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Turkmenistan
Christenverfolgung in Turkmenistan
Berichtszeitraum: 1. Oktober 2022 – 30. September 2023
Überblick
Turkmenistan ist ein totalitärer Staat, in dem die Behörden einzelne Christen und religiöse Gruppen (wie auch die übrige Gesellschaft) konstant überwachen und ihnen Beschränkungen auferlegen. Selbst Gottesdienste der russisch-orthodoxen und der armenisch-apostolischen Kirchen (die traditionellen Kirchen in der Region) können von der Überwachung betroffen sein. Das Drucken und die Einfuhr von christlichen Schriften sind stark eingeschränkt. Christen muslimischer Herkunft erleiden die schwersten Verletzungen ihrer Rechte, sowohl durch den Staat als auch durch die Familie und Gesellschaft.
Länderprofil als PDF
Das folgende Länderprofil ist ein übersetzter Auszug aus dem Country Dossier von World Watch Research, der Forschungsabteilung von Open Doors. Das vollständige Dossier auf Englisch sowie das gekürzte Länderprofil auf Deutsch (beides als PDF) finden Sie hier zum Download.
1. Hintergrund
Turkmenistan erlangte 1991 im Zuge des Zusammenbruchs der Sowjetunion seine Unabhängigkeit. Der Präsident ist Staatsoberhaupt und Regierungschef zugleich. Echte Oppositionsparteien sind nicht zugelassen. Trotz des Reichtums an Bodenschätzen im Land sind Arbeitslosigkeit und Armut weit verbreitet. In Turkmenistan gibt es ein System von Zwangsarbeitslagern, in denen Tausende von Menschen unter entsetzlichen Bedingungen inhaftiert sind.
Obwohl die Verfassung die Republik als säkularen Staat ausweist und Religionsfreiheit vorsieht, ist der sunnitische Islam die Hauptreligion. Doch die meisten Turkmenen folgen eher den Traditionen als den Lehren des Islam. Die Regierung hat die Religionen streng reglementiert: So ernennt der Staat zum Beispiel muslimische Geistliche, überwacht und diktiert die Religionsausübung und bestraft Nonkonformität durch Inhaftierung, Folter und administrative Schikanen.
Laut World Christian Database gibt es neben der Hauptreligion des Islam auch eine nennenswerte Minderheit von Agnostikern und Atheisten in Turkmenistan. Sie sind vor allem in der Hauptstadt Aschgabat und anderen Großstädten anzutreffen.
Die kleine christliche Minderheit ist aufgrund vieler Spaltungen und der geringen Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Konfessionen geschwächt; dies spielt der Regierung in die Hände. Nach den Daten der World Christian Database (Stand März 2023) sind die größten offiziellen Kirchen in Turkmenistan die russisch-orthodoxe Kirche, die armenisch-apostolische Kirche sowie die ukrainisch-orthodoxe Kirche. Protestanten werden aufgrund ihrer Form der Religionsausübung, die außerhalb der staatlich kontrollierten Strukturen stattfindet, häufig als „Extremisten“ bezeichnet.
Im Bericht zur internationalen Religionsfreiheit 2022 (erstellt im Auftrag des US-Außenministeriums) heißt es über Turkmenistan: „Das Gesetz schreibt vor, dass alle religiösen Organisationen beim Justizministerium (MOJ) eine Neuregistrierung beantragen müssen, wenn sich ihre Adresse oder ihre Satzung ändert; das betrifft auch diejenigen Organisationen, die zuvor bereits registriert waren. Eine Registrierung erlaubt das Gesetz nur für religiöse Organisationen, die mindestens 50 Mitglieder über 18 Jahren haben – eine Anforderung, die es in ähnlicher Weise auch für zivile Vereinigungen gibt. [...] Nicht registrierte religiöse Organisationen beziehungsweise nicht registrierte Tochtergemeinden von registrierten religiösen Organisationen dürfen keine religiösen Aktivitäten durchführen, keine Gebetsstätten einrichten, sich nicht zu Gottesdiensten versammeln, auch nicht in Privatwohnungen, kein religiöses Material herstellen oder verbreiten und keine Missionierung betreiben. Jede derartige Aktivität wird als Ordnungswidrigkeit mit Geldstrafen zwischen 100 und 2.000 Manat (570 $) geahndet, wobei die Geldstrafen für Leiter der Organisationen höher und für Mitglieder niedriger ausfallen.“
Die Christen in Turkmenistan müssen äußerst vorsichtig vorgehen. Polizei und Geheimdienste überwachen ständig ihre Aktivitäten. Für ausländische Christen ist es sehr schwierig, Turkmenistan zu besuchen, ob als Touristen oder in irgendeiner anderen Funktion. Und umgekehrt werden turkmenische Bürger daran gehindert, Christen in anderen Ländern zu besuchen; Ausreisevisa sind erforderlich und werden häufig verweigert.
Weltanschauungen | Anhänger | % |
Christen | 66.000 | 1,1 |
Muslime | 6.079.000 | 96,8 |
Buddhisten | 820 | < 0,1 |
Anhänger ethnischer Religionen | 1.000 | < 0,1 |
Juden | 500 | < 0,1 |
Bahai | 1.300 | < 0,1 |
Atheisten | 24.100 | 0,4 |
Agnostiker | 110.000 | 1,8 |
Andere | 730 | < 0,1 |
2. Gibt es regionale Unterschiede?
Überall im Land kommt es durch Regierungsbeamte zu Verletzungen der Rechte von Christen. Der Druck von Familie und dem sozialen Umfeld auf christliche Konvertiten muslimischer Herkunft ist in ländlichen Gebieten stärker.
3. Was sind die stärksten Triebkräfte der Verfolgung?
Diktatorische Paranoia
Nur staatlich kontrollierte Institutionen sind erlaubt. Protestanten werden aufgrund ihrer religiösen Aktivitäten außerhalb staatlich kontrollierter Strukturen häufig als „Extremisten“ gebrandmarkt. Die Regierung sieht in den Protestanten eine Bedrohung des politischen Status quo und damit als Personen, die es zu kontrollieren und zu unterdrücken gilt.
Islamische Unterdrückung, gemischt mit Unterdrückung durch den Clan oder Stamm
Christen muslimischer Herkunft sind häufig dem Druck und der körperlichen Gewalt ihrer Familien und der Dorfgemeinschaft ausgesetzt, die so versuchen, sie zur Rückkehr zum Islam zu zwingen. Einige christliche Konvertiten müssen mit Hausarrest oder Ausschluss aus ihren Dorfgemeinschaften rechnen. Daher versuchen viele, ihren Glauben geheim zu halten.
Eine vollständige Übersicht aller im Land wirksamen Triebkräfte finden Sie im ungekürzten, englischen Länderprofil.
4. Welche Christen sind von Verfolgung betroffen?
Christen aus traditionellen Kirchen
Die russisch-orthodoxe Kirche hat sich an die von der Regierung gesetzten Einschränkungen angepasst und wird daher mehr oder weniger in Ruhe gelassen. Ihre Gottesdienste werden zwar gelegentlich überwacht, können aber ungehindert durchgeführt werden. Der Druck und die Einfuhr von christlichen Schriften sind stark eingeschränkt.
Christen anderer religiöser Herkunft (Konvertiten)
Christliche Konvertiten mit muslimischem Hintergrund werden ihrer Rechte durch den Staat beraubt und erleben starken Druck von ihrer Familie und ihrem sozialen Umfeld.
Christen aus protestantischen Freikirchen
Zu den Christen aus protestantischen Freikirchen gehören baptistische, evangelikale und pfingstkirchliche Gruppen. Abgesehen von den christlichen Konvertiten erfahren diese Gemeinden die stärksten Verletzungen ihrer Rechte aufgrund ihres Glaubens. Dazu zählen Razzien, Drohungen, Verhaftungen und Geldstrafen, insbesondere dann, wenn die Kirchen nicht registriert sind.
5. Wie erfahren Christen Druck und Gewalt?
Betroffene Lebensbereiche und Auftreten von Gewalt
Privatleben
Die Einfuhr und Herstellung religiöser Schriften werden von der Regierung streng kontrolliert. Es ist gefährlich, privat im Besitz christlicher Schriften zu sein; der Besitz gilt als Beweis für einen Glaubenswechsel, der als Verrat an Familie und Kultur angesehen wird. Familie und soziales Umfeld reagieren auf die Hinwendung zum christlichen Glauben oft mit sozialem Druck, wirtschaftlicher Ausgrenzung oder sogar Gewalt.
Familienleben
Kinder von christlichen Konvertiten werden von der überwiegend muslimischen Gesellschaft unter immensen Druck gesetzt. Das geschieht etwa durch den Islamunterricht, an dem sie auch gegen den Willen ihrer Eltern teilnehmen müssen. Auch werden Kinder von christlichen Konvertiten und von Protestanten vom sozialen Umfeld häufig ausgegrenzt, um sie zur Rückkehr zum Islam zu zwingen.
Gesellschaftliches Leben
Christliche Konvertiten werden von der Familie und der Gemeinschaft (darunter auch örtliche islamische Autoritätspersonen) bedroht, um sie dazu zu bringen, ihren christlichen Glauben aufzugeben. Christen aus nicht registrierten protestantischen Gruppen werden sowohl von Mitgliedern ihres sozialen Umfelds als auch den staatlichen Behörden überwacht und schikaniert, weil man sie beschuldigt, das Evangelium weiterzugeben. Infolgedessen sind Christen Drohungen, Diskriminierung und Einschränkungen ausgesetzt und werden mit Geldstrafen belegt. Die Übergriffe reichen bis hin zu staatlich organisierten Razzien, die in der Regel auf Betreiben lokaler muslimischer Informanten durchgeführt werden.
Leben im Staat
Die Feindseligkeit der turkmenischen Gesellschaft gegenüber Christen wird durch einen großen und Christen feindlich gesinnten Staatsapparat unterstützt, der versucht, der Bevölkerung eine gesellschaftliche und damit auch religiöse Einheitlichkeit aufzuzwingen. Das Religionsgesetz sieht ein Verbot nicht registrierter religiöser Organisationen vor und untersagt religiöse Bildung außerhalb staatlicher Einrichtungen. Das Regime zensiert Christen, kontrolliert die Medien und verbietet Oppositionsparteien.
Kirchliches Leben
Für nicht registrierte Kirchen ist die Erlangung eines Rechtsstatus praktisch unmöglich. Alle registrierten Kirchen müssen sich nach dem neuen Gesetz alle drei Jahre neu registrieren lassen – ein kompliziertes und zeitaufwendiges Verfahren. Kirchen, vor allem protestantische, haben oftmals Schwierigkeiten, Gebäude zu finden, weil Vermieter Christen ablehnen.
Beispiele für Auftreten von Gewalt
Mindestens 22 Christen waren körperlicher oder psychischer Gewalt ausgesetzt. Bei den meisten gemeldeten Fällen handelt es sich um Gewalt gegen christliche Konvertiten in ihrem familiären Umfeld. Dabei kam es zu Schlägen und Zwangsisolation.
6. Entwicklung in den letzten 5 Jahren
Jahr | Platzierung | Punktzahl |
2024 | 29 | 70 |
2023 | 26 | 70 |
2022 | 25 | 69 |
2021 | 23 | 70 |
2020 | 22 | 70 |
Die Gesamtpunktzahl von Turkmenistan auf dem Weltverfolgungsindex 2024 ist im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen, aber nur um etwas weniger als einen Punkt. Die Verfolgungssituation ist im Wesentlichen unverändert, mit nur geringfügigen Veränderungen in einigen Lebensbereichen sowie im Blick auf die Gewalt im Land. Staatliche Behörden überwachen ständig Kirchen und Christen; und muslimische Familien, Freunde und Dorfbewohner üben Druck auf Konvertiten aus.
7. Sind Frauen und Männer unterschiedlich von Verfolgung betroffen?
Frauen
Der gesetzliche Schutz von Frauen in Turkmenistan ist nach wie vor lückenhaft, auch in Bezug auf häusliche Gewalt. In der vorherrschenden islamischen Kultur ist eine Frau einem Mann untergeordnet. Christliche Konvertitinnen sind besonders von Schlägen, Hausarrest, Beschimpfungen, Drohungen, Ablehnung, Entführung und Zwangsheirat bedroht. Frauen und Mädchen sind nach wie vor von sexueller Belästigung und Vergewaltigung bedroht, zeigen die Fälle jedoch aufgrund von Stigmatisierung und Scham selten an, und den Tätern wird häufig Straffreiheit gewährt. Der Missbrauch von Frauen wird zur Einschüchterung und Bedrohung ihrer Ehemänner, Familien und Kirchen eingesetzt.
Männer
In der Regel übernehmen die Männer Führungsaufgaben in den Familien und Kirchen. Folglich wirkt sich die gegen Männer gerichtete Verfolgung auf ihre Familien und Kirchengemeinden aus und verursacht Angst, Spannungen und finanzielle Nöte. Staatlichen Behördenmitarbeitern ist jeder Vorwand recht, um christliche Männer zu bestrafen; Christen in Führungspositionen werden von ihnen unter Druck gesetzt. Christliche Leiter haben es schwer, Aus- und Fortbildungen zu besuchen; für alle Formen von religiöser Bildung gelten strenge Auflagen. Beim obligatorischen Militärdienst sind Christen Diskriminierung, Intoleranz und Verfolgung ausgesetzt. Auf gesellschaftlicher Ebene erleben Christen, dass Muslime ihre Geschäftstätigkeiten behindern. Christliche Konvertiten werden darüber hinaus belästigt, verhört, diskriminiert, bloßgestellt und geschlagen.
8. Verfolgung anderer religiöser Gruppen
Die Diskriminierung und Verfolgung der Regierung konzentriert sich nicht auf eine bestimmte religiöse Gruppe. Im Bericht zur internationalen Religionsfreiheit 2022 (erstellt im Auftrag des US-Außenministeriums) heißt es zu Turkmenistan, dass Muslime, Christen, Juden und Bahai von einem hohen Maß an staatlicher Überwachung und Unterdrückung betroffen sind: „[Eine] unbekannte Zahl von Muslimen, die in den vergangenen Jahren aus religiösen Gründen verhaftet worden waren, sind weiterhin im Gefängnis.“
9. Gebetsanliegen
Bitte beten Sie für Turkmenistan:
- Beten Sie um Schutz der Gemeinden vor Razzien.
- Beten Sie für Gemeindeleiter, die aufgrund ihres Glaubens verhaftet und inhaftiert wurden: dass Jesus sie stärkt und ermutigt und dass sie schnell freigelassen werden und zu ihren Gemeinden zurückkehren können.
- Beten Sie für Christen muslimischer Herkunft um Bewahrung vor körperlicher Gewalt durch ihr soziales Umfeld – und dass sie trotz des Drucks von Familie und Umfeld an Jesus festhalten.
- Bitten Sie Jesus Christus, die Herzen der Regierenden in Turkmenistan zu erreichen und dass sie sich für das Evangelium öffnen.