Weltverfolgungsindex 2025

Syrien

Christenverfolgung in Syrien

Berichtszeitraum: 1. Oktober 2023 – 30. September 2024

Hinweis: Da der Berichtszeitraum am 30. September 2024 geendet ist, spiegelt der folgende Bericht mitunter nicht die derzeitige Lebenswirklichkeit in Syrien wider, nachdem das Assad-Regime im Dezember 2024 gestürzt wurde. 

1. Überblick

Der Berichtszeitraum des Weltverfolgungsindex 2025 erstreckt sich vom 1. Oktober 2023 bis zum 30. September 2024. Der folgende Bericht spiegelt daher mitunter nicht die derzeitige Lebenswirklichkeit in Syrien wieder, nachdem das Assad-Regime am 8. Dezember 2024 gestürzt wurde. Seit der türkischen Invasion im Oktober 2019 haben türkische Streitkräfte die Angehörigen ethnischer und religiöser Minderheiten angegriffen, vergewaltigt, entführt und ermordet. Darunter waren sowohl Kurden als auch Christen und Jesiden. Zudem haben die türkischen Streitkräfte sunnitische Binnenflüchtlinge aus anderen Teilen Syriens in den Norden gebracht und dort in Häusern einquartiert, die zuvor Angehörigen ethnischer Minderheiten gehört hatten, die dann aber geflohen waren. Die Folge ist ein demografischer Wandel.

Zeitweise waren die Leiter traditioneller Kirchen in Gebieten, in denen militante Islamisten aktiv waren, besonders von Angriffen und Entführungen betroffen. Diese Leiter sind in der Öffentlichkeit als christliche Leiter erkennbar und gut sichtbar. Baptistische, evangelikale und pfingstkirchliche Gemeinden befinden sich in einer gefährdeten Position, da sie für ihre eher westliche Ausrichtung bekannt sind und das Evangelium weitergeben. Oft fehlt ihnen eine starke Führung und sie haben keinen prominenten ausländischen Fürsprecher, der sich für ihre Belange einsetzt, wie etwa einen Papst oder Bischof.

In den von extremistischen islamistischen Gruppen beherrschten Gebieten wurden die meisten Kirchengebäude der traditionellen Kirchengemeinden entweder zerstört oder zu islamischen Zentren umfunktioniert. Öffentliche Bekundungen des christlichen Glaubens sind verboten. Kirchengebäude oder Klöster können nicht repariert oder renoviert werden, unabhängig davon, ob die Schäden zufällig oder vorsätzlich entstanden sind. Während der ersten Jahre des Bürgerkriegs wurden Christen in Gebieten, die von der Regierung kontrolliert wurden, weniger überwacht.

Christliche Konvertiten muslimischer Herkunft werden von ihren Familien und ihrem sozialen Umfeld unter Druck gesetzt, da eine Konversion beziehungsweise der Abfall vom Islam große Schande über die Familie bringt. Dies gilt besonders in den Regionen, in denen Sunniten die Mehrheit ausmachen. Dort drohen Konvertiten körperliche Angriffe oder die Verstoßung durch ihre Familien.

Länderprofil als PDF

Das nachfolgende Länderprofil ist ein übersetzter Auszug aus den ausführlichen Berichten von World Watch Research, der Forschungsabteilung von Open Doors. Dieses deutsche Länderprofil finden Sie hier auch als PDF zum Download. Die ausführlichen Berichte in englischer Originalfassung („Background Information“ und „Persecution Dynamics“) finden Sie am Ende dieser Seite.

Länderprofil als PDF 

2. Hintergrund

Während des Berichtszeitraums befand sich der Großteil des Landes unter Kontrolle der Assad-Regierung. Kämpfe fanden insbesondere dort statt, wo von der Regierung kontrollierte Gebiete an die Gebiete der Rebellenmilizen grenzten. Zu den Gebieten, die von den Rebellen kontrolliert wurden, gehörten das Gouvernement Idlib, der westliche Teil des Gouvernements Aleppo, die nördliche Region des Gouvernements Hama sowie der Norden und der Nordosten des Landes. Dies änderte sich im Dezember 2024, erst nach Ende des Berichtszeitraums für den Weltverfolgungsindex 2025.

Syrien hat eine mehrheitlich sunnitisch-muslimische Bevölkerung. In der Verfassung ist festgelegt, dass der Präsident Muslim sein muss und dass die islamische Rechtslehre eine wesentliche Quelle für die Gesetzgebung sein soll. Die meisten Christen in Syrien gehören traditionellen Kirchen an, hauptsächlich den orthodoxen und katholischen sowie einigen traditionellen protestantischen Kirchen. In den Gebieten, die von der ehemaligen Regierung kontrolliert wurden, genossen Christen einen recht guten Ruf; gleichzeitig waren Aktivitäten, die als Missionierung verstanden werden könnten, eingeschränkt. In den von den Rebellen kontrollierten Gebieten sind prominente Christen von islamisch-extremistischen Gruppen bedroht, eingeschüchtert und entführt worden.

Während des Bürgerkriegs haben die Christen in Syrien unverhältnismäßig stark unter den Kämpfen und der damit verbundenen Vertreibung gelitten. Ihre Verwundbarkeit im politischen Machtkampf war auf Faktoren zurückzuführen wie fehlende politische und militärische Macht, angebliche Verbindungen zum Westen und Ressentiments gegen die vermeintlich engen Verbindungen der syrischen Christen zum Assad-Regime.

In der „Autonomen Administration Nord- und Ostsyrien“ (ein kurdisch kontrolliertes und verwaltetes Gebiet, auch bekannt als „Rojava“) ist es Muslimen offiziell erlaubt, ihren Glauben zu wechseln und sich als Christen registrieren zu lassen. Diese Registrierung wird jedoch von der syrischen Regierung nicht anerkannt. Der Druck auf christliche Konvertiten durch ihre Familien ist in dieser Region ebenfalls geringer. Diese günstigen Bedingungen sind durch die im Oktober 2019 begonnene Invasion der türkischen Streitkräfte bedroht. Praktisch alle von der kurdischen Autonomieverwaltung erzielten Verbesserungen zur Religionsfreiheit wurden in den nun von der Türkei kontrollierten Gebieten wieder rückgängig gemacht.

WeltanschauungenAnhänger%
Christen579.0002,4
Muslime23.328.46395,8
Hindus2.319< 0,1
Juden121< 0,1
Bahai484< 0,1
Atheisten18.7510,1
Agnostiker418.3621,7
Andere111< 0,1

3. Gibt es regionale Unterschiede?

Christen haben in den Regionen, die unter der Kontrolle islamistischer Gruppen sind, besonders unter Druck gestanden, vor allem im Gouvernement Idlib im Nordwesten und in Teilen des Gouvernements al-Hasaka im Nordosten des Landes. Im Rest des Landes genossen traditionelle christliche Kirchen und – in geringerem Maß – protestantische Freikirchen ein gewisses Maß an Religionsfreiheit. Auf Konvertiten wird im ganzen Land Druck ausgeübt, aber im Nordwesten und Nordosten sind sie besonders in Gefahr.

4. Was sind die stärksten Triebkräfte der Verfolgung?

Islamische Unterdrückung

Islamische Unterdrückung ist die wichtigste Triebkraft der Verfolgung in Syrien und für die meisten Gräueltaten und Übergriffe gegen Christen verantwortlich. Hauptakteure der islamischen Unterdrückung in Syrien sind die militanten Angehörigen islamisch-extremistischer Gruppen wie „Haiʾat Tahrir asch-Scham“ (HTS) (die aus al-Qaida hervorgegangen ist), „Dschaisch al-Islam“ sowie die Mitglieder der von der Türkei unterstützten Oppositionstruppen. Im Berichtszeitraum operierten sie offen im Nordwesten Syriens und im nördlichen Teil des Landes, einschließlich al-Hasaka und Qamischli. Die türkischen Militäroperationen führten ab 2016 zur Besetzung von Gebieten in Nordsyrien und seit Oktober 2019 auch in der sogenannten „sicheren Zone“ entlang der syrisch-türkischen Grenze. Die Türkei setzt arabische islamistische Kämpfer ein, um die kurdischen Gebiete zu kontrollieren. Die islamische Unterdrückung ist in den von Rebellen kontrollierten Gebieten enorm. Sie war jedoch auch in Gebieten präsent, die von der Regierung kontrolliert wurden. Hier waren insbesondere christliche Konvertiten muslimischer Herkunft betroffen. Sie erfahren Verfolgung vonseiten ihrer Familien und ihres sozialen Umfelds.

Diktatorische Paranoia

Diese Art von Verfolgung geht in erster Linie von bewaffneten Gruppen aus, die Teile Syriens kontrollieren, darunter die von der Türkei unterstützten Oppositionstruppen. Mit dieser Unterstützung und dem damit verbundenen Einfluss verfolgt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan das Ziel, den vergangenen Ruhm des Osmanischen Reichs wiederherzustellen. Seit Oktober 2019 haben die von der Türkei unterstützten Kräfte in al-Hasaka mehrfach das Wasser für kurdische und christliche Minderheiten abgestellt, genauso wie für die umliegenden ländlichen Gebiete, in denen mehr als eine Million Menschen wohnen. Damit sollten sie zur Unterwerfung gezwungen werden. Militante islamische Gruppen haben viele Grundstücke von Christen in ihren Besitz gebracht. Aufseiten der Regierung zeigte der frühere Präsident al-Assad zwar eine positive Haltung gegenüber Christen traditioneller Kirchen, doch sein Hauptziel war soziale Stabilität und nicht der Schutz von Rechten religiöser Minderheiten. Berichten zufolge nahmen Überwachung und Verhöre durch die Behörden zu. Die Regierung ging gegen Christen vor, die das Evangelium weitergaben, sowie gegen andere Gruppen, die sie als eine Bedrohung des Status quo betrachtete.

Unterdrückung durch den Clan oder Stamm

Die Stammeskultur in Syrien ist mit dem Islam vermischt, insbesondere in den nördlichen Kurdengebieten und den Wüstenregionen im Zentrum des Landes. Eine Hinwendung zum christlichen Glauben wird als Verrat gegenüber der Stammesgemeinschaft und als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen. Wenn der Glaubenswechsel von Konvertiten entdeckt wird, reagieren die Familien und örtlichen Stammesführer mit großem Widerstand. Ein Scheich kann die Hinrichtung christlicher Konvertiten erlauben, auch kann er genehmigen, dass Muslime die Grundstücke von Konvertiten und ihr Eigentum in Besitz nehmen und sogar ihre Frauen „übernehmen“.

Organisiertes Verbrechen und Korruption

Korruption und Bestechung sind weitverbreitet. Transparency International führt Syrien als das zweitkorrupteste Land weltweit auf. Dies geschieht vor dem Hintergrund von Straflosigkeit und Anarchie und beeinträchtigt den Zugang zu Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung. Christen stehen in dem Ruf, wohlhabend zu sein, und werden von kriminellen Netzwerken entführt, um Lösegeld zu erpressen. Besonders weitverbreitet sind das organisierte Verbrechen und die Korruption in den Gebieten, die vom türkischen Militär und von islamischen militanten Gruppen besetzt werden, sowie in den drusisch und alawitisch dominierten Regionen. In Latakia, wo vor allem Alawiten leben, ist die Entführung junger Christen zu einem großen Problem geworden.

Konfessioneller Protektionismus

Infolge des Bürgerkriegs wurden viele Brücken zwischen traditionellen Kirchengemeinden und protestantischen Gruppen geschlagen, vor allem durch persönliche Kontakte zwischen Priestern und Pastoren. Dagegen sträuben sich allerdings einige hochrangige Leiter traditioneller Kirchen. Sie beschuldigen manche freikirchlichen Christen, ihr Land zu verraten, indem sie sich westlichen politischen Zielen verschrieben hätten, was sie in den Augen der Behörden verdächtig mache.

Eine vollständige Übersicht aller im Land wirksamen Triebkräfte finden Sie im ungekürzten, englischen Dokument „Persecution Dynamics“.

5. Welche Christen sind von Verfolgung betroffen?

Christen aus traditionellen Kirchen

Hierbei handelt es sich zumeist um griechisch-orthodoxe und römisch-katholische Christen. Als größte christliche Gruppe im Land geraten Mitglieder traditioneller Kirchen besonders in den Fokus. Sie leben im ganzen Land und damit auch in den Konfliktgebieten. Im Gouvernement Idlib, das von international agierenden dschihadistischen Gruppen kontrolliert wird, sind die wenigen übrig gebliebenen christlichen Familien aus traditionellen Kirchen von Tod, Folter oder Überfällen bedroht und verstecken ihren Glauben daher. Die Angriffe der Türkei und der von ihnen unterstützten Truppen haben viele Christen im Nordwesten, Norden und Nordosten aus ihrem Zuhause vertrieben. Der politische Ruf der traditionellen Denominationen, Kirchengemeinden und lokalen Gemeindeleiter – ob man sie gegenüber dem früheren Präsident al-Assad als positiv, negativ oder neutral eingestellt betrachtet – hat großen Einfluss auf das Maß der Unterdrückung, das sie von den Gruppen erfahren, die gegen al-Assad kämpften.

Christen anderer religiöser Herkunft (Konvertiten)

Christliche Konvertiten muslimischer oder drusischer Herkunft werden besonders von ihren Familien unter Druck gesetzt, da der Abfall von ihrer Religion große Schande über die Familie bringt. Dies gilt besonders in mehrheitlich von Sunniten bewohnten Regionen, wo christlichen Konvertiten die Verstoßung durch ihre Familien oder Schlimmeres droht. Besonders in den von Rebellen kontrollierten Gebieten ist die Intensität der Verfolgung von Konvertiten muslimischer Herkunft durch die Familien und die Gesellschaft gestiegen – dies ist eine Folge der wachsenden Radikalisierung des Islam in diesen Gebieten. In den Kurdengebieten ist der von der Familie ausgehende Druck etwas weniger stark, da kurdische Sunniten in der Regel weniger extremistische Einstellungen vertreten. Eine Ausnahme sind dabei die kurdisch dominierten Wüstenregionen, in denen das Stammesdenken einen größeren Einfluss hat und der praktizierte Islam konservativer ausgerichtet ist.

Christen aus protestantischen Freikirchen

Baptistische, evangelikale und pfingstkirchliche Christen sind stark gefährdet, da sie für ihre westliche Ausrichtung bekannt sind. Ihre Gemeinden gelten als zersplittert, als ohne starke Führung und als ohne die Hilfe eines Fürsprechers im Ausland, wie etwa eines Papstes oder Bischofs, der sich für sie einsetzen könnte. Die meisten dieser protestantischen Freikirchen haben keine vollständige offizielle Anerkennung und keinen rechtlichen Status. Evangelikale Gemeinden sind jedoch nicht die einzigen, die das Evangelium weitergeben; mehrere traditionelle Kirchen, insbesondere auch katholische, sind ebenfalls daran beteiligt.

6. Wie erfahren Christen Druck und Gewalt?

Betroffene Lebensbereiche und Auftreten von Gewalt

Die Summe der Wertungen aller sechs Bereiche (die maximale Punktzahl beträgt jeweils 16,7) ergibt die Gesamtpunktzahl und somit die Platzierung auf dem Weltverfolgungsindex. Das Verfolgungsmuster zeigt das Ausmaß von Druck und Gewalt, welche durch das Zusammenwirken der Triebkräfte hervorgerufen werden.

Privatleben 13.5
Familienleben 14.4
Gesellschaftliches Leben 13.9
Leben im Staat 14.4
Kirchliches Leben 14.3
Auftreten von Gewalt 7

Privatleben

 

In Gebieten, die von islamistischen Gruppen kontrolliert werden, wie dem Gouvernement Idlib, ist es für Christen gefährlich, mit Nichtchristen über ihren Glauben zu sprechen. Auf einen Glaubenswechsel weg vom Islam steht dort im Allgemeinen die Todesstrafe. In kurdisch kontrollierten Gebieten ist es Muslimen zwar gesetzlich erlaubt, ihren Glauben zu wechseln, doch werden sie dort vor allem von ihren Familien unter Druck gesetzt. In den von der ehemaligen Regierung kontrollierten Gebieten war es für Konvertiten muslimischer Herkunft riskant, über ihren Glauben zu sprechen – es hätte als versuchte Evangelisation interpretiert werden können, was gesetzlich verboten war. Andere Christen können ihren Glauben schriftlich zum Ausdruck bringen, solange sie weder die Politik noch andere Religionen erwähnen. Muslimen ist es, außer in den kurdisch kontrollierten Gebieten, gesetzlich verboten, einen anderen Glauben anzunehmen. Der Glaubenswechsel wird jedoch nicht unter Strafe gestellt.

 

Familienleben

 

In Syrien gibt es keinen rechtlichen Rahmen für Ehen zwischen einer Christin muslimischer Herkunft und einem traditionellen oder freikirchlichen Christen. Ihre Ehe wäre illegal. Interreligiöse Ehen sind mit einem großen gesellschaftlichen Stigma behaftet. Die Folgen davon können Entfremdung, Diskriminierung und Verfolgung durch Familienmitglieder sein – bis hin zum Mord. Die Ehre eines muslimischen Mannes wird in den Augen der Gesellschaft beschmutzt, wenn seine Frau oder Tochter den christlichen Glauben annimmt. Sowohl Kultur als auch Religion erachten es für richtig, sie zu töten, doch Scheidung ist die häufigere Lösung. Lässt sich ein muslimischer von einem christlichen Ehepartner scheiden, wird das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder in der Regel der muslimischen Seite zugesprochen. Manche christlichen Mütter konvertieren deshalb zum Islam, nur damit sie ihre Kinder behalten können. Die Kinder von christlichen Konvertiten gelten von Geburt an als Muslime, da ihre Eltern ihre Glaubenszugehörigkeit nicht offiziell ändern lassen können. Das kurdische autonom verwaltete Gebiet Rojava stellt hier eine seltene Ausnahme dar: Dies ist die einzige Region in Syrien, in der es Muslimen erlaubt ist, ihre Religion legal zu wechseln und sich als Christen registrieren zu lassen. Diese Registrierung wird jedoch von der syrischen Regierung nicht anerkannt. Infolge des islamischen Unterrichts, der in den von der ehemaligen Regierung kontrollierten Gebieten verstärkt erteilt wurde, werden dort Kinder von Christen und insbesondere von Konvertiten diskriminiert und schikaniert.

 

Gesellschaftliches Leben

 

Christen werden in ganz Syrien überwacht, insbesondere in Gebieten, die von islamistischen Gruppen kontrolliert werden. In den von der ehemaligen Regierung kontrollierten Gebieten wurden christliche Konvertiten und protestantische Freikirchen besonders genau beobachtet und die Predigten wurden überprüft. Der Religionsunterricht wird in den Schulen je nach Konfessionszugehörigkeit erteilt. Christliche Konvertiten muslimischer Herkunft gelten noch immer als Muslime, weshalb ihre Kinder am Islamunterricht teilnehmen müssen. Unter Umständen werden Christen auch in der Arbeitswelt diskriminiert. In Aleppo beherrschen sunnitische Muslime den Markt und stellen oft keine Christen ein.

 

Leben im Staat

 

In der syrischen Verfassung von 2012 ist festgelegt, dass der Präsident Muslim sein muss und dass die islamische Rechtslehre eine wesentliche Quelle für die Gesetzgebung sein soll. Damit ist die Grundlage für eine diskriminierende Behandlung von Nichtmuslimen gelegt. Die Verfassung schreibt den Schutz aller Religionen vor, solange sie „die öffentliche Ordnung nicht gefährden“. Außer in Rojava wird der Glaubenswechsel vom Islam zu einer anderen Religion nicht anerkannt. In Gebieten, die von islamistischen Gruppen besetzt sind, gilt die Scharia, was die Freiheiten aller religiösen Gruppen, die nicht sunnitisch sind, massiv einschränkt. In von der ehemaligen Regierung kontrollierten Gebieten mussten erwachsene Männer im Militär dienen. Andernfalls drohten ihnen Gefängnisstrafe und Zwangseinberufung. Dieser Umstand veranlasste männliche Christen, aus Syrien zu fliehen, beziehungsweise ließ sie zögern, dorthin zurückzukehren.

 

Kirchliches Leben

Seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien wurden Gottesdienste überwacht. Von Kirchen- und Gemeindeleitern wurde erwartet, dass sie ihre Gemeindemitglieder dazu aufriefen, das Regime von al-Assad zu unterstützen. Schon vor dem Bürgerkrieg vermieden es christliche Leiter, über die Weitergabe des Evangeliums an Muslime zu sprechen oder sich respektlos über den Islam zu äußern. In den von islamistischen Gruppen beherrschten Gebieten wurden die meisten Kirchengebäude entweder geschlossen, zerstört oder zu islamischen Zentren umfunktioniert. Die Aufnahme von Christen muslimischer Herkunft in offiziell anerkannten Kirchen wurde von der früheren Regierung nicht gern gesehen. Das wurde damit begründet, dass dies zur Sektenbildung führen oder Konflikte zwischen unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften hervorrufen könne. Viele Kirchen in den von islamistischen Gruppen kontrollierten Gebieten wurden entweiht, vor allem durch die Entfernung von Kreuzen.

Beispiele für das Auftreten von Gewalt

Während des Berichtszeitraums wurden drei Hauskirchen geschlossen und mindestens eine Kirche wurde Ziel eines Einbruchs. Privates Eigentum von Christen wird nach wie vor beschlagnahmt, und Christen fliehen weiterhin aus Syrien, auch wenn im Vergleich zum Weltverfolgungsindex 2024, als das Erdbeben die Situation erheblich beeinflusste, weniger Vorfälle gemeldet wurden.

7. Entwicklung in den letzten 5 Jahren

JahrPlatzierungPunktzahl
20251878
20241281
20231280
20221578
20211281

Obwohl sich im Berichtszeitraum der durchschnittliche Druck geringfügig erhöhte, sank der Wert für das Auftreten von Gewalt deutlich – von 11,1 Punkten im Vorjahr auf einen immer noch beachtlich hohen Wert von 7,0 Punkten. Dieser Rückgang ist in erster Linie auf die geringere Zahl gemeldeter Angriffe auf Kirchen zurückzuführen. Steigende Kriminalität, zunehmende Korruption, wachsende religiöse Diskriminierung und politische Instabilität schüren weiterhin die Angst unter Christen. Diese Faktoren treiben die Auswanderung voran, verändern die demografische Entwicklung maßgeblich, schwächen die Kirchen und gefährden die Zukunft des christlichen Lebens in der Region erheblich.

8. Sind Frauen und Männer unterschiedlich von Verfolgung betroffen?

Frauen

Vor dem Hintergrund der anhaltenden Instabilität und der Einschränkung der Religionsfreiheit sind Frauen aus religiösen Minderheiten, darunter auch Christinnen, von Entführungen, sexueller Belästigung und Vergewaltigungen bedroht. Die Zahl solcher Fälle ist drastisch zurückgegangen, seitdem der sogenannte „Islamische Staat“ Gebiete in Syrien verloren hat. Dies ist dennoch weiterhin sowohl in den von der früheren Regierung kontrollierten als auch in den von den Rebellen gehaltenen Gebieten geschehen. Vergewaltigung wird genutzt, um christliche Familien zu beschämen und ihre Gemeinschaften zu destabilisieren. Christliche Konvertitinnen erleben zudem gewaltsame Übergriffe vonseiten ihrer eigenen Familien. Sie sind mitunter häuslicher Gewalt oder einer Zwangsheirat mit einem Muslim ausgesetzt oder werden möglicherweise sogar getötet, um die Ehre der Familie wiederherzustellen.

Männer

Angesichts der anhaltenden Gewalt und der Stellvertreterkonflikte befürchten junge einheimische männliche Christen, zur syrischen Armee oder zu anderen militärischen Gruppierungen zwangsrekrutiert zu werden. Einige verweigerten den Militärdienst aus Gewissensgründen, was ein Grund für die vielen Auswanderungen war. Arbeitslose Christen haben große Schwierigkeiten, einen Arbeitsplatz zu finden; und diejenigen, die einen Arbeitsplatz haben, haben kaum Chancen auf eine Beförderung. Die Gefahr der Entführung von männlichen Gemeindeleitern hat nach wie vor erhebliche negative Auswirkungen auf die christlichen Gemeinschaften. Männliche christliche Konvertiten sind zusätzlichem Druck ausgesetzt; es kann passieren, dass sie von ihrer Familie bedroht oder geschlagen werden oder dass ihnen das Erbe verweigert wird. Konvertiten muslimischer Herkunft stehen zudem unter starkem Druck, eine muslimische Frau zu heiraten.

9. Verfolgung anderer religiöser Gruppen

Viele andere religiöse Minderheiten sind in unterschiedlichem Ausmaß ebenfalls Verfolgung ausgesetzt, darunter Schiiten, Alawiten, Drusen, Juden, Jesiden und Zoroastrier. Schiitische, alawitische und drusische Gemeinschaften werden von sunnitischen Dschihadisten nicht nur deswegen verfolgt, weil ihr Glaube als ketzerisch angesehen wird, sondern im Fall der Alawiten auch, weil ihnen Verbindungen zum früheren Präsident al-Assad vorgeworfen werden. Jesiden und Zoroastrier sind zwei Religionsgemeinschaften, die in Rojava vorkommen und von der Regierung nicht anerkannt werden. Ihre Kinder werden als Sunniten registriert – in der Schule müssen sie am Islamunterricht teilnehmen.

9. Gebetsanliegen

Bitte beten Sie für Syrien:

  • Beten Sie für die Gemeindeleiter und die Christen mit muslimischem Hintergrund: dass Jesus sie vor Gewalt schützt und ihnen Hoffnung und Zuversicht gibt.
  • Beten Sie, dass Gott nach mehr als zehn Jahren Krieg und Zerstörung Frieden ins Land bringt und die Herzen der neuen Machthaber erweicht, damit sie für die Schwächsten der syrischen Gesellschaft sorgen.
  • Beten Sie dafür, dass die syrischen Christen zu ihren Häusern, Familien, Gemeinden und ihrer Lebensgrundlage zurückkehren können, und dass Gott denjenigen hilft, die bereits zurückgekehrt sind.
  • Beten Sie für die Christen, dass sie ein Licht der Hoffnung in Syrien sind und denen Trost und Hilfe bringen, die unter einem Trauma oder dem Mangel an Nahrung und anderen lebensnotwendigen Dingen leiden.