvertiten aus, die den Islam verlassen haben; sie nehmen sie regelmäßig in Gewahrsam und zwingen sie in die Isolation. Der Staat macht es außerdem unmöglich, einen Glaubenswechsel offiziell anerkennen zu lassen.

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Das nachfolgende Länderprofil ist ein übersetzter Auszug aus den ausführlichen Berichten von World Watch Research, der Forschungsabteilung von Open Doors. Dieses deutsche Länderprofil finden Sie hier auch als PDF zum Download. Die ausführlichen Berichte in englischer Originalfassung („Background Information“ und „Persecution Dynamics“) finden Sie am Ende dieser Seite.

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2. Hintergrund

Obwohl Ägypten formal eine Demokratie ist, sind in der Praxis die Befugnisse des Parlaments seit jeher schwach und de facto regiert der Präsident allein. Die Unabhängigkeit der Justiz ist nicht vollständig gewährleistet. Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Regierung Gerichtsurteile einfach ignoriert. Mit der Vereidigung von Präsident al-Sisi im Jahr 2014 hat sich die politische Lage in Ägypten stabilisiert, aber die Wahrung der Menschenrechte befindet sich in einer Krise. Al-Sisi geht hart gegen oppositionelle Gruppen vor: Tausende seiner Kritiker wurden verhaftet, gefoltert, entführt und vor Militärgerichte gestellt. Die sozialen Medien werden überwacht; Kritik an der Regierung oder am Islam wird nicht geduldet.

Ägypten ist kulturell konservativ geprägt. Das Land strebt danach, ein bedeutendes Zentrum des sunnitischen Islam zu sein. Vor allem in ländlichen und verarmten Gebieten, in denen viele Christen leben, haben extremistische Imame großen Einfluss. Im ganzen Land ist die Kluft zwischen Christen und Muslimen groß. Die Diskriminierung von Christen in der Arbeitswelt ist nach wie vor unübersehbar, insbesondere in staatlichen Einrichtungen. Läden und Geschäfte von Christen werden mitunter boykottiert. Christen sind Angriffen von wütenden Menschenmengen ausgesetzt, die sich durch Gerüchte über angebliche Blasphemie oder die Eröffnung einer neuen Kirche aufwiegeln lassen. In der Regel nutzen die lokalen Behörden sogenannte „Schlichtungstreffen“, um einen Konflikt zu lösen. Dies führt häufig dazu, dass muslimische Angreifer unbestraft bleiben und eine Kultur der Straffreiheit für Gewalt gegenüber Christen entsteht.

Nach Angaben der World Christian Database sind rund 90 Prozent der Ägypter Muslime, die meisten von ihnen Sunniten. Christen sind vor allem in Oberägypten und in den großen Städten zu finden. Mehr als 90 Prozent von ihnen gehören der koptisch-orthodoxen Kirche an.

Laut der christlichen Hilfsorganisation Middle East Concern legt „Ägyptens Verfassung von 2014 [...] den Islam als Staatsreligion fest, und die Grundsätze des islamischen Rechts werden als die Hauptquelle der Gesetzgebung etabliert. [...] Die Verfassung sieht aber auch vor, dass Christen und Juden ihren Familienstand und ihre religiösen Angelegenheiten nach ihren eigenen Sitten regeln können. Sie bekennt sich zum Grundsatz der Nichtdiskriminierung – auch in Bezug auf die Religion – und besagt, dass die Religionsfreiheit uneingeschränkt gilt. Sie garantiert die freie Religionsausübung, sofern sie mit den geltenden Gesetzen übereinstimmt und durch Anhänger der abrahamitischen Religionen (das heißt des Judentums, Islam oder christlichen Glaubens) vollzogen wird. Obwohl ein Glaubenswechsel in der kodifizierten Rechtsordnung nicht verboten ist, bleibt in der Praxis die Abkehr vom Islam nicht erlaubt.“

Weltanschauungen

Anhänger

%

Christen

10.084.000

8,8

Muslime

103.460.000

90,4

Hindus

1.800

< 0,1

Buddhisten

1.200

< 0,1

Juden

110

< 0,1

Bahai

2.900

< 0,1

Atheisten

120.000

0,1

Agnostiker

812.000

0,7

Andere

2.600

< 0,1

3. Gibt es regionale Unterschiede?

Oberägypten, der südliche Teil des Landes, ist dafür bekannt, einer konservativeren und mitunter extremistischen Form des Islam zu folgen als das im Norden der Fall ist. In dieser Region ereignen sich die meisten Vorfälle und Angriffe von aufgebrachten Menschenmengen gegen Christen; im Gouvernement al-Minya in Oberägypten wird die höchste Zahl solcher Angriffe pro Kopf verübt. Angriffe durch extremistische Muslime geschehen insbesondere in den Dörfern und Städten des Nildeltas im Norden. Islamisch-extremistische Gruppen wie die Muslimbruderschaft haben Unterstützer im ganzen Land. Dagegen sind gewalttätige islamistische Milizen nur im Nordosten der Sinai-Halbinsel sichtbar aktiv. Präsident al-Sisi behauptete Nachrichtenberichten zufolge indes Ende Februar 2023, dass der Terrorismus in der Sinai-Region besiegt worden sei. Gleichzeitig kam es weiter zu Angriffen, und die Region ist nach wie vor instabil, insbesondere nach dem Ausbruch des Krieges zwischen Israel und der Hamas.

4. Was sind die stärksten Triebkräfte der Verfolgung?

Islamische Unterdrückung

Christen fühlen sich oft als Bürger zweiter Klasse. Im Umgang mit staatlichen Behörden werden sie diskriminiert; der Staat ist nicht bereit, die Grundrechte der Christen anzuerkennen und durchzusetzen. In der Vergangenheit gab es mehrere große Angriffe und Anschläge islamistischer Milizen, die auf Christen abzielten. Solche großen Anschläge (z. B. auf Kirchen) wurden seit 2018 zwar nicht mehr verübt, stattdessen wurden aber einzelne Christen von Dschihadisten angegriffen und getötet.

Diktatorische Paranoia

Ägypten hat eine lange Tradition autoritärer Herrschaft. Gegenwärtig wird das Land von einer Zivilregierung unter der Führung des früheren Generals Abd al-Fattah al-Sisi regiert. Diese Regierung scheint den grundlegenden Menschenrechten und dem demokratischen Pluralismus nur geringe Priorität einzuräumen angesichts der enormen aktuellen wirtschaftlichen, politischen, sicherheitstechnischen und sozialen Herausforderungen. In diesem Kontext ist Religionsfreiheit für Christen nicht vollständig gewährleistet.

Konfessioneller Protektionismus

Vor allem in Oberägypten und im Nildelta geht die koptisch-orthodoxe Kirche vehement gegen andere Denominationen vor. Mitglieder koptisch-orthodoxer Gemeinden wurden von ihren Priestern ermahnt, keinen Kontakt zu anderen Kirchen, insbesondere evangelikalen Gemeinden, aufzunehmen. Es sind Fälle bekannt geworden, in denen man Familien, die auf die finanziellen und sozialen Dienste der orthodoxen Kirche angewiesen waren, diese Unterstützung entzog, nachdem sie eine nicht orthodoxe Kirche besucht oder einem evangelikalen Pastor erlaubt hatten, sie zu Hause zu besuchen.

Eine vollständige Übersicht aller im Land wirksamen Triebkräfte finden Sie im ungekürzten, englischen Dokument „Persecution Dynamics“.

5. Welche Christen sind von Verfolgung betroffen?

Christen aus traditionellen Kirchen

Mehr als 90 Prozent der Christen in Ägypten gehören der koptisch-orthodoxen Kirche an. Außerdem gibt es auch traditionelle protestantische und katholische Kirchen und Gemeinden. Entgegen des offiziell vermittelten Bildes eines religiös offenen Landes werden koptische Christen im Bildungswesen diskriminiert und durch die staatlichen Gesetze in wesentlichen Aspekten ihres kirchlichen Lebens einschränkt. Im Allgemeinen werden koptische Christen aber vom Staat und von der muslimischen Mehrheit toleriert, weil ihre Gemeinschaft eine beträchtliche Größe von mehreren Millionen Menschen erreicht hat und auf eine historische Präsenz verweisen kann.

Christen anderer religiöser Herkunft (Konvertiten)

Es gibt eine kleine, aber wachsende Zahl von christlichen Konvertiten muslimischer Herkunft, die schwerwiegende Verfolgung erfahren, meist durch Familienangehörige. Sie werden für ihre Abwendung vom Islam durch Verwandte bestraft, oft mit Schlägen oder der Vertreibung aus dem Haus. Außerdem werden sie vom ägyptischen Geheimdienst streng überwacht, der regelmäßig christliche Konvertiten festnimmt und misshandelt.

Christen aus protestantischen Freikirchen

Es gibt mehrere evangelikale und pfingstkirchliche Gruppen im Land. Manche dieser Christen sind Konvertiten muslimischer Herkunft in der zweiten oder dritten Generation, andere haben einen orthodoxen Hintergrund. Sie erleben Druck sowohl durch die muslimische Gesellschaft als auch durch die koptisch-orthodoxe Kirche.

6. Wie erfahren Christen Druck und Gewalt?

Betroffene Lebensbereiche und Auftreten von Gewalt

Die Summe der Wertungen aller sechs Bereiche (die maximale Punktzahl beträgt jeweils 16,7) ergibt die Gesamtpunktzahl und somit die Platzierung auf dem Weltverfolgungsindex. Das Verfolgungsmuster zeigt das Ausmaß von Druck und Gewalt, welche durch das Zusammenwirken der Triebkräfte hervorgerufen werden.

Privatleben 12.7
Familienleben 13.7
Gesellschaftliches Leben 12.1
Leben im Staat 12.4
Kirchliches Leben 10.9
Auftreten von Gewalt 6.3

Privatleben

Ein Beschluss des Kairoer Verwaltungsgerichts aus dem Jahr 2008 besagt, dass die freie Religionsausübung gewissen Einschränkungen unterliege und dass der Glaubenswechsel vom Islam zu einem anderen Glauben eine Verletzung der Prinzipien des Islam darstelle und deshalb verboten sei. Mehrere Christen wurden verhaftet oder durch eine aufgebrachte Menschenmenge angegriffen, nachdem sie angeblich in den sozialen Medien den Islam beleidigt hatten. Der Vorwurf der Blasphemie ist leicht zu erheben, was dazu führt, dass es die meisten Christen vermeiden, über ihren Glauben mit Menschen zu sprechen, die sie nicht kennen oder denen sie nicht vertrauen. Die Feindseligkeit innerhalb der Gesellschaft gegenüber christlichen Konvertiten ist sehr hoch. Bloße Gerüchte eines Glaubenswechsels können zu Gewalt durch eine wütende Menge führen, insbesondere in ländlichen Gegenden. Der Glaubenswechsel wird als große Schande für die Familienehre gesehen. Häufig verstoßen Familien die Personen, die sich dem christlichen Glauben zuwenden. Sie zwingen sie dazu, ihren neuen Glauben zu widerrufen. Viele halten ihren christlichen Glauben geheim. Christen in Oberägypten sind aus Angst vor Schikanen vorsichtiger mit offensichtlich christlichen Symbole (etwa Kreuzen in Autos). Die meisten, wenn nicht sogar alle koptischen Christen tragen ein tätowiertes Kreuz auf dem Arm. Es dient als Erkennungszeichen beim Betreten einer Kirche. Gleichzeitig sind sie dadurch auch leicht als Christen erkennbar und als solche Diskriminierung ausgesetzt.

Familienleben

Für christliche Konvertiten muslimischer Herkunft ist es unmöglich, den Eintrag der Religionszugehörigkeit in ihrem Personalausweis zu ändern. Kinder haben automatisch dieselbe Religionszugehörigkeit wie ihre Väter. Das führt dazu, dass Kinder von christlichen Konvertiten als muslimisch registriert werden. Nach der Scharia darf ein Christ keine muslimische Frau heiraten. Der Druck vonseiten der Familie, sich von einem christlichen Konvertiten scheiden zu lassen, ist hoch. Doch selbst wenn es nicht zu einer Scheidung kommt, verliert der zum christlichen Glauben konvertierte Ehepartner gemäß der Scharia sein Erb- und Sorgerecht. Der Islam ist im Bildungssystem vorherrschend. Kinder von koptisch-orthodoxen Christen haben zwar ihren eigenen Religionsunterricht, müssen aber im Rahmen des Lehrplans dennoch islamische Literatur und den Koran studieren. Zuweilen wird kein christlicher Religionsunterricht angeboten, und in einigen Fällen müssen christliche Schüler am islamischen Religionsunterricht teilnehmen. An christlichen Privatschulen bleibt Kindern dies oftmals erspart, doch solche Schulen sind nur für wenige christliche Familien finanziell erschwinglich.

Gesellschaftliches Leben

Diskriminierung in der Arbeitswelt ist weitverbreitet. Beispielsweise bekommen Christen keine Anstellungen im Geheimdienst oder in führenden Positionen der Armee, und auch in hohen Regierungsämtern sind sie unterrepräsentiert. Auch im privaten Sektor erfahren Christen regelmäßig Diskriminierung; diese hängt immer vom jeweiligen Arbeitgeber ab. In den letzten zehn Jahren gab es keinen einzigen christlichen Spieler in der Fußballnationalmannschaft, obwohl Christen etwa neun Prozent der Bevölkerung ausmachen. Die Diskriminierung in der Arbeitswelt hat zu einem hohen Maß an unternehmerischer Aktivität unter Christen geführt, da sie sich bei der Suche nach Arbeitsplätzen nicht auf den Staat oder private Arbeitgeber verlassen können.

Der Druck und die Diskriminierung sind in armen und ländlichen Gebieten höher, insbesondere in Oberägypten. Örtliche islamistische Gruppen wissen, wo im Dorf Christen wohnen. Sie überwachen sie, um sicherzustellen, dass sie das Evangelium nicht weitergeben oder den Islam in anderer Weise „missachten“. In den vergangenen Jahren wurden immer wieder Christen angegriffen, da sie angeblich den Islam beleidigt oder eine Beziehung mit einer muslimischen Frau gehabt hatten. Die Polizeipräsenz und die staatliche Kontrolle sind in den ländlichen Gebieten weniger streng, und Angriffe auf Christen durch aufgebrachte Menschenmengen bleiben oft ungestraft. Auch auf staatlicher Ebene werden Christen überwacht. Der Sicherheits- und Geheimdienst bespitzelt christliche Konvertiten – und versucht sie dazu zu bringen, Informationen über Gruppen von Christen muslimischer Herkunft preiszugeben. Unverschleierte Frauen, einschließlich Christinnen, sind besonders gefährdet, sexuell belästigt zu werden.

Leben im Staat

In Artikel 64 der Verfassung heißt es: „Die Freiheit des Glaubens ist uneingeschränkt“, und dennoch sind christliche Konvertiten nicht geschützt. Menschen, die offiziell als Christen eingetragen sind, steht es frei, ihr eigenes Personenstandsrecht und ihre religiösen Angelegenheiten zu regeln, aber in Fällen zwischen einem Muslim und einem Nichtmuslim gilt die Scharia. Wenn ein christlicher Konvertit muslimischer Herkunft seine Religionszugehörigkeit ändern lassen will, ist es wahrscheinlich, dass die Behörden ihn unter Beobachtung stellen und sich auf die Blasphemiegesetze berufen, um strafrechtlich gegen ihn vorzugehen. Vorwürfe der Blasphemie und Äußerungen gegen die Regierung können zu Verhaftung, Folter und Gefängnis führen. Die Misshandlung von christlichen Konvertiten durch Familienmitglieder wird als Familienangelegenheit betrachtet und kann straffrei erfolgen.

Kirchliches Leben

Kirchen nehmen nur selten christliche Konvertiten muslimischer Herkunft auf, um zu vermeiden, dass ihnen die Regierung oder Gesellschaft vorwerfen kann, sie würden Missionierung betreiben, was zu Angriffen oder einer Schließung der Kirche aus „Sicherheitsgründen“ führen könnte. Es ist üblich, dass die Polizei und Geheimdienste einen Zeitplan für alle Veranstaltungen in den Kirchen anfordern; und sie sind befugt, Veranstaltungen unter dem Vorwand des Schutzes der nationalen Sicherheit abzusagen. Manchmal mischen sich Polizisten in Zivil unter die Gottesdienstbesucher, um zu überwachen, was gepredigt wird. Viele Gemeinden erfahren Widerstand oder sogar Gewalt, wenn sie ihr Kirchengebäude nach dem 2016 erlassenen „Gesetz zum Bau von Kirchen“ legitimieren lassen wollen. Gleichzeitig erhielten jedoch seit der Einführung des Gesetzes über 3.500 Kirchen diese Legitimation, was allgemein als beispielloser Schritt in der Geschichte Ägyptens betrachtet wird. In einigen Regionen können kirchliche Veranstaltungen diskret im Freien abgehalten werden, aber viele Christen sehen davon ab, da sie als Provokation ausgelegt werden könnten.

Beispiele für das Auftreten von Gewalt

Im Dezember 2023 wurden im Dorf al-Azeeb im oberägyptischen Gouvernement al-Minya mehrere Häuser koptischer Christen von einer Gruppe aufgebrachter Dorfbewohner in Brand gesetzt. Wie die Menschenrechtsorganisation „Christian Solidarity Worldwide“ berichtete, erfolgte der Angriff, nachdem Christen im Dorf eine Baugenehmigung für eine Kirche erhalten und mit der Fundamentlegung für das Gebäude begonnen hatten.

Am 6. Januar 2024, dem koptisch-orthodoxen Weihnachtsabend, wurde außerdem im Dorf Misha'at Zaafaranah im Gouvernement al-Minya ein provisorisches Kirchengebäude in Brand gesetzt, so Christian Solidarity Worldwide. Fünf Jahre zuvor, Anfang Januar 2019, war das Gebäude aus Sicherheitsgründen von der Polizei geschlossen worden, nachdem ein gewalttätiger Mob aufgebrachter muslimischer Dorfbewohner gefordert hatte, dass alle kirchlichen Aktivitäten in dem Gebäude eingestellt werden sollten.

Am 13. April 2024 wurde der 34-jährige zweifache Familienvater Walid Mamdouh in Imbaba, einem Stadtteil von Gizeh, nahe Kairo, von einem Nachbarn und seinen Cousins erstochen.Die Tat geschah vor den Augen seiner Frau und seiner Kinder. Wie die Website „Copts United“ bekannt gab, hatte sich Walid dagegen gewehrt, dass sein Angreifer den Müll vor seinem Geschäft ablädt. Der Täter sei als islamischer Extremist bekannt und habe bereits in der Vergangenheit für Ärger mit Christen in der Gegend gesorgt.

7. Entwicklung in den letzten 5 Jahren

Jahr

Platzierung

Punktzahl

2025

40

68

2024

38

68

2023

35

68

2022

20

71

2021

16

75

Die Gesamtpunktzahl auf dem Weltverfolgungsindex 2025 ist mit 68 Punkten dieselbe wie im Vorjahr. Der Rückgang des Wertes für Gewalt von 7,8 auf 6,3 Punkte wurde durch den Anstieg des durchschnittlichen Drucks ausgeglichen, der im Vergleich zum Vorjahr leicht von 12,1 auf 12,4 Punkte angewachsen ist. Dieser Anstieg ist vor allem auf die sich verschlechternde wirtschaftliche Lage zurückzuführen, in Verbindung mit dem zunehmenden Druck der Regierung, wodurch sie versucht, die instabile Situation unter Kontrolle zu halten. Dies verschärfte die bereits bestehende ungleiche Machtverteilung zwischen Muslimen und Christen. Trotz des Rückgangs des Wertes für Gewalt entspricht dieser weiterhin dem Bild, das für das Land im Durchschnitt üblich ist. Das bedeutet, dass die Christen in Ägypten immer noch einem sehr hohen Maß an Gewalt ausgesetzt sind. Mindestens zwei Christen wurden im Berichtszeitraum des Weltverfolgungsindex 2025 getötet und mindestens 46 Christen wurden angegriffen, dazu kommen weitere Übergriffe. Darüber hinaus nahm der Druck der Regierung auf christliche Konvertiten muslimischer Herkunft weiter zu. Die ägyptischen Sicherheitsdienste verhafteten viele dieser Konvertiten und misshandelten sie.

8. Sind Frauen und Männer unterschiedlich von Verfolgung betroffen?

Frauen

Junge christliche Frauen und Mädchen, die in den ländlichen Gebieten Ägyptens leben, werden mitunter zum Ziel von Grooming und sexueller Belästigung durch Männer, die von islamisch-extremistischen Lehren beeinflusst sind. Es gibt viele Berichte über Christinnen, die unter unklaren Umständen verschwunden sind, auch im Zusammenhang mit Affären mit muslimischen Männern. Dies geschieht in einem Umfeld, in dem eine ausgeprägte Kultur der Ehre und Schande herrscht und in dem ein Machtgefälle zwischen der muslimischen Mehrheit und der christlichen Minderheit besteht. Die Polizei ist oft mitschuldig oder bleibt untätig, weshalb viele Frauen unauffindbar bleiben. Christliche Mädchen, die zumeist aus sozial schwachen Familien kommen, werden in Ehen gelockt. Christliche Konvertitinnen muslimischer Herkunft werden mitunter zu Hause eingesperrt, geschlagen oder sogar getötet, um die „Ehre“ der Familie zu verteidigen. Auch ist es ein Leichtes für ihre muslimischen Ehemänner, sich von ihnen scheiden zu lassen und ihnen das Sorgerecht für ihre Kinder wegzunehmen.

Männer

Es gibt nur wenige Christen in hohen militärischen oder staatlichen Positionen. Vor allem in ländlichen Gebieten haben junge Männer Schwierigkeiten, einen Arbeitsplatz zu finden – sie werden aufgrund ihres christlichen Glaubens benachteiligt. Die Belastung durch diese Umstände hat Berichten zufolge zu höheren Raten von häuslicher Gewalt und Scheidungen geführt. Verfolger nutzen finanzielle Nöte, um jüngere männliche Christen zum Islam zu bekehren, indem sie sie mit finanziellen Anreizen locken. Leiter von Kirchen und Gemeinden, die meist männlich und leicht als Christen zu erkennen sind, stehen besonders in der Gefahr, Verletzungen ihrer Rechte zu erfahren, bis hin zu Tötungen.

9. Verfolgung anderer religiöser Gruppen

Andere religiöse Gruppen, die in Ägypten Intoleranz, Diskriminierung und Verfolgung erleben, sind die muslimischen Minderheiten der Schiiten und Sufis, des Weiteren Bahai, Mormonen und Zeugen Jehovas. Besonders schiitische Muslime werden von sunnitischen Milizen angegriffen, was es für sie gefährlich macht, ihren Glauben offen zu praktizieren. Mormonen, Bahai und Zeugen Jehovas wird die Anerkennung durch die Behörden verweigert, was es ihnen erschwert, religiöse Gebäude zu errichten. Der missionarische Eifer und entsprechende Aktivitäten solcher Gruppen gelten als illegal, und so sind die Anhänger sowohl vonseiten der Staatsbeamten als auch der Gesellschaft, einschließlich Ägyptern mit christlichem Hintergrund, mit Feindseligkeit konfrontiert. Auch Atheisten, besonders wenn sie in den sozialen Medien aktiv sind, erleben sehr häufig Verletzungen ihrer Rechte.

10. Gebetsanliegen

Bitte beten Sie für Ägypten:

  • Beten Sie für Christen mit muslimischem Hintergrund, die sehr harte Verfolgung innerhalb der Familie und ihres sozialen Umfelds erleben. Beten Sie für Standhaftigkeit, trotz des Drucks an Jesus festzuhalten.
  • Beten Sie auch, dass Jesus den Familienmitgliedern durch diese Christen begegnet.
  • Bitten Sie angesichts von Armut und Arbeitslosigkeit, dass die Christen gute Arbeitsplätze finden, sodass sie ihre Familien ernähren können.
  • In der Gesellschaft gelten Frauen als minderwertig. Beten Sie um Schutz der Christinnen vor sexualisierter Gewalt und Zwangsheirat.
  • Beten Sie, dass Jesus vielen – auch extremistischen – Muslimen begegnet und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.