Erfahren Sie mehr über den Weltverfolgungsindex – die Rangliste und der Bericht zu den 50 Ländern, in denen Christen die stärkste Verfolgung erleben.
Nigeria
Christenverfolgung in Nigeria
Berichtszeitraum: 1. Oktober 2023 – 30. September 2024
1. Überblick
Christen in Nigeria leiden unter einer zermürbenden Gemengelage aus ethnisch-religiösen Anfeindungen, islamischer Unterdrückung, diktatorischer Paranoia und organisiertem Verbrechen und Korruption. Der bisherigen Regierung war es nicht gelungen, die Zunahme von Gewalt zu verhindern, die von islamisch-extremistischen Milizen ausgeht. Die meisten der Angriffe werden im Norden verübt und zwar von Milizen wie Boko Haram, ihrer inzwischen mächtigeren Abspaltung „Islamic State – West Africa Province“ („Islamischer Staat in der Provinz Westafrika“, ISWAP), von militanten Fulani sowie von bewaffneten Kriminellen. Dabei geht die meiste Gewalt gegen Zivilisten von den letzten beiden genannten Gruppen – also von militanten Fulani und bewaffneten Kriminellen – aus, weniger von Boko Haram und ISWAP, das zeigen Daten der Forschungsgruppe „Observatory for Religious Freedom in Africa“ („Beobachtungsstelle für Religionsfreiheit in Afrika“, ORFA).
Die Gefahr, dass es zu Gewalt kommt, wurde in den letzten Jahren noch durch den stetigen Zustrom militanter Fulani aus den Nachbarländern verschärft. Zu den verübten Gewalttaten gehören Mord, Körperverletzung, Vergewaltigung, Entführung, Besitznahme von Eigentum und Zerstörung von Ackerland. Davon sind Christen besonders betroffen. Mit dem Verlust ihres Landes werden sie auch ihrer Erwerbsquelle beraubt; viele von ihnen leben als Binnenflüchtlinge oder sind in andere Länder geflohen.
Im nördlichen Teil von Nigeria werden Christen diskriminiert und wie Bürger zweiter Klasse behandelt. Das trifft besonders auf die Bundesstaaten zu, in denen eine strikte Auslegung der Scharia gilt. Christliche Konvertiten mit muslimischem Hintergrund erleben zudem die Zurückweisung durch ihre eigenen Familien und werden unter Druck gesetzt, ihren christlichen Glauben aufzugeben; oft kommt es auch zu tätlichen Übergriffen. In den vergangenen Jahren hat das Ausmaß der Gewalt zugenommen und sich auf die südlichen Bundesstaaten ausgeweitet. Dadurch wurde das Gefühl der Unsicherheit und das Ausmaß der Straflosigkeit noch verstärkt. Der frühere Präsident Muhammadu Buhari hat Muslime in die wichtigsten Regierungsämter berufen. Das hat es den Christen erschwert, Menschenrechtsverletzungen anzuprangern, wenn sie solche erlitten hatten. Der derzeitige Präsident Bola Tinubu hat diesen Kurs teilweise umgekehrt. Christliche Gemeinschaften werden bei Übergriffen trotzdem oft von den Sicherheitskräften, die unter dem Befehl der nigerianischen Bundesregierung stehen, im Stich gelassen. Religiös motivierte Gewalt findet auch vor dem Hintergrund des Klimawandels und der Umweltzerstörung statt – wenn nämlich dadurch die überwiegend muslimischen Fulani-Hirten und ihr Vieh in den Süden getrieben und so die Beziehungen zwischen Hirten und Landwirten zusätzlich belastet werden.
Besonders beunruhigend sind zwei neue Entwicklungen. Zum einen ist im Nordwesten Nigerias eine neue dschihadistische Terrorgruppe namens „Lakurawa“ in Erscheinung getreten, die mit modernen Waffen ausgerüstet ist und eine islamisch-extremistische Agenda verfolgt. Lakurawa ist mit einer expansionistischen Aufstandsbewegung namens „Dschamaat Nusrat al-Islam wal-Muslimin“ verbunden, die ihren Ursprung in Mali hat und al-Qaida nahesteht. Zum zweiten gibt es Berichte darüber, dass sich ISWAP und Boko Haram zu einer einheitlichen Front zusammengeschlossen haben. Der Einschätzung nigerianischer Sicherheitsanalysten nach bestätigt diese Entwicklung, was auch sonst in der Sahelzone zu beobachten ist, nämlich dass dschihadistische Gruppen in dieser Region fortwährend Allianzen schmieden.
Länderprofil als PDF
Das nachfolgende Länderprofil ist ein übersetzter Auszug aus den ausführlichen Berichten von World Watch Research, der Forschungsabteilung von Open Doors. Dieses deutsche Länderprofil finden Sie hier auch als PDF zum Download. Die ausführlichen Berichte in englischer Originalfassung („Background Information“ und „Persecution Dynamics“) finden Sie am Ende dieser Seite.
2. Hintergrund
Erst im Jahr 1999, im Anschluss an eine 16-jährige Militärherrschaft, kam es zu einer dauerhaften Demokratisierung Nigerias. Muhammadu Buhari von der Partei „All Progressives Congress“ (APC) war von 2015 bis 2023 Präsident. Ihm folgt Bola Ahmed Tinubu. Nach seinem Amtsantritt im Mai 2023 begann er eine größere Personalumstrukturierung und ersetzte dabei die Befehlshaber der Verteidigungskräfte und andere hochrangige Positionen im Sicherheitsapparat. Das Ziel dieses Stühlerückens sollte ein besseres Gleichgewicht zwischen muslimischen und christlichen Amtsträgern sein. Auch Muslimen aus dem Südwesten, der Heimat des Präsidenten, gab Tinubu auf Kosten der Muslime aus dem Norden mehr Einfluss. Für die mangelnde Berücksichtigung bei der Vertretung anderer ethnischer Gruppen wurde der Präsident kritisiert. Tinubu erklärte, dass eine seiner Prioritäten darin bestehen werde, entschieden gegen Gewalttäter im Land vorzugehen. Doch im Berichtszeitraum des Weltverfolgungsindex 2025 ist ihm dies offenkundig noch nicht gelungen.
Ethnische und religiöse Zugehörigkeit spielen in der nigerianischen Politik eine bedeutende Rolle. Politiker versuchen, direkt und indirekt Unterstützung für sich zu mobilisieren, indem sie an ethnische und religiöse Motive anknüpfen. Historisch gesehen dominierten die muslimischen Hausa-Fulani das politische Feld – als Politiker, aber vor allem auch durch ihre Dominanz in der Armee, die immer ein wichtiger Akteur in der nigerianischen Politik war. Der größte Streitpunkt in der nigerianischen Politik ist die Verteilung der Einnahmen aus den beträchtlichen Ölvorkommen des Landes. Die Korruption ist weit verbreitet, sowohl auf föderaler als auch auf bundesstaatlicher Ebene.
Der südliche Teil Nigerias ist überwiegend (71 Prozent) christlich geprägt, während der Norden Nigerias (26 Prozent Christen) überwiegend muslimisch sozialisiert ist. Diese religiöse Teilung deckt sich größtenteils mit der ethnischen Spaltung in Nigeria: Die Hausa und die Fulani im Norden sind überwiegend muslimisch und die Igbo im Südosten Nigerias hauptsächlich christlich, während die Yoruba im Südwesten Nigerias sowohl einen bedeutenden muslimischen als auch christlichen Bevölkerungsanteil haben.
Obwohl Nigeria laut Verfassung ein säkularer Staat ist, hat die herrschende Elite des Nordens jahrzehntelang Christen zugunsten von Muslimen diskriminiert. Seit 1999 wurde die Scharia in zwölf nördlichen Bundesstaaten eingeführt.
In mehreren nördlichen Bundesstaaten greifen Milizen jene Dörfer an, die mehrheitlich von Christen bewohnt werden. Dabei entführen, vergewaltigen und töten sie Menschen, zerstören Kirchen und andere Gebäude, vernichten Ernten oder besetzen Ackerland. Die Gefahr, dass es zu Gewalt kommt, wurde in den letzten Jahren noch durch den stetigen Zustrom militanter Fulani aus den Nachbarländern verschärft. Auch verschiedene Gruppen bewaffneter Krimineller, viele von ihnen Fulani, sind für die Gewalt verantwortlich; auch sie vergewaltigen, töten und brandschatzen, vor allem aber entführen sie Menschen und zwingen ganze Dorfgemeinschaften in die Leibeigenschaft. Boko Haram und ISWAP greifen weiterhin Christen an, insbesondere christliche Leiter, aber in geringerer Zahl als dies militante Fulani und bewaffnete Kriminelle tun. Die Beziehungen zwischen den verschiedenen Gruppen (Boko Haram, ISWAP, militante Fulani, Kriminelle) sind vielschichtig. Gemeinsam tragen sie aber zu einer „Kultur der Gewalt“ bei, durch die Christen in Gefahr geraten. Die gilt vor allem in den nördlichen, aber auch in mehreren südlichen Bundesstaaten.
Aufgrund der Gewalt wurden Ende 2023 in Nigeria 3,3 Millionen Binnenvertriebene gezählt, von denen viele Christen sind.
All diese Gewalt verbreitet Angst, bringt Christen (und andere Nigerianer) in extreme Gefahr und traumatisiert die Menschen – und das in einem Land, in dem es im Verhältnis zur Not nur sehr wenige Angebote zur Traumaberatung und -bewältigung gibt. Entführungen sind zu einem regelrechten Geschäft geworden. Für die betroffenen Familien führen sie zu einem „Bankrott ganzer Generationen“, weil häufig ein enormes Lösegeld aufgebracht werden muss, um ein entführtes Familienmitglied loszukaufen. Ähnliches geschieht auch dann, wenn Priester, Pastoren und Gemeindeleiter entführt werden und sich die christlichen Gemeinden und Pfarreien in die Armut stürzen, um das Lösegeld zu bezahlen.
Das offensichtliche Versagen der Regierung, die Zivilbevölkerung zu schützen, hat weitreichende Auswirkungen: Aufgrund der derzeitigen Bedrohungslage wurden in Nordnigeria mehr als 10.000 Schulen geschlossen; Millionen von Kindern sind damit dem Analphabetismus, der Kinderheirat und der Armut ausgeliefert; islamistischen Milizen erleichtert dies die Rekrutierung junger Kämpfer – mit der Folge, dass sich die Spirale von Gewalt und Unterdrückung immer schneller dreht.
Weltanschauungen |
Anhänger |
% |
Christen |
106.608.000 |
46,5 |
Muslime |
105.322.000 |
46,0 |
Hindus |
45.000 |
< 0,1 |
Buddhisten |
12.600 |
< 0,1 |
Anhänger ethnischer Religionen |
16.417.000 |
7,2 |
Juden |
1.200 |
< 0,1 |
Bahai |
57.600 |
< 0,1 |
Atheisten |
65.500 |
< 0,1 |
Agnostiker |
592.000 |
0,3 |
Andere |
31.700 |
< 0,1 |
3. Gibt es regionale Unterschiede?
Die Lage ist für alle Zivilisten, insbesondere für Christen, sehr schwierig geworden. Nigeria hat sechs geopolitische Zonen. Früher hatte jede dieser Zonen ihr eigenes Profil hinsichtlich Feindseligkeiten gegen Christen (und andere). Im Nordosten ging die Gewalt vor allem von Boko Haram und ISWAP aus, im Nordwesten von den unterschiedlichen Gruppen bewaffneter Krimineller und im zentralen Norden – einschließlich des Bundesstaates Kaduna – von militanten Fulani. Nun ist im Norden die Gruppe Lakurawa in Erscheinung getreten. Lakurawa ist mit der expansionistischen Aufstandsbewegung Dschamaat Nusrat al-Islam wal-Muslimin verbunden, die ihren Ursprung in Mali hat und al-Qaida nahesteht. Jedenfalls ist die Gewalt nicht mehr länger auf die drei nördlichen geopolitischen Zonen beschränkt, sondern hat sich auf die drei südlichen Zonen ausgeweitet. Gleichzeitig haben sich die Einflussbereiche der verschiedenen Gruppen zu überschneiden begonnen, und es wird zunehmend schwieriger zu unterscheiden, welche gewalttätige Gruppe für welche Taten verantwortlich ist und welche spezifische Zugehörigkeit eine bestimmte Gruppe hat. So gehen Gebiete, in denen militante Fulani und bewaffnete Kriminelle operieren, ineinander über und überschneiden sich teilweise.
4. Was sind die stärksten Triebkräfte der Verfolgung?
Ethnisch-religiöse Feindseligkeit, islamische Unterdrückung, religiös motivierter Nationalismus, diktatorische Paranoia und organisiertes Verbrechen und Korruption
Es gibt erhebliche Überschneidungen zwischen den Triebkräften der Verfolgung in Nigeria: Islamische Unterdrückung, ethnisch-religiöse Feindseligkeit, diktatorische Paranoia sowie organisiertes Verbrechen und Korruption greifen ineinander über. In den zwölf nördlichen Bundesstaaten gilt die Scharia. Der frühere Präsident Buhari hat Muslime, vor allem aus den nördlichen Bundesstaaten, in Schlüsselpositionen im Sicherheitsapparat und in wichtigen Wirtschaftsbereichen eingesetzt. Sein Nachfolger, Präsident Tinubu, stellte ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen muslimischen und christlichen Amtsträgern in kritischen Positionen her, wurde aber dafür kritisiert, dass er weiterhin Muslime aus dem Bundesstaat ernennt, aus dem er stammt. Trotz der von Präsident Tinubu ergriffenen Maßnahmen herrscht im ganzen Land eine Kultur der Straflosigkeit, in der die Grundrechte von Nichtmuslimen missachtet und Verletzungen der Rechte von Christen oftmals nicht geahndet werden. Nicht christliche (vor allem muslimische) religiöse Leiter fördern die Übergriffe auf Christen durch eine intolerante Ideologie und Aufstachelung zur Gewalt. Islamisch-extremistische Gruppen, wie etwa Boko Haram und ISWAP, greifen nach wie vor Zivilisten an, insbesondere Christen. Ebenso und in noch stärkerem Maße fokussiert sich die Gewalt von militanten Fulani und verschiedenen Gruppen bewaffneter Krimineller gegen Christen. Dies alles geschieht seit vielen Jahren in den nördlichen Staaten, aber zunehmend auch in den südlichen. Zu den weiteren Verfolgern gehören aufgebrachte Menschenmengen, bestehend aus Bürgern, die auf der Straße Gewalt gegen Christen ausüben, Familienmitglieder (insbesondere für christliche Konvertiten muslimischer Herkunft), politische Parteien und Netzwerke des organisierten Verbrechens.
Eine vollständige Übersicht aller im Land wirksamen Triebkräfte finden Sie im ungekürzten, englischen Dokument „Persecution Dynamics“.
5. Welche Christen sind von Verfolgung betroffen?
Christen aus traditionellen Kirchen
Zu den traditionellen Kirchen gehören in Nigeria die römisch-katholische Kirche sowie protestantische, anglikanische, methodistische und lutherische Gemeinden. Diese Kirchen sind gewalttätigen Angriffen durch Gruppen von Milizen und bewaffneten Kriminellen ausgesetzt, die ihren Besitz und das Leben ihrer Mitglieder bedrohen. Zusätzlich werden sie durch lokale Behörden, insbesondere in den nördlichen Bundesstaaten, diskriminiert. Die Gewalt hat sich ausgeweitet, sodass nun auch traditionelle Gemeinden in den südlichen Bundesstaaten betroffen sind, ebenso wie von der Landnahme und den Einschüchterungsversuchen durch militante Fulani.
Christen aus protestantischen Freikirchen
Die evangelikalen und pfingstkirchlichen Gemeinden machen mittlerweile einen beträchtlichen Teil der nigerianischen Gesamtkirche aus. Ihre Erfahrungen sind mit denen der traditionellen Kirchen vergleichbar. In den nördlichen Staaten haben diese zwei Gemeindegruppen mit Diskriminierung vonseiten der lokalen Behörden zu kämpfen sowie mit gewaltsamen Angriffen verschiedener militanter Islamistengruppen und bewaffneter Krimineller auf ihren Besitz und auf das Leben ihrer Gemeindemitglieder. Die Gewalt gegen Christen aus protestantischen Freikirchen hat sich aber auch auf die südlichen Staaten hin ausgeweitet.
6. Wie erfahren Christen Druck und Gewalt?
Betroffene Lebensbereiche und Auftreten von Gewalt
Privatleben
Christliche Konvertiten muslimischer Herkunft aus dem Norden des Landes (einschließlich einiger Teile des Südens) müssen häufig fliehen, um nicht von ihren Familien oder ihrem sozialen Umfeld getötet oder schikaniert zu werden. Alles, was ihren christlichen Glauben offenbaren könnte, stellt eine Gefahr für sie dar. Für Christen, die keine Konvertiten sind, kann bereits ihr englisch oder biblisch klingender Name einen Hinweis auf ihren Glauben geben – und dies kann über Leben und Tod entscheiden, beispielsweise bei Überfällen von islamistischen Milizen. In einigen Bundesstaaten stellt es bereits eine große Gefahr dar, bloß in einem überwiegend von Christen bewohnten Landstrich zu wohnen. Dort leben alle Menschen mit einem hohen Maß an Angst. Das Gleiche gilt für viele Christen, die als Binnenflüchtlinge in einem unsicheren Umfeld leben.
Familienleben
Christen stehen vor allem in den nördlichen Bundesstaaten (und in einigen Teilen des Südens) vor großen Herausforderungen im Familienleben: Christliche Konvertiten muslimischer Herkunft fürchten die Entdeckung ihres neuen Glaubens durch ihre Familien, da dies den Verlust des Sorgerechts für ihre Kinder bedeuten oder sie zur Flucht aus ihrem Zuhause zwingen könnte. Wenn eine Christin Witwe wird, nehmen manchmal muslimische Verwandte die Kinder zu sich, um sie als Muslime zu erziehen. In den Lagern für Binnenflüchtlinge ist es für christliche Eltern schwierig, ihre Kinder gemäß ihres Glaubens zu erziehen.
Gesellschaftliches Leben
Im Norden des Landes sowie in Teilen des Südens werden Menschen mit englischen oder biblischen Namen in Schulen, Krankenhäusern und am Arbeitsplatz häufig diskriminiert. In muslimisch geprägten Gebieten gelten Christen als Ungläubige und werden schikaniert. Männer werden mitunter sogar dafür festgenommen, einen „unmoralischen Haarschnitt“ zu tragen. Herrschende Emire sind mitunter an der Entführung christlicher Mädchen zum Zweck der Zwangsheirat beteiligt. Staatliche Versorgungsmaßnahmen erreichen die christlichen Gemeinschaften nicht in dem Maße, wie sie es sollten. In einigen ländlichen Gebieten wird Christen der Zugang zu Wasser verweigert, sodass sie stundenlang zu Fuß gehen müssen, um Wasser zu schöpfen. Sogar in Städten werden christlichen Wohnvierteln manchmal öffentliche Infrastruktur und Anlagen zur sanitären Grundversorgung verweigert. Es wird mehr in die Infrastruktur für Gebiete mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit investiert als in christlich geprägte Gebiete. Unter den Binnenflüchtlingen werden Christen bei der Verteilung von Hilfsgütern oft ausgeschlossen.
Leben im Staat
Christen müssen in Diskussionen mit Muslimen sehr vorsichtig agieren, weil ihre Worte leicht gegen sie verwendet werden und sie wegen Beleidigung des Islam beschuldigt werden können. Wegen der Beschuldigung, sie hätten Mohammed oder den Islam verunglimpft, wurden Christen bereits auf der Stelle getötet. Allgemein herrscht ein Klima der Straflosigkeit. Diejenigen, die Christen und ihr Eigentum angreifen, werden fast nie verhaftet. Auf der anderen Seite haben Christen Gefängnisstrafen für Verbrechen verbüßt, für die Muslime rasch freigesprochen oder für die sie gar nicht erst angeklagt werden. Manchmal werden Christen sogar vor Scharia-Gerichten angeklagt, die gar keine Zuständigkeit für Christen haben, und ihre Aussagen haben dort nur halb so viel Gewicht wie die eines Muslims. Obwohl die Verfassung das Recht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit anerkennt, hat die Scharia (in den zwölf nördlichen Staaten, in denen sie eingeführt wurde) Vorrang vor diesem Recht. In den Medien werden Angriffe auf christliche Gemeinschaften häufig als „kommunale Konflikte“ bezeichnet. Medien, die Muslimen gehören, berichten kaum über Angriffe von Muslimen auf Christen oder stellen sie verzerrt dar.
Kirchliches Leben
Im Norden werden Kirchen zerstört und Pastoren (manchmal zusammen mit ihren Familien) entführt oder ermordet. Das Gleiche geschieht mit vielen anderen Christen. Kirchliche Aktivitäten werden überwacht, behindert oder unterbunden. Christen wird zudem Land für den Bau von Kirchen verweigert. Die offene Integration von Konvertiten muslimischer Herkunft in eine Gemeinde könnte Gewalt gegen die Kirche und ihr Eigentum provozieren, weswegen viele christliche Konvertiten in sicherere Gegenden Nigerias ziehen. Doch die Unsicherheit hat sich auch im Süden Nigerias ausgebreitet. In einer Atmosphäre des Chaos und der Straflosigkeit ist es riskant, sich öffentlich gegen die Menschenrechtsverletzungen an Christen und anderen Nigerianern auszusprechen.
Beispiele für das Auftreten von Gewalt
In der Nacht des 23. Dezember 2023 begannen mehr als 3.000 Terroristen einen grausamen Angriff auf 38 Dörfer im nigerianischen Bundesstaat Plateau. Die Terroristen verteilten sich auf die Dörfer, um diese gleichzeitig anzugreifen, oder marschierten von Dorf zu Dorf. Die Einheiten der bewaffneten Terroristen riefen „Allahu Akbar“ („Gott ist groß“), plünderten und mordeten acht Tage lang in den Dörfern und töteten dabei mindestens 295 Menschen, wie eine lokale Beobachtergruppe namens „Plateau Civil Society Organizations Forum“ dokumentierte.
7. Entwicklung in den letzten 5 Jahren
Jahr |
Platzierung |
Punktzahl |
2025 |
7 |
88 |
2024 |
6 |
88 |
2023 |
6 |
88 |
2022 |
7 |
87 |
2021 |
9 |
85 |
Die Werte für den Druck in Nigeria sind im Berichtszeitraum des Weltverfolgungsindex 2025 weitgehend unverändert geblieben. Dasselbe gilt auch für die Gewalt, die weiterhin den höchstmöglichen Wert erreicht. In vielen Landesteilen werden Christen und ihre Kirchengemeinden und Gemeinschaften nach wie vor angegriffen. Im vorausgegangenen Jahr hatte der neue Präsident Tinubu eine umfassende Personalumstrukturierung vorgenommen, die bei der Besetzung von Führungspositionen für ein besseres repräsentatives Gleichgewicht zwischen den beiden Religionen sorgte, als es unter seinem Vorgänger Buhari der Fall war. Die Hoffnung war es, dass das Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen, die gegen Christen verübt werden, verstärkt anerkannt wird, und dass die Sicherheitskräfte wirksamer zum Schutz der Christen eingreifen würden. Im Berichtszeitraum des Weltverfolgungsindex 2025 hat sich diese Hoffnung jedoch nicht in nennenswertem Umfang erfüllt.
8. Sind Frauen und Männer unterschiedlich von Verfolgung betroffen?
Frauen
Die zahlreichen Angriffe durch militante Fulani, verschiedene Gruppen bewaffneter Krimineller sowie durch Boko Haram und ISWAP terrorisieren christliche Gemeinschaften. Frauen und Mädchen werden dabei von Milizen vergewaltigt, zwangsprostituiert und getötet. Mädchen, die von Milizen entführt worden waren, berichten, man habe sie nicht nur zwangsverheiratet, sondern sie seien auch als menschliche Schutzschilde oder als Druckmittel bei Verhandlungen eingesetzt worden. Frauen, die sexualisierte Gewalt erlitten haben, sind nicht nur traumatisiert; ihre Lage verschlimmert sich manchmal noch dadurch, dass ihre Ehemänner sich mit der Situation nicht abfinden können und ihre Ehefrauen möglicherweise als „befleckt“ betrachten, damit aber die Stigmatisierung und den Scham noch vermehren. In den Lagern für Binnenvertriebene sind christliche Frauen und Mädchen häufig der zusätzlichen Gefahr von sexualisierter Gewalt ausgesetzt.
Männer
Im Norden Nigerias und zunehmend auch im Süden werden christliche Männer und Jungen häufig von Akteuren wie militanten Fulani, bewaffneten Kriminellen, Boko Haram oder ISWAP angegriffen und getötet. Dadurch wird die derzeitige Generation von christlichen Männern stark dezimiert, aber auch garantiert, dass die Geburtenrate in christlichen Familien sinkt. Die Überlebenden und die kleinen Jungen stehen in der Gefahr, als Kämpfer der Milizen zwangsrekrutiert zu werden. Auch in Bezug auf Arbeitsplätze und Bildung werden christliche Männer strategisch diskriminiert. Wenn ein Mann getötet wird, seinen Arbeitsplatz verliert oder sein Eigentum beschlagnahmt wird, steht seine von ihm abhängige Familie in der Gefahr zu verarmen. In Lagern für Binnenvertriebene besteht für christliche Männer und Jungen oft zusätzlich die Gefahr, Opfer von körperlicher Gewalt und Mord zu werden.
9. Verfolgung anderer religiöser Gruppen
Anhänger von traditionellen afrikanischen Religionen sind bekanntermaßen Angriffen und Entführungen ausgesetzt. Einem Bericht der ORFA vom August 2024 zufolge wurden zwischen Oktober 2019 und September 2023 mindestens 154 Anhänger angegriffen und getötet und mindestens 184 entführt.
Auch Muslime, die nicht Teil einer militanten Gruppe sind, stehen in der Gefahr, Opfer von Angriffen zu werden. Vor allem in den nordwestlichen und zentralen Bundesstaaten wurden viele Muslime von denselben Gruppen getötet oder entführt, die auch Christen getötet oder entführt haben; sie mussten ebenfalls aus ihren Dörfern fliehen. Diese Form Gewalt geht zum großen Teil von militanten Fulani und Gruppen bewaffneter Krimineller aus und richtet sich gegen Muslime, die der Ethnie der Hausa angehören.
Während der schiitische Islam in Nigeria nicht allgemein verboten ist, wurde die Organisation „Islamic Movement of Nigeria“ („Islamische Bewegung von Nigeria“) aufgrund ihrer Einstufung als terroristische Organisation am 26. Juli 2019 per Gerichtsbeschluss für illegal erklärt. Folglich entsteht ein Umfeld, in dem schiitische Praktiken, die mit dieser Bewegung verbunden sind, stark eingeschränkt oder verfolgt werden können.
10. Gebetsanliegen
Bitte beten Sie für Nigeria:
- Beten Sie um Frieden für die Christen und ein Ende der Gewalt. Beten Sie, dass Jesus seine hart verfolgte Gemeinde in Nigeria schützt und erhält.
- Beten Sie, dass die einzelnen Christen standhaft bleiben und ihren Glauben unter dem anhaltenden Druck nicht verlieren.
- Beten Sie dafür, dass Präsident Bola Ahmed Tinubu es in die Tat umsetzt, gegen Gewalttäter im Land vorzugehen. Beten Sie, dass die Personalumstrukturierungen Wirkung zeigen.
- Beten Sie um Trost, Hoffnung und Heilung für die Christen, die Traumata erlitten haben.
- Beten Sie um Schutz und Weisheit für die lokalen Partner von Open Doors, die bei ihren Hilfsprojekten für Christen in Nigeria Überfälle und Entführung riskieren müssen. Beten Sie, dass ihre Arbeit die Kirche in Nigeria stärkt und den Christen neue Hoffnung schenkt.