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Nigeria
Christenverfolgung in Nigeria
Berichtszeitraum: 1. Oktober 2022 – 30. September 2023
Überblick
Christen in Nigeria leiden unter einer zermürbenden Kombination aus islamischer Unterdrückung, ethnisch-religiösen Anfeindungen, diktatorischer Paranoia und organisiertem Verbrechen und Korruption. Der bisherigen Regierung war es nicht gelungen, die Zunahme von Gewalt zu verhindern, die von islamisch-extremistischen Milizen ausgeht. Die meisten der Angriffe werden im Norden verübt und zwar von Milizen wie Boko Haram, ihrer inzwischen mächtigeren Abspaltung „Islamischer Staat in der Provinz Westafrika“ (ISWAP), von militanten Fulani sowie bewaffneten Kriminellen. Die Gefahr von Gewalttaten wurde in den letzten Jahren noch durch den stetigen Zustrom militanter Fulani aus den Nachbarländern verschärft. Zu dieser Gewaltausübung gehören Mord, Körperverletzungen, Vergewaltigungen, Entführungen, Verlust von Eigentum und Zerstörung von Ackerland. Davon sind Christen besonders betroffen. Mit dem Verlust ihres Landes werden sie auch ihrer Erwerbsquelle beraubt; viele leben als Binnenflüchtlinge oder sind in andere Länder geflohen.
Im nördlichen Teil von Nigeria werden Christen diskriminiert und wie Bürger zweiter Klasse behandelt. Das trifft besonders auf die Bundesstaaten zu, in denen eine strikte Auslegung der Scharia gilt. Christliche Konvertiten mit muslimischem Hintergrund erleben zudem die Zurückweisung durch ihre eigenen Familien und werden unter Druck gesetzt, ihren christlichen Glauben aufzugeben; oft kommt es auch zu tätlichen Übergriffen. In den vergangenen Jahren hat das Ausmaß der Gewalt zugenommen und sich auf die südlichen Bundesstaaten ausgeweitet. Dadurch wurde das Gefühl der Unsicherheit und das Ausmaß der Straflosigkeit noch verstärkt. Der frühere Präsident Muhammadu Buhari hat Muslime in die wichtigsten Regierungsämter berufen. Das erschwert es den Christen, die Menschenrechtsverletzungen erlitten haben, die Ungerechtigkeiten anzuprangern. Christliche Gemeinschaften werden bei Übergriffen oft von den Sicherheitskräften, die unter dem Befehl der nigerianischen Bundesregierung stehen, im Stich gelassen. Religiös motivierte Gewalt findet auch vor dem Hintergrund des Klimawandels und der Umweltzerstörung statt – wenn nämlich dadurch die überwiegend muslimischen Fulani-Hirten und ihr Vieh in den Süden getrieben und so die Beziehungen zwischen Hirten und Landwirten belastet werden.
Länderprofil als PDF
Das folgende Länderprofil ist ein übersetzter Auszug aus dem Country Dossier von World Watch Research, der Forschungsabteilung von Open Doors. Das vollständige Dossier auf Englisch sowie das gekürzte Länderprofil auf Deutsch (beides als PDF) finden Sie hier zum Download.
1. Hintergrund
Erst im Jahr 1999, im Anschluss an eine 16-jährige Militärherrschaft, kam es zu einer dauerhaften Demokratisierung Nigerias. Muhammadu Buhari von der Partei „All Progressives Congress“ (APC) war von 2015 bis 2023 Präsident. Ihm folgte Bola Ahmed Tinubu. Nach dessen Amtsantritt im Mai 2023 begann er eine größere Personalumstrukturierung und ersetzte dabei die Befehlshaber der Verteidigungskräfte und andere hochrangige Positionen im Sicherheitsapparat. Das Ziel dieses Stühlerückens sollte ein besseres Gleichgewicht zwischen muslimischen und christlichen Amtsträgern sein. Außerdem gab Tinubu Muslimen aus dem Südwesten, der Heimat des Präsidenten, mehr Einfluss auf Kosten der Muslime aus dem Norden. Präsident Tinubu erklärte, dass eine seiner Prioritäten darin bestehen wird, entschieden gegen Gewalttäter im Land vorzugehen.
Ethnische und religiöse Zugehörigkeit spielen in der nigerianischen Politik eine bedeutende Rolle. Politiker versuchen, direkt und indirekt Unterstützung für sich zu mobilisieren, indem sie an ethnische und religiöse Motive anknüpfen. Historisch gesehen dominierten die muslimischen Hausa-Fulani das politische Feld – als Politiker, aber vor allem auch durch ihre Dominanz in der Armee, die immer ein wichtiger Akteur in der nigerianischen Politik war. Der größte Streitpunkt in der nigerianischen Politik ist die Verteilung der Einnahmen aus den beträchtlichen Ölvorkommen des Landes. Die Korruption ist weit verbreitet, sowohl auf föderaler als auch auf bundesstaatlicher Ebene.
Der südliche Teil Nigerias ist überwiegend (71 Prozent) christlich geprägt, während der Norden Nigerias (26 Prozent Christen) überwiegend muslimisch geprägt ist. Diese religiöse Teilung deckt sich teilweise mit der ethnischen Spaltung in Nigeria: Die Hausa-Fulani im Norden sind überwiegend muslimisch und die Igbo im Südosten Nigerias hauptsächlich christlich, während die Yoruba im Südwesten Nigerias sowohl einen bedeutenden muslimischen als auch christlichen Bevölkerungsanteil haben.
Obwohl Nigeria laut Verfassung ein säkularer Staat ist, hat die herrschende Elite des Nordens jahrzehntelang Christen zugunsten von Muslimen diskriminiert. Seit 1999 wurde die Scharia in zwölf nördlichen Bundesstaaten eingeführt.
Im Norden werden Christen von Boko Haram ins Fadenkreuz genommen: Christliche Männer werden entführt und getötet, während Christinnen entführt, vergewaltigt und zwangsverheiratet werden. Boko Haram verfolgt damit das Ziel, christlich geprägte Gebiete zu entvölkern. Ähnliche Gewalt geht von der Gruppe ISWAP aus, die sich – wie auch Boko Haram – ebenfalls zum sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) bekennt. Außerdem greifen militante Fulani die Dörfer in mehreren nördlichen Bundesstaaten an, die überwiegend von Christen bewohnt sind, entführen, vergewaltigen und töten Menschen, zerstören Kirchen und andere Gebäude sowie Ernten oder besetzen Ackerland. Die Gefahr von Gewalttaten wurde in den letzten Jahren noch durch den stetigen Zustrom militanter Fulani aus den Nachbarländern verschärft. Ebenso sind verschiedene Gruppen bewaffneter Krimineller für die Gewalt verantwortlich; auch sie vergewaltigen, töten, entführen und brandschatzen. Die Beziehungen zwischen den verschiedenen Gruppen (Boko Haram, ISWAP, militante Fulani, Kriminelle) sind vielschichtig. Gemeinsam tragen sie aber zu einer „Kultur der Gewalt“ bei, durch die Christen in Gefahr geraten, vor allem in den nördlichen, aber auch in mehreren südlichen Bundesstaaten.
Aufgrund der Gewalt wurden Ende 2022 in Nigeria 3,6 Millionen Binnenvertriebene gezählt, von denen viele Christen sind.
All diese Gewalt verbreitet nicht nur Angst und bringt Christen (und andere Nigerianer) in extreme Gefahr, sie traumatisiert die Menschen auch – und das in einem Land, in dem es im Verhältnis zur Not nur sehr wenige Angebote zur Traumaberatung und -bewältigung gibt. Darüber hinaus ist die Entführung von Menschen zu einem hochprofessionell arbeitenden Wirtschaftszweig geworden. Wenn ein Familienmitglied entführt wurde und die Familie das Lösegeld zahlen muss, führt dies zu einer starken Verschuldung der Familie. Dasselbe gilt auch für christliche Gemeinden und Pfarreien, wenn sie gegen hohe Geldbeträge Priester, Pastoren und Gemeindeleiter freikaufen müssen und so von ernsthafter Verarmung bedroht sind.
Weltanschauungen | Anhänger | % |
Christen | 102.988.000 | 46,4 |
Muslime | 103.464.000 | 46,6 |
Hindus | 39.700 | < 0,1 |
Buddhisten | 11.600 | < 0,1 |
Anhänger ethnischer Religionen | 14.971.000 | 6,7 |
Juden | 1.200 | < 0,1 |
Bahai | 52.600 | < 0,1 |
Atheisten | 58.700 | < 0,1 |
Agnostiker | 567.000 | 0,3 |
Andere | 28.400 | < 0,1 |
2. Gibt es regionale Unterschiede?
Die Lage ist für alle Zivilisten, insbesondere für Christen, sehr schwierig geworden. Nigeria hat sechs geopolitische Zonen. Früher hatte jeder dieser Zonen ihr eigenes Profil hinsichtlich Feindseligkeiten gegen Christen (und andere). Im Nordosten ging die Gewalt vor allem von Boko Haram und ISWAP aus, im Nordwesten von bewaffneten Kriminellen und im zentralen Norden – einschließlich des Bundesstaates Kaduna – von militanten Fulani. Aber die Gewalt ist nun nicht mehr auf die drei nördlichen geopolitischen Zonen beschränkt, sondern hat sich auf die drei südlichen Zonen ausgeweitet. Gleichzeitig haben sich die Einflussbereiche der verschiedenen Gruppen zu überschneiden begonnen, und es wird zunehmend schwieriger zu unterscheiden, welche gewalttätige Gruppe für welche Taten verantwortlich ist und welche spezifische Zugehörigkeit eine bestimmte Gruppe hat.
3. Was sind die stärksten Triebkräfte der Verfolgung?
Es gibt erhebliche Überschneidungen zwischen den Triebkräften der Verfolgung in Nigeria: Islamische Unterdrückung, ethnisch-religiöse Feindseligkeit, diktatorische Paranoia sowie organisiertes Verbrechen und Korruption greifen ineinander über. In den zwölf nördlichen Bundesstaaten gilt die Scharia. Der frühere Präsident Muhammadu Buhari hat Muslime in Schlüsselpositionen im Sicherheitsapparat und in wichtigen Wirtschaftsbereichen eingesetzt. Obwohl sein Nachfolger, Präsident Tinubu, ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen muslimischen und christlichen Amtsträgern in kritischen Positionen herstellte, müssen die Auswirkungen seiner Personalumstrukturierung erst noch abgewartet werden. Im ganzen Land herrscht eine Kultur der Straflosigkeit, in der die Grundrechte von Nichtmuslimen missachtet und Verstöße gegen Christen oftmals nicht geahndet werden. Nicht christliche (vor allem muslimische) religiöse Leiter fördern die Übergriffe auf Christen durch eine intolerante Ideologie und Aufstachelung zur Gewalt. Islamisch-extremistische Gruppen, wie etwa Boko Haram und ISWAP, greifen nach wie vor Zivilisten an, insbesondere Christen. In gleicher Weise wird Gewalt von militanten Fulani verübt und hinzu kommt die Gewalt, die von verschiedenen Gruppen bewaffneter Krimineller ausgeht. Dies alles geschieht seit vielen Jahren in den nördlichen Staaten, aber zunehmend auch in den südlichen. Zu den weiteren Verfolgern gehören Mobs bestehend aus Bürgern, die auf der Straße Gewalt gegen Christen ausüben, Familienmitglieder (insbesondere für Christen muslimischer Herkunft), politische Parteien und Netzwerke des organisierten Verbrechens.
Eine vollständige Übersicht aller im Land wirksamen Triebkräfte finden Sie im ungekürzten, englischen Länderprofil.
4. Welche Christen sind von Verfolgung betroffen?
Christen aus traditionellen Kirchen
Zu den traditionellen Kirchen gehören in Nigeria die römisch-katholische Kirche sowie protestantische, anglikanische, methodistische und lutherische Gemeinden. Diese Kirchen sind gewalttätigen Angriffen durch militante Gruppen und bewaffnete Kriminelle ausgesetzt, die ihren Besitz und das Leben ihrer Mitglieder bedrohen. Zusätzlich werden sie durch lokale Behörden, insbesondere in den nördlichen Bundesstaaten, diskriminiert. Die Gewalt hat sich ausgeweitet, sodass nun auch traditionelle Gemeinden in den südlichen Bundesstaaten betroffen sind, ebenso wie von der Landnahme und den Einschüchterungsversuchen durch militante Fulani.
Christen anderer religiöser Herkunft (Konvertiten)
Die meisten der Konvertiten in Nigeria haben einen muslimischen Hintergrund. Kommen sie aus dem Norden des Landes, müssen sie häufig aus ihren Häusern und Bundesstaaten fliehen, um ihr Leben zu retten und Schikane zu entgehen, und sie sind oft gezwungen, in Zufluchtshäusern Schutz zu suchen. Dass Konvertiten fliehen müssen, ist im Süden unwahrscheinlicher, obwohl es auch in südwestlichen Gebieten dazu kommen kann.
Christen aus protestantischen Freikirchen
Die evangelikalen und pfingstkirchlichen Gemeinden machen mittlerweile einen beträchtlichen Teil der nigerianischen Gesamtkirche aus. In den nördlichen Staaten haben diese zwei Gemeindegruppen mit Diskriminierung vonseiten der lokalen Behörden zu kämpfen sowie mit gewaltsamen Angriffen verschiedener militanter Islamistengruppen und bewaffneter Krimineller auf ihren Besitz und auf das Leben ihrer Gemeindemitglieder. Die Gewalt gegen Christen aus protestantischen Freikirchen hat sich aber auch auf die südlichen Staaten hin ausgeweitet.
5. Wie erfahren Christen Druck und Gewalt?
Betroffene Lebensbereiche und Auftreten von Gewalt
Privatleben
Christliche Konvertiten muslimischer Herkunft aus dem Norden des Landes (einschließlich einiger Teile des Südens) müssen häufig fliehen, um nicht von ihren Familien oder ihrem sozialen Umfeld getötet oder schikaniert zu werden. Alles, was ihren christlichen Glauben offenbart, ist gefährlich. Für Christen, die keine Konvertiten sind, kann ihr englisch oder biblisch klingender Name ein Hinweis auf ihren Glauben sein – ihr Name kann über Leben und Tod entscheiden, beispielsweise bei Überfällen von islamistischen Milizen. In einigen Bundesstaaten stellt es bereits eine große Gefahr dar, bloß in einem überwiegend von Christen bewohnten Landstrich zu leben und führt zu einem hohen Maß an Angst unter der Bevölkerung. Das Gleiche gilt für viele Christen, die als Binnenflüchtlinge in einem unsicheren Umfeld leben.
Familienleben
Christen stehen vor allem in den nördlichen Bundesstaaten (und in einigen Teilen des Südens) vor großen Herausforderungen im Familienleben: Christliche Konvertiten muslimischer Herkunft fürchten die Entdeckung ihres neuen Glaubens durch ihre Familien, da dies den Verlust des Sorgerechts für ihre Kinder bedeuten oder sie zur Flucht von zu Hause zwingen könnte. Wenn eine Christin Witwe wird, nehmen manchmal muslimische Verwandte die Kinder zu sich, um sie als Muslime zu erziehen. In den Lagern für Binnenflüchtlinge ist es für christliche Eltern schwierig, ihre Kinder gemäß ihres Glaubens zu erziehen.
Gesellschaftliches Leben
Im Norden des Landes sowie in Teilen des Südens werden Menschen mit englischen oder biblischen Namen in Schulen, Krankenhäusern und am Arbeitsplatz häufig diskriminiert. In muslimisch geprägten Gebieten gelten Christen als Ungläubige und werden schikaniert. Männer können sogar dafür festgenommen werden, einen „unmoralischen Haarschnitt“ zu tragen. Herrschende Emire sind mitunter an der Entführung christlicher Mädchen zum Zweck der Zwangsheirat beteiligt. Staatliche Versorgungsmaßnahmen erreichen die christlichen Gemeinschaften nicht in dem Maße, wie sie es sollten. In einigen ländlichen Gebieten wird Christen der Zugang zu Wasser verweigert, sodass sie stundenlang zu Fuß gehen müssen, um Wasser zu schöpfen. Sogar in Städten werden christlichen Wohnvierteln manchmal öffentliche Infrastruktur und Anlagen zur sanitären Grundversorgung verweigert. Es wird mehr in die Infrastruktur für Gebiete mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit investiert als in christlich geprägte Gebiete. Unter den Binnenflüchtlingen werden Christen bei der Verteilung von Hilfsgütern oft ausgeschlossen.
Leben im Staat
Christen müssen in Diskussionen mit Muslimen sehr vorsichtig agieren, weil ihre Worte leicht gegen sie verwendet werden und sie wegen Beleidigung des Islam beschuldigt werden können. Es wurden bereits Christen auf der Stelle getötet, weil sie beschuldigt worden waren, Mohammed oder den Islam verunglimpft zu haben. Allgemein herrscht ein Klima der Straffreiheit. Diejenigen, die Christen und ihr Eigentum angreifen, werden fast nie verhaftet. Auf der anderen Seite haben Christen Gefängnisstrafen für Verbrechen verbüßt, für die Muslime rasch freigesprochen oder für die sie gar nicht erst angeklagt werden. Manchmal werden Christen sogar vor Scharia-Gerichten angeklagt, die gar keine Zuständigkeit für Christen haben. Ihre Aussagen haben dort nur halb so viel Gewicht wie die eines Muslims. Obwohl die Verfassung das Recht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit anerkennt, hat die Scharia (in den zwölf nördlichen Staaten, in denen sie eingeführt wurde) Vorrang vor diesem Recht. In den Medien werden Angriffe auf christliche Gemeinschaften häufig als „kommunale Konflikte“ bezeichnet. Medien, die Muslimen gehören, berichten kaum über Angriffe von Muslimen auf Christen oder stellen sie verzerrt dar.
Kirchliches Leben
Im Norden werden Kirchen zerstört und Pastoren (manchmal zusammen mit ihren Familien) entführt oder ermordet. Das Gleiche geschieht mit vielen anderen Christen. Kirchliche Aktivitäten werden überwacht, behindert oder unterbunden. Christen wird zudem Land für den Bau von Kirchen verweigert. Die offene Integration von Christen muslimischer Herkunft in eine Gemeinde könnte Gewalt gegen die Kirche und ihr Eigentum provozieren, weswegen viele christliche Konvertiten in sicherere Gegenden Nigerias ziehen. Doch die Unsicherheit hat sich auch im Süden Nigerias ausgebreitet. In einer Atmosphäre des Chaos und der Straflosigkeit ist es riskant, sich öffentlich gegen die Menschenrechtsverletzungen an Christen und anderen Nigerianern auszusprechen.
Beispiele für Auftreten von Gewalt
- Am 12. Oktober 2022 überfielen bewaffnete militante Fulani das Dorf Dunga (Local Government Area Kajuru, Bundesstaat Kaduna) und entführten 17 Bauern.
- Vom 17. April bis zum 10. Juli 2023 kam es im Bundesstaat Plateau (insbesondere in der Local Government Area Mangu) zu anhaltenden Angriffen. Militante Fulani töteten 315 Christen, mehr als 18.500 Menschen wurden vertrieben, fast alle von ihnen waren Christen.
- Am Palmsonntag 2023 drangen bewaffnete Männer in die Pfingstkirche in Akenawe Tswarev (Local Government Area Logo, Bundesstaat Benue) ein, töteten einen kleinen Jungen und entführten den Gemeindeleiter, Pastor Gwadue Kwaghtyo, und zwei weitere Christen.
6. Entwicklung in den letzten 5 Jahren
Jahr | Platzierung | Punktzahl |
2024 | 6 | 88 |
2023 | 6 | 88 |
2022 | 7 | 87 |
2021 | 9 | 85 |
2020 | 12 | 80 |
Die Werte für den Druck in Nigeria sind im Berichtszeitraum des Weltverfolgungsindex 2024 weitgehend unverändert geblieben. Dasselbe gilt auch für die Gewalt, die weiterhin den höchstmöglichen Wert erreicht. Christen und ihre Kirchengemeinden und Gemeinschaften werden in vielen Landesteilen nach wie vor angegriffen. Obwohl im Jahr 2023 mit Bola Ahmed Tinubu als Nachfolger von Muhammadu Buhari ein neuer Präsident eingesetzt wurde, ist unklar, was dies für die Christen in Nigeria bedeuten wird. Tinubu ist wie schon Buhari Muslim – das verstößt gegen eine informelle Vereinbarung, wonach die Präsidentschaft zwischen einem Christen und einem Muslim wechseln sollte. Jedoch hat der neue Präsident eine umfassende Personalumstrukturierung vorgenommen, die für ein besseres repräsentatives Gleichgewicht zwischen den beiden Religionen sorgt, als es unter Buhari der Fall war. Dies könnte dazu führen, dass das Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen verstärkt anerkannt wird, die gegen Christen verübt werden, und die Sicherheitskräfte wirksamer zum Schutz der Christen eingreifen. Der Beweis dafür ist jedoch noch nicht erbracht worden.
7. Sind Frauen und Männer unterschiedlich von Verfolgung betroffen?
Frauen
Die zahlreichen Angriffe durch Boko Haram, ISWAP, militante Fulani und bewaffnete Kriminelle terrorisieren christliche Gemeinschaften. Frauen werden dabei von Milizen vergewaltigt, zwangsprostituiert, gegen Lösegeld entführt und getötet. Entführte Mädchen wurden Berichten zufolge aber nicht nur zwangsverheiratet, sondern auch als menschliche Schutzschilde oder als Druckmittel bei Verhandlungen eingesetzt. Frauen, die sexualisierte Gewalt erlitten haben, sind nicht nur traumatisiert; ihre Lage verschlimmert sich manchmal noch dadurch, dass ihre Ehemänner sich mit der Situation nicht abfinden können und ihre Ehefrauen möglicherweise als „befleckt“ betrachten, damit aber die Stigmatisierung und Scham noch vermehren. Auch in Flüchtlingslagern sind Frauen von sexualisierter Gewalt betroffen.
Männer
Im Norden Nigerias und zunehmend auch im Süden werden christliche Männer und Jungen häufig von Akteuren wie Boko Haram, ISWAP, militanten Fulani und bewaffneten Kriminellen angegriffen und getötet. Dadurch wird die derzeitige Generation von christlichen Männern stark dezimiert, aber auch garantiert, dass die Geburtenrate in christlichen Familien sinkt. Die Überlebenden und die kleinen Jungen stehen in der Gefahr, als Kämpfer der Milizen zwangsrekrutiert zu werden. Auch in Bezug auf Arbeitsplätze und Bildung werden christliche Männer strategisch diskriminiert. Wenn ein Mann getötet wird, seinen Arbeitsplatz verliert oder sein Eigentum beschlagnahmt wird, kann seine von ihm abhängige Familie verarmen.
8. Verfolgung anderer religiöser Gruppen
Anhänger von traditionellen afrikanischen Religionen sind bekanntermaßen Angriffen und Entführungen ausgesetzt. Im Zeitraum von 2019 bis 2022 wurden 40 Anhänger dieser Religionen angegriffen und getötet und 133 wurden entführt, so ein im Februar 2023 veröffentlichter Bericht der „Beobachtungsstelle für Religionsfreiheit in Afrika“ (ORFA).
Auch Muslime, die nicht Teil einer militanten Gruppe sind, stehen in der Gefahr, Opfer von Angriffen zu werden. Vor allem in den nordwestlichen und zentralen Bundesstaaten wurden viele Muslime von denselben Gruppen getötet bzw. entführt, die auch Christen getötet bzw. entführt haben; sie mussten ebenfalls aus ihren Dörfern fliehen. Schiiten sind in Nigeria verboten.
9. Gebetsanliegen
Bitte beten Sie für Nigeria:
- Beten Sie um Frieden für die Christen und ein Ende der Gewalt. Beten Sie, dass Jesus seine hart verfolgte Gemeinde in Nigeria schützt und erhält.
- Bitte beten Sie dafür, dass der neue Präsident Bola Ahmed Tinubu in die Tat umsetzt, gegen Gewalttäter im Land vorzugehen. Beten Sie, dass die Personalumstrukturierungen Wirkung zeigen.
- Beten Sie um Trost, Hoffnung und Heilung für die Christen, die Traumata erlitten haben.
- Beten Sie um Schutz und Weisheit für die lokalen Partner von Open Doors, die bei ihre Hilfsprojekten für Christen in Nigeria Überfälle und Entführung riskieren müssen. Beten Sie, dass ihre Arbeit die Kirche in Nigeria stärkt und die Hoffnung wiederherstellt.