Weltverfolgungsindex 2024

Syrien

Christenverfolgung in Syrien

Berichtszeitraum: 1. Oktober 2022 – 30. September 2023

Überblick

Traditionelle Kirchen werden von der Regierung meist geduldet. Die Leiter dieser Kirchen und Gemeinden sind jedoch in der Öffentlichkeit als kirchliche Amtsträger erkennbar und damit besonders gefährdet. Gerade in Gebieten, in denen islamistische Milizen aktiv sind, stehen diese Leiter in der Gefahr, entführt, angegriffen oder getötet zu werden; die meisten Kirchengebäude in diesen Gebieten wurden entweder zerstört oder in islamische Zentren umgewandelt. Auch evangelikale Pastoren sind gefährdet: Man betrachtet sie als westlich orientiert, sie sind bekannt dafür, offen das Evangelium zu verkündigen, und ihre Gemeinden gelten als zersplittert beziehungsweise haben sie nicht die Hilfe eines prominenten, politisch vernetzten Leiters, wie etwa eines Papstes oder Bischofs. Während der ersten Jahre des Bürgerkriegs wurden Christen in Gebieten, die von der Regierung kontrolliert wurden, weniger überwacht. Seitdem die Behörden ihre Macht zurückgewinnen, hat die Kontrolle möglicher Dissidenten wieder zugenommen.

Christliche Konvertiten muslimischer oder drusischer Herkunft werden besonders von ihren Familien und ihrem sozialen Umfeld unter Druck gesetzt, da eine Konversion beziehungsweise der Abfall vom Islam große Schande über die Familie bringt. Dies gilt besonders in den Regionen, in denen Sunniten die Mehrheit ausmachen. Dort drohen Konvertiten körperliche Angriffe oder die Verstoßung durch ihre Familien.

Seit der türkischen Invasion im Oktober 2019 haben türkische Streitkräfte die Angehörigen ethnischer und religiöser Minderheiten angegriffen, vergewaltigt, entführt und ermordet. Darunter waren sowohl Kurden als auch Christen und Jesiden. Zudem haben sie sunnitische Binnenflüchtlinge aus anderen Teilen Syriens in den Norden gebracht und in Häusern einquartiert, die zuvor Angehörigen ethnischer Minderheiten gehört hatten, die dann aber geflohen waren. Die Folge ist ein demografischer Wandel.

Länderprofil als PDF

Das folgende Länderprofil ist ein übersetzter Auszug aus dem Country Dossier von World Watch Research, der Forschungsabteilung von Open Doors. Das vollständige Dossier auf Englisch sowie das gekürzte Länderprofil auf Deutsch (beides als PDF) finden Sie hier zum Download.

Country Dossier als PDF

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1. Hintergrund

Syrien befindet sich seit 2011 in einem Bürgerkrieg, der alle Menschen des Landes in Gefahr brachte. Kennzeichnend für den Krieg ist der unterschiedslose Einsatz von Waffen, sowohl durch die Regierung als auch durch Rebellengruppen, das heißt, es wird bei den Angriffen nicht zwischen militärischen und zivilen Zielen unterschieden. Die Regierung erhielt militärische Unterstützung aus dem Iran sowie von Russland und der Hisbollah, sodass sie die Kontrolle über verlorene Gebiete zurückgewinnen konnte, aber die Konflikte zwischen der Regierung und den Aufständischen halten an. Die Opposition hat Unterstützung von internationalen Verbündeten wie Saudi-Arabien, der Türkei und Katar erhalten. Darüber hinaus werden die kurdischen Milizen in der sogenannten „Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien“ (auch als Rojava bekannt) von der US-Regierung unterstützt, die auch einen Militärstützpunkt in at-Tanf, im äußersten Osten Syriens, unterhält.

Der größte Teil des Landes wird mittlerweile wieder von der Regierung kontrolliert, mit Ausnahme des Gouvernements Idlib, des westlichen Teils des Gouvernements Aleppo, der nördlichen Region des Gouvernements Hama und des Nordostens. Diese Gebiete werden derzeit von türkischen Streitkräften, der „Internationalen Allianz gegen den Islamischen Staat“, islamistischen Gruppen oder kurdischen Behörden kontrolliert.

Syrien hat eine mehrheitlich sunnitisch-muslimische Bevölkerung. In der Verfassung ist festgelegt, dass der Präsident Muslim sein muss und dass die islamische Rechtslehre eine wesentliche Quelle für die Gesetzgebung sein soll. Die meisten Christen in Syrien gehören traditionellen Kirchen an (hauptsächlich orthodoxen und katholischen sowie einigen traditionellen protestantischen Kirchen). Christen genießen in den von der Regierung kontrollierten Gebieten einen recht guten Ruf; gleichzeitig sind Aktivitäten, die als Missionierung verstanden werden könnten, eingeschränkt. In den von der Opposition kontrollierten Gebieten werden prominente Christen von islamisch-extremistischen Gruppen mitunter bedroht, eingeschüchtert und entführt.

Während des Bürgerkriegs haben die Christen in Syrien unverhältnismäßig stark unter den Kämpfen und der damit verbundenen Vertreibung gelitten. Ihre Verwundbarkeit im gegenwärtigen politischen Machtkampf ist auf Faktoren wie fehlende politische und militärische Macht, angebliche Verbindungen zum Westen und Ressentiments gegen die vermeintlich engen Verbindungen der syrischen Christen zum Assad-Regime zurückzuführen.

In den Kurdengebieten der Rojava ist es Muslimen offiziell erlaubt, ihren Glauben zu wechseln und sich als Christen registrieren zu lassen. Diese Registrierung wird jedoch von der syrischen Regierung nicht anerkannt. In den Kurdengebieten ist der von der Familie ausgehende Druck auf christliche Konvertiten zudem weniger stark, da kurdische Sunniten in der Regel weniger extremistische Einstellungen vertreten. Diese günstigen Bedingungen sind durch die im Oktober 2019 begonnene Invasion der türkischen Streitkräfte bedroht. Praktisch alle von der kurdischen Autonomieverwaltung erzielten Verbesserungen zur Religionsfreiheit wurden in den nun von der Türkei kontrollierten Gebieten wieder rückgängig gemacht.

Weltanschauungen Anhänger %
Christen 579.000 2,8
Muslime 19.672.000 95,3
Hindus 1.900 < 0,1
Juden 100 < 0,1
Bahai 420 < 0,1
Atheisten 15.300 0,1
Agnostiker 369.000 1,8
Andere 100 < 0,1

2. Gibt es regionale Unterschiede?

In den letzten Bastionen islamisch-extremistischer Gruppen im Gouvernement Idlib im Nordwesten und in al-Hasaka im Nordosten stehen Christen besonders unter Druck.

Im Rest des Landes genießen traditionelle christliche Kirchen und – in geringerem Maß – protestantische Freikirchen ein gewisses Maß an Freiheit. Auf Konvertiten wird im ganzen Land Druck ausgeübt, aber besonders im Nordwesten und Nordosten sind sie in Gefahr.

3. Was sind die stärksten Triebkräfte der Verfolgung?

Islamische Unterdrückung

Islamische Unterdrückung ist die wichtigste Triebkraft der Verfolgung in Syrien und für die meisten Gräueltaten und Übergriffe gegen Christen verantwortlich. Militante Angehörige islamisch-extremistischer Gruppen wie der mit al-Qaida verbundenen „Hayat Tahrir al-Scham“ (HTS) und „Dschaisch al-Islam“ sowie Mitglieder der von der Türkei unterstützten Oppositionsgruppen sind derzeit die Hauptverfolger dieser Triebkraft in Syrien. Sie operieren offen im Nordwesten Syriens und im nördlichen Teil des Landes, einschließlich in al-Hasaka und Qamischli. Militante Islamisten kontrollieren derzeit Gebiete, in denen ungefähr 15 Prozent der Einwohner Syriens leben. Die türkischen Militäroperationen führten ab 2016 zur Besetzung von Gebieten in Nordsyrien und seit Oktober 2019 auch in der sogenannten „sicheren Zone“ entlang der syrisch-türkischen Grenze. Die Türkei setzt arabische islamistische Kämpfer ein, um die kurdischen Gebiete zu kontrollieren. Die islamische Unterdrückung ist in den von der Opposition kontrollierten Gebieten enorm. Sie ist jedoch auch in Gebieten präsent, die von der Regierung kontrolliert werden. Hier sind insbesondere christliche Konvertiten muslimischer Herkunft betroffen. Sie erfahren Verfolgung vonseiten ihrer Familien und ihres sozialen Umfelds.

Diktatorische Paranoia

Diese Art von Verfolgung geht in erster Linie von bewaffneten Gruppen aus, die Teile Syriens kontrollieren, darunter die von der Türkei unterstützten Oppositionskräfte. Mit dieser Kontrolle verfolgt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan das Ziel, den vergangenen Ruhm des Osmanischen Reichs wiederherzustellen. Seit Oktober 2019 haben die von der Türkei unterstützten Kräfte in al-Hasaka mehrfach das Wasser für kurdische und christliche Minderheiten abgestellt, genauso wie für die umliegenden ländlichen Gebiete, in denen mehr als eine Million Menschen wohnen. Damit sollten sie zur Unterwerfung gezwungen werden. Militante islamische Gruppen haben viele Grundstücke von Christen in ihren Besitz gebracht. Auf Seiten der Regierung zeigt Präsident al-Assad zwar eine positive Haltung gegenüber Christen traditioneller Kirchen, doch sein Hauptziel ist soziale Stabilität und nicht der Schutz von Rechten religiöser Minderheiten. Berichten zufolge nehmen Überwachung und Verhöre durch die Behörden zu. Die Regierung betrachtet Christen und christliche Gruppen, die das Evangelium aktiv weitergeben, als eine Bedrohung des Status quo und geht deshalb gegen diese vor.

Unterdrückung durch den Clan oder Stamm

Die Stammeskultur in Syrien ist mit dem Islam vermischt, insbesondere in den nördlichen Kurdengebieten und den Wüstenregionen im Zentrum des Landes. Eine Hinwendung zum christlichen Glauben wird als Verrat gegenüber der Stammesgemeinschaft und als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen. Wenn Konvertiten entdeckt werden, reagieren die Familien und örtlichen Stammesführer mit großem Widerstand. Ein Scheich kann die Hinrichtung christlicher Konvertiten erlauben, auch kann er genehmigen, dass Muslime die Grundstücke von Konvertiten und ihr Eigentum in Besitz nehmen und sogar ihre Frauen „übernehmen“.

Organisiertes Verbrechen und Korruption

Korruption und Bestechung sind weitverbreitet. Transparency International führt Syrien als das drittkorrupteste Land weltweit auf. Dies geschieht vor dem Hintergrund von Straflosigkeit und Anarchie und beeinträchtigt den Zugang zu Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung. Christen stehen in dem Ruf, wohlhabend zu sein, und werden von kriminellen Netzwerken entführt, um Lösegeld zu erpressen. Besonders weitverbreitet sind das organisierte Verbrechen und die Korruption in den vom türkischen Militär und von islamischen militanten Gruppen besetzten Gebieten sowie in den drusisch und alawitisch dominierten Regionen. In Latakia, wo vor allem Alawiten leben, ist die Entführung junger Christen zu einem großen Problem geworden.

Konfessioneller Protektionismus

Infolge des Bürgerkriegs wurden viele Brücken zwischen traditionellen Kirchengemeinden und protestantischen Gruppen geschlagen, vor allem durch persönliche Kontakte zwischen Priestern und Pastoren. Dagegen sträuben sich allerdings einige hochrangige Leiter traditioneller Kirchen. Sie beschuldigen manche protestantische Christen, ihr Land zu verraten, indem sie sich mit westlichen politischen Agenden verbünden würden, was sie in den Augen der Behörden verdächtig mache.

Eine vollständige Übersicht aller im Land wirksamen Triebkräfte finden Sie im ungekürzten, englischen Länderprofil.

4. Welche Christen sind von Verfolgung betroffen?

Christen aus traditionellen Kirchen

Hierbei handelt es sich zumeist um griechisch-orthodoxe und römisch-katholische Christen. Als größte christliche Gruppe im Land werden Mitglieder traditioneller Kirchen gezielt angegriffen. Sie leben im ganzen Land und damit auch in den Konfliktgebieten. Im Gouvernement Idlib, das von international agierenden dschihadistischen Gruppen kontrolliert wird, sind die wenigen übrig gebliebenen christlichen Familien aus traditionellen Kirchen von Tod, Folter oder Überfällen bedroht und verstecken ihren Glauben daher. Die Angriffe der Türkei und der von ihnen unterstützten Truppen haben viele Christen im Nordwesten, Norden und Nordosten aus ihrem Zuhause vertrieben. Der politische Ruf von Denominationen, Kirchengemeinden und lokalen Gemeindeleitern – ob man sie gegenüber Präsident al-Assad als positiv, negativ oder neutral eingestellt betrachtet – hat großen Einfluss auf das Maß der Unterdrückung, das sie von den Gruppen erfahren, die gegen al-Assad kämpfen.

Christen anderer religiöser Herkunft (Konvertiten)

Christliche Konvertiten muslimischer oder drusischer Herkunft werden besonders von ihren Familien unter Druck gesetzt, da der Abfall von ihrer Religion große Schande über die Familie bringt. Dies gilt besonders in mehrheitlich von Sunniten bewohnten Regionen, wo christlichen Konvertiten die Verstoßung durch ihre Familien oder Schlimmeres droht. Besonders in den von Rebellen kontrollierten Gebieten ist die Intensität der Verfolgung von Christen muslimischer Herkunft durch die Familien und die Gesellschaft gestiegen – eine Folge der wachsenden Radikalisierung des Islam dort. In den Kurdengebieten ist der von der Familie ausgehende Druck etwas weniger stark, da kurdische Sunniten in der Regel weniger extremistische Einstellungen vertreten. Eine Ausnahme sind dabei die kurdisch dominierten Wüstenregionen, in denen das Stammesdenken einen größeren Einfluss hat und der praktizierte Islam konservativer ausgerichtet ist.

Christen aus protestantischen Freikirchen

Baptistische, evangelikale und pfingstkirchliche Christen sind stark gefährdet, da sie für ihre westliche Ausrichtung bekannt sind. Ihre Gemeinden gelten als zersplittert, als ohne starke Führung und als ohne die Hilfe eines Fürsprechers im Ausland, wie etwa eines Papstes oder Bischofs, der ihr Anliegen öffentlich vorbringen könnte. Die meisten dieser protestantischen Freikirchen haben keine umfassende offizielle Anerkennung und keinen rechtlichen Status. Weil sie das Evangelium aktiv weitergeben, werden sie besonders zum Ziel militanter islamistischer Gruppen sowie auch der Regierung, die die Stabilität des Landes um jeden Preis erhalten will. Evangelikale Gemeinden sind jedoch nicht die einzigen, die das Evangelium weitergeben; mehrere traditionelle Kirchen, insbesondere auch katholische, sind ebenfalls daran beteiligt.

5. Wie erfahren Christen Druck und Gewalt?

Betroffene Lebensbereiche und Auftreten von Gewalt

Privatleben 13.4
Familienleben 14.3
Gesellschaftliches Leben 13.9
Leben im Staat 14.3
Kirchliches Leben 14.2
Auftreten von Gewalt 11.1

Die Summe der Wertungen aller sechs Bereiche (die maximale Punktzahl beträgt jeweils 16,7) ergibt die Gesamtpunktzahl und somit die Platzierung auf dem Weltverfolgungsindex. Das Verfolgungsmuster zeigt das Ausmaß von Druck und Gewalt, welche durch das Zusammenwirken der Triebkräfte hervorgerufen werden.

Privatleben

In Gebieten, die von islamistischen Oppositionsgruppen kontrolliert werden, wie dem Gouvernement Idlib, ist es für Christen gefährlich, mit Nichtchristen über ihren Glauben zu sprechen, denn auf einen Glaubenswechsel weg vom Islam steht dort im Allgemeinen die Todesstrafe. In kurdisch kontrollierten Gebieten ist es Muslimen zwar gesetzlich erlaubt, ihren Glauben zu wechseln, doch werden sie vor allem von ihren Familien unter Druck gesetzt. In von der Regierung kontrollierten Gebieten ist es für Christen muslimischer Herkunft riskant, über den Glauben zu sprechen – es könnte als versuchte Evangelisation interpretiert werden, was gesetzlich verboten ist. Andere Christen können ihren Glauben schriftlich zum Ausdruck bringen, solange sie weder die Politik noch andere Glaubensrichtungen erwähnen. Muslimen ist es, außer in den kurdisch kontrollierten Gebieten, gesetzlich verboten, einen anderen Glauben anzunehmen. Der Glaubenswechsel wird jedoch nicht unter Strafe gestellt.

Familienleben

In Syrien gibt es keinen rechtlichen Rahmen für Ehen zwischen einer Christin muslimischer Herkunft und einem traditionellen oder freikirchlichen Christen. Ihre Ehe wäre illegal. Interreligiöse Ehen sind mit einem großen gesellschaftlichen Stigma behaftet. Die Folgen davon können Entfremdung, Diskriminierung und Verfolgung durch Familienmitglieder sein – bis hin zum Mord. Die Ehre eines muslimischen Mannes wird in den Augen der Gesellschaft beschmutzt, wenn seine Frau oder Tochter den christlichen Glauben annimmt. Sowohl Kultur als auch Religion erachten es für richtig, sie zu töten, doch Scheidung ist die häufigere Lösung. Lässt sich ein muslimischer Ehepartner von einem Christen scheiden, wird das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder in der Regel der muslimischen Seite zugesprochen. Manche christlichen Mütter konvertieren deshalb zum Islam, nur damit sie ihre Kinder behalten können. Die Kinder von christlichen Konvertiten gelten von Geburt an als Muslime, da ihre Eltern ihre Glaubenszugehörigkeit nicht offiziell ändern lassen können. Das autonome Gebiet Rojava stellt hier eine seltene Ausnahme dar: Dies ist die einzige Region in Syrien, in der es Muslimen erlaubt ist, ihre Religion legal zu wechseln und sich als Christen registrieren zu lassen. Diese Registrierung wird jedoch von der syrischen Regierung nicht anerkannt. Infolge des verstärkt erteilten islamischen Unterrichts in den von der Regierung kontrollierten Gebieten werden Kinder von Christen und insbesondere von Konvertiten diskriminiert und schikaniert.

Gesellschaftliches Leben

Christen werden in ganz Syrien überwacht, insbesondere in Gebieten, die von islamistischen Oppositionsgruppen kontrolliert werden. In den von der Regierung kontrollierten Gebieten werden christliche Konvertiten und protestantische Freikirchen besonders genau beobachtet und die Predigten überprüft. Der Religionsunterricht wird in den Schulen je nach Konfessionszugehörigkeit erteilt. Christliche Konvertiten muslimischer Herkunft gelten noch immer als Muslime, daher müssen ihre Kinder am Islamunterricht teilnehmen. Unter Umständen werden Christen auch in der Arbeitswelt diskriminiert. In Aleppo beherrschen sunnitische Muslime den Markt und stellen oft keine Christen ein.

Leben im Staat

In der syrischen Verfassung von 2012 ist festgelegt, dass der Präsident Muslim sein muss und dass die islamische Rechtslehre eine wesentliche Quelle für die Gesetzgebung sein soll. Damit ist die Grundlage für eine diskriminierende Behandlung von Nichtmuslimen gelegt. Die Verfassung schreibt den Schutz aller Religionen vor, solange sie „die öffentliche Ordnung nicht gefährden“. Außer in Rojava wird der Glaubenswechsel vom Islam zu einer anderen Religion nicht anerkannt. In Gebieten, die von islamistischen Oppositionsgruppen besetzt werden, gilt die Scharia, was die Freiheiten aller religiösen Gruppen, die nicht sunnitisch sind, massiv einschränkt. In von der Regierung kontrollierten Gebieten müssen erwachsene Männer im Militär dienen. Andernfalls drohen ihnen Gefängnisstrafe oder Zwangseinberufung. Dieser Umstand veranlasst männliche Christen, aus Syrien zu fliehen, beziehungsweise lässt sie zögern, dorthin zurückzukehren.

Kirchliches Leben

Seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien werden Gottesdienste überwacht. Von Kirchen- und Gemeindeleitern wird erwartet, dass sie ihre Gemeindemitglieder dazu aufrufen, das Regime von al-Assad zu unterstützen. Schon vor dem Bürgerkrieg vermieden es christliche Leiter, über die Weitergabe des Evangeliums an Muslime zu sprechen oder sich respektlos über den Islam zu äußern. In den von islamistischen Gruppen beherrschten Gebieten wurden die meisten Kirchengebäude entweder geschlossen, zerstört oder zu islamischen Zentren umfunktioniert. Die Aufnahme von Christen muslimischer Herkunft in offiziell anerkannten Kirchen wurde von der Regierung noch nie gern gesehen. Das wird damit begründet, dass dies zur Sektenbildung führen oder Konflikte zwischen unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften hervorrufen könnte. Viele Kirchen in den von islamistischen Gruppen kontrollierten Gebieten wurden entweiht, vor allem durch die Entfernung von Kreuzen.

Beispiele für Auftreten von Gewalt

  • Am 22. Juni 2023 wurde die assyrische Sankt-Georgs-Kirche in Qamischli von einer Gruppe angegriffen, die durch ein Fenster einstieg. Die Angreifer zerstörten Mobiliar, entweihten Kreuze, verübten obszöne Handlungen am Altar der Kirche und stahlen Kupferkreuze und Ikonen. Nach Angaben von Experten vor Ort kommt es in der Küstenregion im Westen Syriens mindestens einmal im Monat zur Beschädigung oder Plünderung einer Kirche und eines anderen christlichen Gebäudes.
  • Während des Berichtszeitraums gingen Hinweise ein, wonach in Aleppo, al-Hasaka und christlichen Dörfern im Süden insgesamt mindestens 100 christliche Häuser beschlagnahmt oder geplündert wurden, ohne dass es zu einer strafrechtlichen Verfolgung oder anderen Konsequenzen für die Täter kam. Christen sind in der Regel unbewaffnet, was sie zu leichten Zielen macht.
  • Nach den Erdbeben vom Februar 2023 kam es zu einer neuen Migrationswelle christlicher Familien, weil sie sich unter sunnitischen Muslimen nicht willkommen und unsicher fühlten. Der Rückgang der christlichen Bevölkerung, die zunehmende Gefährdung und die Diskriminierung in der Arbeitswelt haben viele dazu veranlasst, das Land zu verlassen. Außerdem sahen sich mindestens 40 Familien von christlichen Konvertiten gezwungen, aufgrund des Glaubenswechsels das Land verlassen.

6. Entwicklung in den letzten 5 Jahren

Jahr Platzierung Punktzahl
2024 12 81
2023 12 80
2022 15 78
2021 12 81
2020 11 82

Der Anstieg der Gesamtpunktzahl ist auf einen sehr leichten Anstieg des Drucks in allen fünf Lebensbereichen zurückzuführen. Der Wert für Gewalt ist jedoch von 11,3 Punkten leicht auf 11,1 Punkte gesunken. Der minimale Unterschied von nur einem Punkt im Vergleich zur letztjährigen Gesamtwertung ist vor allem auf mehr Informationen über die Situation in den kurdischen Gebieten zurückzuführen, wo der Druck stärker ist als bisher bekannt war. Darüber hinaus wurde bekannt, dass Christen in Gebieten, die von der Regierung kontrolliert werden, aufgrund falscher Anschuldigungen vor Gericht gestellt wurden, wobei ihre zusätzliche Verletzlichkeit als Minderheit eine wichtige Rolle gespielt hatte.

7. Sind Frauen und Männer unterschiedlich von Verfolgung betroffen?

Frauen

Vor dem Hintergrund der anhaltenden Instabilität und der Einschränkung der Religionsfreiheit sind Frauen gefährdet, die religiösen Minderheiten angehören, darunter auch Christinnen. Ihnen drohen Entführung, sexuelle Belästigung und Vergewaltigung. Die Zahl solcher Fälle ist drastisch zurückgegangen, seitdem der sogenannte „Islamische Staat“ Gebiete in Syrien verloren hat. Dies kann dennoch weiterhin sowohl in den von der Regierung kontrollierten als auch in den von den Rebellen gehaltenen Gebieten geschehen. Vergewaltigung wird genutzt, um christliche Familien zu beschämen und ihre Gemeinschaften zu destabilisieren. Christliche Konvertitinnen erleben zudem gewaltsame Übergriffe vonseiten ihrer eigenen Familien. Sie werden mitunter häuslicher Gewalt oder einer Zwangsheirat mit einem Muslim ausgesetzt oder werden möglicherweise sogar getötet, um die Ehre der Familie wiederherzustellen.

Männer

Junge einheimische männliche Christen befürchten besonders, zur syrischen Armee oder zu anderen militärischen Gruppierungen zwangsrekrutiert zu werden. Einige verweigern den Militärdienst aus Gewissensgründen, was ein Grund für ihre Auswanderung sein kann. Arbeitslose Christen haben große Schwierigkeiten, einen Arbeitsplatz zu finden; und diejenigen, die einen Arbeitsplatz haben, haben kaum Chancen auf eine Beförderung. Da Männer in der Regel die Hauptverdiener sind, ist dadurch die gesamte Familie gefährdet. Männliche christliche Konvertiten sind zusätzlichem Druck ausgesetzt; es kann passieren, dass sie von ihrer Familie bedroht oder geschlagen werden oder dass ihnen das Erbe verweigert wird. Konvertiten mit muslimischem Hintergrund stehen zudem unter starkem Druck, eine muslimische Frau zu heiraten.

8. Verfolgung anderer religiöser Gruppen

Viele andere religiöse Minderheiten sind in unterschiedlichem Ausmaß ebenfalls Verfolgung ausgesetzt, darunter Schiiten, Alawiten, Drusen, Juden, Jesiden und Zoroastrier. Schiitische, alawitische und drusische Gemeinschaften werden von sunnitischen Dschihadisten nicht nur deswegen verfolgt, weil ihr Glaube als ketzerisch angesehen wird, sondern im Fall der Alawiten auch, weil ihnen Verbindungen zu Präsident al-Assad vorgeworfen werden. Jesiden und Zoroastrier sind zwei von Syriens Regierung nicht anerkannte kurdische Religionsgemeinschaften. Ihre Kinder werden als Sunniten registriert – in der Schule müssen sie am Islamunterricht teilnehmen.

9. Gebetsanliegen

Bitte beten Sie für Syrien:

  • Beten Sie für die Gemeindeleiter und die Christen mit muslimischem Hintergrund: dass Jesus sie vor Gewalt schützt und ihnen Hoffnung und Zuversicht gibt.
  • Beten Sie, dass Gott nach mehr als zehn Jahren Krieg und Zerstörung Frieden ins Land bringt und die Herzen der Mächtigen erweicht, damit sie für die Schwächsten der syrischen Gesellschaft sorgen.
  • Beten Sie dafür, dass die syrischen Christen zu ihren Häusern, Familien, Gemeinden und ihrer Lebensgrundlage zurückkehren können, und dass Gott das Leben derjenigen wiederherstellt, die bereits zurückgekehrt sind.
  • Beten Sie für die Christen, dass sie ein Licht der Hoffnung in Syrien sind und denen Trost und Hilfe bringen, die unter einem Trauma oder dem Mangel an Nahrung und anderen lebensnotwendigen Dingen leiden.

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