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Mali
Christenverfolgung in Mali
Berichtszeitraum: 1. Oktober 2022 – 30. September 2023
Überblick
Inmitten einer sich verschlechternden Sicherheitslage hat sich in Mali die Bedrohung durch den islamistischen Extremismus ausgedehnt – über seine ursprüngliche Hochburg im Norden hinaus sind nun auch zunehmend südliche Regionen davon betroffen. Christliche Dorfgemeinschaften, die bereits durch die Angriffe und Zerstörung von Kirchen im Jahr 2012 gezeichnet sind, befinden sich nun in einer noch prekäreren Lage. Der Zerfall der Institutionen des Landes hat ein Vakuum geschaffen, das dschihadistische Gruppen gerne füllen. So wird nicht nur die Stabilität des Landes bedroht, es bringt auch die Christen in eine besonders schwierige Situation.
Evangelistische Aktivitäten sind nun mit einem erhöhten Risiko von Gewalt und Entführungen verbunden. Indessen kämpft der zersplitterte Sicherheitsapparat darum, den wachsenden Einfluss extremistischer Gruppen einzudämmen. Die bereits instabile Lage wird dadurch noch komplexer und gefährlicher, dass einige Dschihadisten ihre Angriffe aufeinander abstimmen.
Christliche Konvertiten mit muslimischem Hintergrund leben in besonderer Gefahr. Der familiäre und gesellschaftliche Druck, dem sie bisher bereits ausgesetzt waren, hat sich durch die Zunahme dschihadistischer Aktivitäten noch verstärkt; und die Aushöhlung des Rechtsstaates ermutigt Extremisten, noch offener und gewaltsamer gegen Konvertiten vorzugehen. So wird das Thema der Religionsfreiheit akuter und drängender.
Länderprofil als PDF
Das folgende Länderprofil ist ein übersetzter Auszug aus dem Country Dossier von World Watch Research, der Forschungsabteilung von Open Doors. Das vollständige Dossier auf Englisch sowie das gekürzte Länderprofil auf Deutsch (beides als PDF) finden Sie hier zum Download.
1. Hintergrund
Einst war Mali ein Leuchtturm relativer Toleranz, dank seiner Errungenschaften im Bereich der demokratischen und bürgerlichen Freiheiten und durch den mildernden Einfluss des Sufismus. Doch nun verzeichnet Mali einen drastischen Rückgang bei der Sicherheit und den Freiheiten seiner christlichen Bevölkerung. Der Bürgerkrieg im Jahr 2012 schuf ein Vakuum, das von militanten islamistischen Gruppen wie „al-Qaida im islamischen Maghreb“ gefüllt wurde. Diese Gruppen stellen eine ernsthafte und dauerhafte Bedrohung für die christlichen Gemeinschaften im Land dar, insbesondere in den nördlichen Regionen, wo solche Gruppen besonders aktiv sind.
Nach dem Abzug der französischen Truppen 2022 und nachdem die malische Regierung im Juni 2023 die UN aufforderte, das Land zu verlassen, hat sich die Lage noch weiter zugespitzt. In dem Maße, in dem sich die internationalen Friedenstruppen zurückziehen, wird die Position der „Gruppe Wagner“, einer russischen privaten paramilitärischen Organisation, noch gestärkt. Die Wagner-Gruppe wird beschuldigt, Gräueltaten an der Zivilbevölkerung begangen zu haben, und ihre Anwesenheit macht die ohnehin instabile Sicherheitslage komplizierter.
Die malische Regierung, die seit Mai 2021 von Vizepräsident Assimi Goita übergangsweise geführt wird, hat sich als unfähig erwiesen, die dschihadistische Bedrohung einzudämmen. So wächst die Gefahr für Christen immer weiter, und sie sind zunehmend mit Entführung, Zwangsrekrutierung für bewaffnete Gruppen und Zwangskonversion zum Islam konfrontiert. Schulen in kirchlicher Trägerschaft hatten keine andere Wahl, als zu schließen. Das Gefühl eines Belagerungszustandes wurde in den betroffenen Gemeinschaften so weiter verschärft.
Die missliche Lage ist jedoch nicht einheitlich: Die größte christliche Konfession, die römisch-katholische Kirche, und viele protestantische Gemeinden sind vor allem in Großstädten wie Bamako präsent. Gleichzeitig befinden sich diejenigen Christen, die in ländlichen Gebieten leben, in einer äußerst gefährlichen Situation – auch wenn sie öffentliche Funktionen ausüben und etwa als Lehrer tätig sind.
Im Juni 2023 wurde unter der Militärregierung ein Referendum über einen neuen Verfassungsentwurf abgehalten. Die Regierung behauptet, dies erleichtere die Rückkehr zu einer verfassungsmäßigen und zivilen Regierung bis März 2024, wie dies von der „Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft“ (ECOWAS) gefordert wird. Doch angesichts der undurchsichtigen Rolle externer Akteure wie der Wagner-Gruppe und der schlechten Erfolgsbilanz der Regierung bleiben die Aussichten für die Christen in Mali düster und ungewiss.
Weltanschauungen | Anhänger | % |
Christen | 497.000 | 2,2 |
Muslime | 19.674.000 | 89,0 |
Anhänger ethnischer Religionen | 1.907.000 | 8,6 |
Bahai | 1.300 | < 0,1 |
Atheisten | 510 | < 0,1 |
Agnostiker | 25.600 | 0,1 |
Andere | 900 | < 0,1 |
2. Gibt es regionale Unterschiede?
Die meisten malischen Christen leben zwar im Süden des Landes, aber durch die Bedrohung der zunehmenden islamisch-extremistischen Aktivitäten im Norden und Nordosten des Landes geraten auch sie vermehrt unter Druck. Und auch im südlichen Teil des Landes gibt es kleine Gebiete, in denen zu einem gewissen Grad eine intensive Verfolgung herrscht.
3. Was sind die stärksten Triebkräfte der Verfolgung?
Islamische Unterdrückung
Im Jahr 2012 wurde der gemäßigte Islam in Mali abgelöst. Islamisten, die stark vom Wahhabismus und von globalen Trends der islamischen Radikalisierung und Politisierung beeinflusst sind, führten im Norden ein strenges Scharia-Regime ein. Sie zerstörten Kirchen und griffen Christen an. Doch auch die Christen und Gemeinden im Süden Malis werden zunehmend von wahhabitischen Gruppen unter Druck gesetzt.
Organisiertes Verbrechen und Korruption
Das Land liegt in der Sahelzone Westafrikas und umfasst riesige Wüstengebiete, die für die Sicherheitsbehörden schwer zu kontrollieren sind. Kriminelle Banden nutzen dies aus, um Drogen nach Westeuropa zu schmuggeln. Ein Großteil dieser Banden hat sich mit islamistischen Gruppen verbündet und verfolgt ebenso wie sie Christen. Nachdem sie von der Regierung und ihren Verbündeten besiegt wurden, sind viele frühere Tuareg-Rebellen inzwischen kriminelle Akteure, die auf den illegalen Handel mit Waffen, Drogen und Menschen ausgerichtet sind.
Unterdrückung durch den Clan oder Stamm
Obwohl die meisten Menschen in Mali Muslime sind, vermischt sich ihr Glaube oft mit ethnisch-religiösen Stammespraktiken. In den abgelegenen Teilen des Landes sind die meisten Stammes- oder ethnischen Anführer feindselig gegenüber Muslimen oder Christen eingestellt, die sich solchen Praktiken widersetzen. Das kann zu Zusammenstößen zwischen Stammesführern und Muslimen oder Christen führen.
Diktatorische Paranoia
Schon früher verletzten Regierungsbeamte in eklatanter Weise ihre Pflicht, Christen vor Verfolgung zu schützen, doch erst in den letzten Jahren ist das Problem der diktatorischen Paranoia als Triebkraft der Verfolgung ans Licht gekommen. Dies trifft insbesondere auf die Zeit nach dem letzten Putsch zu, in dessen Zusammenhang praktisch jede christliche Gruppe, die die Sicherheit oder den Schutz vor dem Gesetz sucht, als Bedrohung für die Macht des Militärregimes angesehen wird.
Eine vollständige Übersicht aller im Land wirksamen Triebkräfte finden Sie im ungekürzten, englischen Länderprofil.
4. Welche Christen sind von Verfolgung betroffen?
Ausländische Christen und Arbeitsmigranten
Ausländische Christen können ihrem Glauben zwar Ausdruck verleihen, sie müssen ihn also nicht im Geheimen und in der Isolation leben, sie sind jedoch ein leichtes Ziel für Entführungen.
Christen aus traditionellen Kirchen
Nur etwa 2,2 Prozent der malischen Bevölkerung sind Christen. Die meisten von ihnen gehören traditionellen Kirchen wie der römisch-katholischen Kirche an. Diejenigen von ihnen, die im Süden des Landes leben, haben im Vergleich zu den Christen im Norden relativ viel Religionsfreiheit, aber die Gefahr von Gewalt und Entführungen durch islamisch-extremistische Gruppen hat auch für sie im Berichtszeitraum zugenommen.
Christen anderer religiöser Herkunft (Konvertiten)
Christliche Konvertiten muslimischer Herkunft gibt es vor allem unter den Volksgruppen der Bozo und der Dogon. Zusätzlich zur Bedrohung durch islamisch-extremistische Gruppen, unter denen die meisten Christen in Mali leiden, werden Konvertiten in unterschiedlichem Maße auch noch von ihren Familien und ihrem sozialen Umfeld unter Druck gesetzt, dem christlichen Glauben abzuschwören.
Christen aus protestantischen Freikirchen
Dazu gehören charismatische und pfingstkirchliche Gemeinden, die vor allem im Süden Malis zu finden sind. Aufgrund ihrer Art des Gottesdienstes und ihrer Aktivitäten zur Weitergabe des Evangeliums ziehen solche Gemeinden häufig die Feindschaft der Gesellschaft auf sich.
5. Wie erfahren Christen Druck und Gewalt?
Betroffene Lebensbereiche und Auftreten von Gewalt
Privatleben
Christliche Konvertiten muslimischer Herkunft erfahren in Mali die vergleichsweise größten Schwierigkeiten in ihrem Privatleben, da sie von Familienangehörigen und Menschen aus ihrem sozialen Umfeld unter Druck gesetzt werden, ihren Glauben zu widerrufen. Allerdings müssen im Norden des Landes auch alle anderen Christen mit Schikanen und gewaltsamen Übergriffen rechnen, sollte ihr Glaube allgemein bekannt werden.
Familienleben
Der anhaltende militärische Konflikt in Mali hat die Ausübung des christlichen Glaubens zu einem Risiko gemacht. Anders als in vielen Ländern mit muslimischer Mehrheit ist der christliche Glaube in Mali zwar nicht per Gesetz verboten oder eingeschränkt, aber mit der Ausübung eines anderen Glaubens als des wahhabitischen Islam geht das Risiko gewaltsamer Repressalien von islamistischen Gruppen einher. Im Norden des Landes wurden Lehrkräfte eingeschüchtert und Kinder gezwungen, am Koranunterricht teilzunehmen; die islamistischen Gruppen forderten außerdem, dass Schulen, von denen viele von christlichen Organisationen betrieben werden, in Koranschulen umgewandelt werden. Muslimische Familien dulden die Abwendung eines Familienmitglieds vom Islam aus Gründen der Familienehre nicht und üben häufig Druck auf einen christlichen Konvertiten aus, damit er seinen christlichen Glauben aufgibt.
Gesellschaftliches Leben
Feindseligkeit und Gewalt sind zwar im Norden am schlimmsten, aber sie nehmen überall zu. Obwohl die Behörden Versuche unternommen haben, feindselige religiöse Propaganda zu verbieten, wird in den Moscheen immer entschiedener gegen Christen gepredigt. Der Druck auf die Bevölkerung in Zentralmali wächst, sich der Scharia unterzuordnen, obwohl diese in direktem Widerspruch zur säkularen Staatsgesetzgebung steht.
In Regionen, die unter der Kontrolle islamistischer Gruppen stehen, werden Kirchen abgerissen, und es wird jeder überwacht, der im Verdacht steht, Christ zu sein. Christen sind der Gefahr von Entführung, Vergewaltigung, Zwangsheirat und Ermordung ausgesetzt.
Leben im Staat
Mali ist offiziell ein säkularer Staat, der die Religionsfreiheit respektiert. Die islamisch-extremistischen Kämpfer im Norden lehnen jedoch dieses Konzept und die damit verbundene Freiheit ab. Da es nahezu keine politische und soziale Interessenvertretung für Christen in der Gesellschaft gibt, werden sie häufig unter Druck gesetzt, zum Islam zu konvertieren. Dieser Druck ist vor allem in der malischen Armee, den Sicherheitsbehörden sowie im Gesundheitswesen und Bankensektor zu spüren. In Mali zu reisen, ist als Christ, insbesondere als Missionar, extrem gefährlich geworden; in den letzten Jahren haben sich mehrfach Entführungen und Morde ereignet.
Kirchliches Leben
Christen, die versuchten, in den Norden zurückzukehren und beschädigte Kirchen zu reparieren, wurden schikaniert und angegriffen. Außerdem wurden geflüchtete Christen unter Androhung von Gewalt daran gehindert, Behelfskirchen zu bauen. Oft wird der Kontakt zu westlichen Nichtregierungsorganisationen, UN-Friedenstruppen oder verbündeten ausländischen Streitkräften von islamistischen Gruppen als „Evangelisierung“ ausgelegt. Unter diesem Vorwand greifen Ortsvorsteher und aufständische Gruppierungen wehrlose christliche Bevölkerungsgruppen oder deren Eigentum an.
Beispiele für Auftreten von Gewalt
Aus Sicherheitsgründen können keine konkreten Beispiele genannt werden.
6. Entwicklung in den letzten 5 Jahren
Jahr | Platzierung | Punktzahl |
2024 | 14 | 79 |
2023 | 17 | 76 |
2022 | 24 | 70 |
2021 | 28 | 67 |
2020 | 29 | 66 |
Die Gesamtpunktzahl stieg auf dem Weltverfolgungsindex 2024 gegenüber dem Vorjahr um drei Punkte an. Dies ist zum einen auf den Anstieg der Gewalt zurückzuführen, zum anderen hat sich der Druck im Land intensiviert, und die Vorfälle haben sich gehäuft sowie geografisch ausgeweitet. In den letzten fünf Berichtszeiträumen hat sich die Punktzahl Malis kontinuierlich erhöht und erreicht nun auf dem Weltverfolgungsindex 2024 den bislang höchsten Wert von 79 Punkten.
7. Sind Frauen und Männer unterschiedlich von Verfolgung betroffen?
Frauen
Bei den wiederkehrenden Angriffen durch islamisch-extremistische Gruppen drohen Christinnen Entführung und Zwangsheirat. Dies betrifft zwar nicht nur christliche Mädchen, ist aber gängige Taktik islamisch-extremistischer Gruppen, um den Islam zu verbreiten, und deshalb eine weithin gefürchtete Bedrohung. Insbesondere Christinnen muslimischer Herkunft stehen in der Gefahr, belästigt, bedroht, sexuell missbraucht, körperlich misshandelt und sogar ermordet zu werden. Alleinstehende christliche Konvertitinnen werden zwangsverheiratet, und verheiratete Konvertitinnen werden zwangsgeschieden und verlieren möglicherweise ihre Kinder. Die Vertreibung aus dem Elternhaus bedeutet für eine Christin eine erhöhte Schutzlosigkeit, weil sie damit den Rückhalt und die Hilfe ihrer Familie verliert. Im Allgemeinen müssen Frauen sich an die islamische Kleiderordnung halten.
Männer
Während die Angriffe islamisch-extremistischer Gruppen in ganz Mali unvermindert andauern, sind vor allem christliche Männer aufgrund ihres Glaubens Morddrohungen und gewaltsamen, körperlichen Angriffen ausgesetzt. Für Männer in ländlichen oder abgelegenen Gebieten besteht die Gefahr, dass sie von gewalttätigen Gruppen – häufig Dschihadisten – entführt, getötet oder zwangsrekrutiert werden. Mit gezielten Angriffen auf Häuser und Geschäfte von Christen werden deren Familien in die Armut getrieben, und so wird die christliche Gemeinschaft geschwächt. Christen, insbesondere Konvertiten, werden durch soziale Ausgrenzung oder eingeschränkten Zugang zu Arbeit und Bildung unter Druck gesetzt. Verheiratete Konvertiten können auch zwangsweise von ihren Frauen geschieden werden.
8. Verfolgung anderer religiöser Gruppen
Neben Christen sind auch die Anhänger ethnischer Religionen eine religiöse Minderheit in Mali. Obwohl diese Glaubensrichtungen seit jeher mit dem Islam koexistierten, bedroht der Vormarsch islamischer Extremisten diese Koexistenz. Auch einheimische Schiiten werden diskriminiert.
9. Gebetsanliegen
Bitte beten Sie für Mali:
- Beten Sie für Frieden, Stabilität und eine Normalisierung des Lebens in Mali. Beten Sie, dass die diesjährigen Wahlen friedlich verlaufen und eine gute, gerechte und stabile Regierung an die Macht kommt.
- Beten Sie um Gottes Trost und Hilfe für vertriebene Christen, die alles verloren haben und versuchen, ihr Leben in einer neuen Umgebung von vorne zu beginnen.
- Beten Sie für die islamischen Extremisten, die sich gegen die Christen in Mali wenden. Beten Sie, dass Gott ihre Herzen erweicht und sie Ihn und seine Gnade erkennen und annehmen.
- Beten Sie für die malischen Christen, die erschöpft sind von einem Leben unter ständiger Bedrohung und Verfolgung. Beten Sie, dass der Heilige Geist sie stärkt, leitet und ihren Glauben neu entfacht. Bitten Sie Jesus Christus, seine verfolgte Gemeinde im Land zu erhalten und zu stärken.